Friedrich Schiller

Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...


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Greise,

      Da gehorcht die Natur

      Ruhig nur

      Ihrem alten Gesetze,

      Ihrem ewigen Brauch,

      Da ist nichts, was den Menschen entsetze!

      Aber das Ungeheure auch

      Lerne erwarten im irdischen Leben!

      Mit gewaltsamer Hand

      Löset der Mord auch das heiligste Band,

      In sein stygisches Boot

      Raffet der Tod

      Auch der Jugend blühendes Leben!

      Wenn die Wolken getürmt den Himmel schwärzen,

      Wenn dumpftosend der Donner hallt,

      Da, da fühlen sich alle Herzen

      In des furchtbaren Schicksals Gewalt.

      Aber auch aus entwölkter Höhe

      Kann der zündende Donner schlagen,

      Darum in deinen fröhlichen Tagen

      Fürchte des Unglücks tückische Nähe.

      Nicht an die Güter hänge dein Herz,

      Die das Leben vergänglich zieren,

      Wer besitzt, der lerne verlieren,

      Wer im Glück ist, der lerne den Schmerz.

      ISABELLA.

      Was soll ich hören? Was verhüllt dies Tuch?

      Sie macht einen Schritt gegen die Bahre, bleibt aber unschlüssig zaudernd stehen.

      Es zieht mich grausend hin und zieht mich schaudernd

      Mit dunkler, kalter Schreckenshand zurück.

      Zu Beatricen, welche sich zwischen sie und die Bahre geworfen.

      Laß mich! Was es auch sei, ich wills enthüllen!

      Sie hebt das Tuch auf und entdeckt Don Manuels Leichnam.

      O himmlische Mächte, es ist mein Sohn!

      Sie bleibt mit starrem Entsetzen stehen – Beatrice sinkt mit einem Schrei des Schmerzens neben der Bahre nieder.

      CHOR.

      Unglückliche Mutter! Es ist dein Sohn!

      Du hast es gesprochen, das Wort des Jammers,

      Nicht meinen Lippen ist es entflohn.

      ISABELLA.

      Mein Sohn! Mein Manuel! – O ewige

      Erbarmung – So muß ich dich wiederfinden!

      Mit deinem Leben mußtest du die Schwester

      Erkaufen aus des Räubers Hand! – Wo war

      Dein Bruder, daß sein Arm dich nicht beschützte?

      – O Fluch der Hand, die diese Wunde grub!

      Fluch ihr, die den Verderblichen geboren,

      Der mir den Sohn erschlug! Fluch seinem ganzen

      Geschlecht!

      CHOR.

      Weh! Wehe! Wehe! Wehe!

      ISABELLA.

      So haltet ihr mir Wort, ihr Himmelsmächte?

      Das, das ist eure Wahrheit? Wehe dem,

      Der euch vertraut mit redlichem Gemüt!

      Worauf hab ich gehofft, wovor gezittert,

      Wenn dies der Ausgang ist – O die ihr hier

      Mich schreckenvoll umsteht, an meinem Schmerz

      Die Blicke weidend, lernt die Lügen kennen,

      Womit die Träume uns, die Seher täuschen!

      Glaube noch einer an der Götter Mund!

      – Als ich mich Mutter fühlte dieser Tochter,

      Da träumte ihrem Vater eines Tags,

      Er säh aus seinem hochzeitlichen Bette

      Zwei Lorbeerbäume wachsen – Zwischen ihnen

      Wuchs eine Lilie empor, sie ward

      Zur Flamme, die der Bäume dicht Gezweig ergriff,

      Und um sich wütend schnell das ganze Haus

      In ungeheurer Feuerflut verschlang.

      Erschreckt von diesem seltsamen Gesichte

      Befrug der Vater einen Vogelschauer

      Und schwarzen Magier um die Bedeutung.

      Der Magier erklärte: wenn mein Schoß

      Von einer Tochter sich entbinden würde,

      So würde sie die beiden Söhne ihm

      Ermorden und vertilgen seinen Stamm!

      CHOR.

      Gebieterin, was sagst du? Wehe! Wehe!

      ISABELLA.

      Darum befahl der Vater, sie zu töten,

      Doch ich entrückte sie dem Jammerschicksal!

      – Die arme Unglückselige! Verstoßen

      Ward sie als Kind aus ihrer Mutter Schoß,

      Daß sie, erwachsen, nicht die Brüder morde!

      Und jetzt durch Räubershände fällt der Bruder,

      Nicht die Unschuldige hat ihn getötet!

      CHOR.

      Weh! Wehe! Wehe! Wehe!

      ISABELLA.

      Keinen Glauben

      Verdiente mir des Götzendieners Spruch,

      Ein beßres Hoffen stärkte meine Seele.

      Denn mir verkündigte ein andrer Mund,

      Den ich für wahrhaft hielt, von dieser Tochter

      »In heißer Liebe würde sie dereinst

      Der Söhne Herzen mir vereinigen.«

      – So widersprachen die Orakel sich,

      Den Fluch zugleich und Segen auf das Haupt

      Der Tochter legend – Nicht den Fluch hat sie

      Verschuldet, die Unglückliche! Nicht Zeit

      Ward ihr gegönnt, den Segen zu vollziehen.

      Ein Mund hat wie der andere gelogen!

      Die Kunst der Seher ist ein eitles Nichts,

      Betrüger sind sie, oder sind betrogen.

      Nichts Wahres läßt sich von der Zukunft wissen,

      Du schöpfest drunten an der Hölle Flüssen,

      Du schöpfest droben an dem Quell des Lichts.

      ERSTER CHOR.

      Weh! Wehe! Was sagst du? Halt ein, halt ein!

      Bezähme der Zunge verwegenes Toben!

      Die Orakel sehen und treffen ein,

      Der Ausgang wird die Wahrhaftigen loben!

      ISABELLA.

      Nicht zähmen will ich meine Zunge, laut

      Wie mir das Herz gebietet, will ich reden.

      Warum besuchen wir die heilgen Häuser,

      Und heben zu dem Himmel fromme Hände?