Peter Wolff

Im Bann von covid-19


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wie „der ein oder andere“. Ein deutlicher Seitenhieb in Richtung Laschet.

      Das Geplänkel zwischen den Antipoden Söder und Laschet bleibt den anderen Parteien nicht verborgen. Die Sozialdemokraten kritisieren die Nickligkeiten beim Koalitionspartner heftig. Der „Wettbewerb zwischen München und Düsseldorf“ laufe so langsam aus dem Ruder, so SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. „Das wirkt manchmal wie ein Hahnenkampf um das Merkel-Erbe, bei dem sich die Beteiligten gegenseitig belauern und beinahe zwanghaft versuchen, schneller zu sein als der andere (45).

      Und der Wettstreit der Gockel um Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur, ausgetragen auf dem Rücken des Corona-Virus, zeigt tatsächlich Wirkung.

      Im Politiker-Ranking des RTL/ntv-Trendbarmeters gewinnt Markus Söder über die Monate deutlich an Zustimmung. Im Vergleich zur letzten Untersuchung, die im Januar und damit vor Beginn der Pandemie stattfand, ist das Vertrauen im August 2020 um stolze 17 Punkte gewachsen.

      Im vom Forschungsinstitut Forsa ermittelten Ranking gehört NRW-Ministerpräsident Armin Laschet mit einem Verlust von 6 Punkten zu den größten Verlierern (46).

      Auch, was die „K-Frage“ betrifft, die Frage nach dem neuen Bundeskanzler, erhält der bayerische Ministerpräsident Söder konstant gute Noten. In der Sonntagsfrage vom 03.09.2020 können sich 56% den gebürtigen Nürnberger als zukünftigen Bundeskanzler vorstellen, der Aachener Armin Laschet muss sich mit 24% begnügen (47).

      Ehre, wem Ehre gebührt. Dadurch, dass er sich quasi als „Frontmann“ der „Corona-Fraktion“ etabliert, hat sich Markus Söder meiner Meinung nach diese Pole-Position durchaus verdient.

      08 - Shutdown und Lockdown – die Ultima Ratio zur Pandemiebekämpfung?

      „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert“

       (Albert Einstein, *14.03.1879, + 18.04.1955, deutscher Physiker)

      2020 wird als das „Corona-Jahr“ in die Geschichtsbücher eingehen – so viel steht fest.

      Und im März wie im Oktober des Jahres dreht sich in Alemannia dabei beinahe alles nur um zwei Begriffe, die beinahe das Gleiche meinen: „Shutdown“ oder, mittlerweile fast immer benutzt, „Lockdown“. Menschen und Medien nutzen seit Ausbruch der Corona-Seuche fast inflationär die beiden englischen Begriffe, gern auch als deckungsgleiche Synonyme.

      Auch, wenn sich Politiker, wie wir im vorigen Kapitel 07 gesehen haben, alles anderes als stets „coronakonform“ verhalten – sie entscheiden letztendlich darüber, wie wir der Seuche entgegentreten. Dabei bedienen sie sich vor allem des Instruments mit den zwei Namen, bei dem es eigentlich nur um eine Strategie geht.

      Höchste Zeit also, die Frage zu klären: was ist das eigentlich genau, ein Lockdown? Und wie grenzt er sich ab vom Shutdown, jenem Synonym für Verhaltensmaßregeln, welches zu Beginn der Corona-Krise häufig ins Feld geführt wurde, inzwischen, so hat man den Eindruck, aber vom Lockdown beinahe verdrängt wurde?

      Eines vorweg: Die beiden Begriffe Lockdown und Shutdown haben in ihrem ursprünglichen Sinne mit der Bekämpfung einer Pandemie rein gar nichts zu tun.

      Das Wort Shutdown bezeichnet „die Schließung einer Fabrik, eines Geschäftes oder anderen Unternehmens, entweder für kurze Zeit oder für immer“. So steht es im renommierten Wörterbuch „Collins Dictionary“. Das Wort bezieht sich nach dieser Deutung also allein auf die Wirtschaftswelt – oder das Herunterfahren eines Computers.

      In den USA beschreibt das Wort Shutdown zudem das Herunterfahren von Politik und öffentlicher Verwaltung, wenn sich der US-Präsident und das Repräsentantenhaus im Streit um einen neuen Haushalt wieder einmal hoffnungslos emotional verkantet haben und hunderttausenden Behördenmitarbeitern Lohnausfälle drohen.

      Lockdown hingegen bedeutet im Englischen einen „Zustand der Isolation, Eindämmung oder des eingeschränkten Zugangs, der normalerweise als Sicherheitsmaßnahme eingeführt wird“, lesen wir im „Oxford English Dictionary“. Mithilfe dieser Sicherheitsmaßnahmen werden bestimmte Zonen abgeriegelt, sodass die Bevölkerung sich dort nicht mehr frei bewegen kann.

      Als Beispiel mag die Absperrung eines Gebiets nach einem Anschlag oder einer Naturkatastrophe zum Schutz der Menschen dienen. Es ist im Wortsinne also eher eine Grenzziehung, eine Barriere um eine definierte Zone herum als eine Stilllegung des öffentlichen Lebens in einer Zone.

      In der Corona-Pandemie erhielt Lockdown im englischen Sprachraum zusätzlich die Bedeutung einer „Ausgangssperre“ (48).

      Solch eine Bewegungseinschränkung durch Zwangsmaßnahmen gibt es beim „Shutdown“ nicht (49).

      Wir rekapitulieren: Am 11. März 2020 ruft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Pandemie aus.

      Als am 22. März der erste Lockdown in der Corona-Krise verkündet wird, beginnt die Zeit des Reproduktionswertes (R-Wert). Haben wir nicht alle wie gebannt jeden Tag auf die Entwicklung des Wertes, vor allem in unseren Heimatstädten und -dörfern, geschaut?

      Der R-Wert sagt aus, wie viele Personen eine infizierte Person im Schnitt ansteckt.

      Liegt er über 1, werden die Infektionen von Tag zu Tag mehr. Ist er gleich 1, bedeutet dies, dass die Zahl der Neuinfektionen ungefähr gleichbleibt.

      Ein Wert kleiner 1 ist verbunden mit der erfreulichen Erkenntnis, dass es von Tag zu Tag weniger Neuinfektionen gibt.

      Die Reproduktionszahl liegt zu Beginn des ersten Lockdowns bei 1,0. Es gibt an diesem Tag 2509 Neuinfektionen, und 18610 bestätigte Fälle. 55 Menschen sterben am Corona-Virus (50).

      Hierzulande einigen sich Bund und Länder auf strenge Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes wird ein „Lockdown“ verkündet. Millionen Deutsche können nicht mehr arbeiten oder arbeiten im Homeoffice. In den meisten Bundesländern werden Schulen und Kitas bereits geschlossen, andere folgen. An den Grenzen zu Frankreich, Österreich, Luxemburg, Dänemark und der Schweiz setzt die Bundesregierung umfassende Kontrollen und Einreiseverbote in Kraft.

      In Deutschland bricht im März die Industrieproduktion ein. Sie sinkt um 9,2% gegenüber dem Februar.

      Die Umsätze vieler deutscher Unternehmen halbieren sich, fast jedes fünfte Unternehmen sieht sich akut von der Insolvenz bedroht.

      Die deutschen Exporte sinken im März gegenüber dem Vorjahresmonat um 7,7%, die Importe um 4,4% (51).

      Streng genommen handelt es sich beim ersten Maßnahmepaket der Bundesregierung gar nicht um einen wirklichen Lockdown.

      Denn anders als in Spanien oder Italien gibt es keine Ausgangssperre. Es findet keine flächendeckende Einstellung des öffentlichen Nahverkehrs statt, und man beklagt keine ausnahmslos geschlossenen Unternehmen und Fabriken.

      Die Landwirtschaft, die Paketdienste, Busse und Bahnen, Feuerwehr und Polizei, die Medien, Ärzte wie Krankenhäuser, Speditionen und Millionen Mitarbeiter im Homeoffice – sie alle blieben aktiv.

      Aber was war es denn dann, diese Mischung aus Kontaktbeschränkung, Schließung kommerzieller Betriebe mit erhöhtem Publikumsverkehr und direktem Körperkontakt, Stilllegung zwar vieler, aber eben nicht aller Betriebe, Schließung des Einzelhandels, Einstellung des Kulturtreibens, Verbot von Veranstaltungen, Verzicht auf Begegnungen und ortsgebundener Maskenpflicht? Es gibt bislang im deutschen Sprachgebrauch kein Wort, welches das, was Deutschland im März erstmals erlebt, wirklich zutreffend beschreiben kann (52).

      Und somit werden wir uns an den „Lockdown“ bzw. „Teil-Lockdown“, der die Nachrichtensendungen anno 2020 so beherrscht wie der FC Bayern München die Fußballbundesliga, gewöhnen müssen.

      Im Zuge der Covid-19-Pandemie wird im Frühjahr 2020 in vielen Ländern das wirtschaftliche Leben weitgehend heruntergefahren. Gastronomiebetriebe und Ladengeschäfte werden weltweit geschlossen.

      Die