Friedrich Schiller

Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...


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ich nach einem Auge, das empfindet.

      Wo weilen meine Söhne, daß ich Anteil

      In einem Auge lese, denn mir ist,

      Als ob der Wüste unmitleidge Scharen,

      Des Meeres Ungeheuer mich umständen.

      DIEGO.

      Sie schlägt die Augen auf! Sie regt sich, lebt!

      ISABELLA.

      Sie lebt! Ihr erster Blick sei auf die Mutter!

      DIEGO.

      Das Auge schließt sie schaudernd wieder zu.

      ISABELLA zum Chor.

      Weiche zurück! Sie schreckt der fremde Anblick

      CHOR tritt zurück.

      Gern meid ichs, ihrem Blicke zu begegnen.

      DIEGO.

      Mit großen Augen mißt sie staunend dich.

      BEATRICE.

      Wo bin ich? Diese Züge sollt ich kennen.

      ISABELLA.

      Langsam kehrt die Besinnung ihr zurück.

      DIEGO.

      Was macht sie? Auf die Kniee senkt sie sich.

      BEATRICE.

      O schönes Engelsantlitz meiner Mutter!

      ISABELLA.

      Kind meines Herzens! Komm in meine Arme!

      BEATRICE.

      Zu deinen Füßen sieh die Schuldige.

      ISABELLA.

      Ich habe dich wieder! Alles sei vergessen!

      DIEGO.

      Betracht auch mich! Erkennst du meine Züge?

      BEATRICE.

      Des redlichen Diego greises Haupt!

      ISABELLA.

      Der treue Wächter deiner Kinderjahre.

      BEATRICE.

      So bin ich wieder in dem Schoß der Meinen?

      ISABELLA.

      Und nichts soll uns mehr scheiden als der Tod.

      BEATRICE.

      Du willst mich nicht mehr in die Fremde stoßen?

      ISABELLA.

      Nichts trennt uns mehr, das Schicksal ist befriedigt.

      BEATRICE sinkt an ihre Brust.

      Und find ich wirklich mich an deinem Herzen?

      Und alles war ein Traum, was ich erlebte?

      Ein schwerer, fürchterlicher Traum – O Mutter!

      Ich sah ihn tot zu meinen Füßen fallen!

      – Wie komm ich aber hieher? Ich besinne

      Mich nicht – Ach, wohl mir, wohl, daß ich gerettet

      In deinen Armen bin! Sie wollten mich

      Zur Fürstin Mutter von Messina bringen.

      Eher ins Grab!

      ISABELLA.

      Komm zu dir, meine Tochter!

      Messinas Fürstin –

      BEATRICE.

      Nenne sie nicht mehr.

      Mir gießt sich bei dem unglückselgen Namen

      Ein Frost des Todes durch die Glieder.

      ISABELLA.

      Höre mich.

      BEATRICE.

      Sie hat zwei Söhne, die sich tödlich hassen,

      Don Manuel, Don Cesar nennt man sie.

      ISABELLA.

      Ich bins ja selbst! Erkenne deine Mutter.

      BEATRICE.

      Was sagst du? Welches Wort hast du geredet?

      ISABELLA.

      Ich, deine Mutter, bin Messinas Fürstin.

      BEATRICE.

      Du bist Don Manuels Mutter und Don Cesars?

      ISABELLA.

      Und deine Mutter! Deine Brüder nennst du!

      BEATRICE.

      Weh, weh mir! O entsetzensvolles Licht!

      ISABELLA.

      Was ist dir? Was erschüttert dich so seltsam?

      BEATRICE wild um sich her schauend, erblickt den Chor.

      Das sind sie, ja! Jetzt, jetzt erkenn ich sie.

      Mich hat kein Traum getäuscht – Die sinds! Die waren

      Zugegen – Es ist fürchterliche Wahrheit!

      Unglückliche, wo habt ihr ihn verborgen?

      Sie geht mit heftigem Schritt auf den Chor zu, der sich von ihr abwendet. Ein Trauermarsch läßt sich in der Ferne hören.

      CHOR.

      Weh! Wehe!

      ISABELLA.

      Wen verborgen? Was ist wahr?

      Ihr schweigt bestürzt – ihr scheint sie zu verstehn.

      Ich les in euren Augen, eurer Stimme

      Gebrochnen Tönen etwas Unglückselges,

      Das mir zurückgehalten wird – Was ists?

      Ich will es wissen. Warum heftet ihr

      So schreckenvolle Blicke nach der Türe?

      Und was für Töne hör ich da erschallen?

      CHOR.

      Es naht sich! Es wird sich mit Schrecken erklären.

      Sei stark, Gebieterin, stähle dein Herz.

      Mit Fassung ertrage, was dich erwartet,

      Mit männlicher Seele den tödlichen Schmerz!

      ISABELLA.

      Was naht sich? Was erwartet mich? – Ich höre

      Der Totenklage fürchterlichen Ton

      Das Haus durchdringen – Wo sind meine Söhne?

      Der erste Halbchor bringt den Leichnam Don Manuels auf einer Bahre getragen, die er auf der leergelassenen Seite der Szene niedersetzt. Ein schwarzes Tuch ist darübergebreitet.

      Isabella. Beatrice. Diego. Beide Chöre.

      ERSTER CHOR.

      Durch die Straßen der Städte,

      Vom Jammer gefolget,

      Schreitet das Unglück –

      Laurend umschleicht es

      Die Häuser der Menschen,

      Heute an dieser

      Pforte pocht es,

      Morgen an jener,

      Aber noch keinen hat es verschont.

      Die unerwünschte

      Schmerzliche Botschaft

      Früher oder später

      Bestellt es an jeder

      Schwelle, wo ein Lebendiger wohnt.

      Wenn die Blätter fallen

      In des Jahres