Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...
Das französische Lager.
Siebenter Auftritt
Dunois zwischen dem Erzbischof und Du Chatel.
ERZBISCHOF.
Bezwinget Euern finstern Unmut, Prinz!
Kommt mit uns! Kehrt zurück zu Euerm König!
Verlasset nicht die allgemeine Sache
In diesem Augenblick, da wir aufs neu
Bedränget, Eures Heldenarms bedürfen.
DUNOIS.
Warum sind wir bedrängt? Warum erhebt
Der Feind sich wieder? Alles war getan,
Frankreich war siegend und der Krieg geendigt.
Die Retterin habt ihr verbannt, nun rettet
Euch selbst! Ich aber will das Lager
Nicht wieder sehen, wo sie nicht mehr ist.
DU CHATEL.
Nehmt bessern Rat an, Prinz. Entlaßt uns nicht
Mit einer solchen Antwort!
DUNOIS.
Schweigt, Du Chatel!
Ich hasse Euch, von Euch will ich nichts hören.
Ihr seid es, der zuerst an ihr gezweifelt.
ERZBISCHOF.
Wer ward nicht irr an ihr und hätte nicht
Gewankt an diesem unglückselgen Tage,
Da alle Zeichen gegen sie bewiesen!
Wir waren überrascht, betäubt, der Schlag
Traf zu erschütternd unser Herz – Wer konnte
In dieser Schreckensstunde prüfend wägen?
Jetzt kehrt uns die Besonnenheit zurück,
Wir sehn sie, wie sie unter uns gewandelt,
Und keinen Tadel finden wir an ihr.
Wir sind verwirrt – wir fürchten schweres Unrecht
Getan zu haben. – Reue fühlt der König,
Der Herzog klagt sich an, La Hire ist trostlos,
Und jedes Herz hüllt sich in Trauer ein.
DUNOIS.
Sie eine Lügnerin! Wenn sich die Wahrheit
Verkörpern will in sichtbarer Gestalt,
So muß sie ihre Züge an sich tragen!
Wenn Unschuld, Treue, Herzensreinigkeit
Auf Erden irgend wohnt – auf ihren Lippen,
In ihren klaren Augen muß sie wohnen!
ERZBISCHOF.
Der Himmel schlage durch ein Wunder sich
Ins Mittel, und erleuchte dies Geheimnis,
Das unser sterblich Auge nicht durchdringt –
Doch wie sichs auch entwirren mag und lösen,
Eins von den beiden haben wir verschuldet!
Wir haben uns mit höllschen Zauberwaffen
Verteidigt oder eine Heilige verbannt!
Und beides ruft des Himmels Zorn und Strafen
Herab auf dieses unglückselge Land!
Achter Auftritt
Ein Edelmann zu den Vorigen, hernach Raimond.
EDELMANN.
Ein junger Schäfer fragt nach deiner Hoheit,
Er fodert dringend, mit dir selbst zu reden,
Er komme, sagt er, von der Jungfrau –
DUNOIS.
Eile!
Bring ihn herein! Er kommt von ihr!
Edelmann öffnet dem Raimond die Türe, Dunois eilt ihm entgegen.
Wo ist sie?
Wo ist die Jungfrau?
RAIMOND.
Heil Euch, edler Prinz,
Und Heil mir, daß ich diesen frommen Bischof,
Den heilgen Mann, den Schirm der Unterdrückten,
Den Vater der Verlaßnen bei Euch finde!
DUNOIS.
Wo ist die Jungfrau?
ERZBISCHOF.
Sag es uns, mein Sohn!
RAIMOND.
Herr, sie ist keine schwarze Zauberin!
Bei Gott und allen Heiligen bezeug ichs.
Im Irrtum ist das Volk. Ihr habt die Unschuld
Verbannt, die Gottgesendete verstoßen!
DUNOIS.
Wo ist sie? Sage!
RAIMOND.
Ihr Gefährte war ich
Auf ihrer Flucht in dem Ardennerwald,
Mir hat sie dort ihr Innerstes gebeichtet.
In Martern will ich sterben, meine Seele
Hab keinen Anteil an dem ewgen Heil,
Wenn sie nicht rein ist, Herr, von aller Schuld!
DUNOIS.
Die Sonne selbst am Himmel ist nicht reiner!
Wo ist sie, sprich!
RAIMOND.
O wenn Euch Gott das Herz
Gewendet hat – So eilt! So rettet sie!
Sie ist gefangen bei den Engelländern.
DUNOIS.
Gefangen! Was!
ERZBISCHOF.
Die Unglückselige!
RAIMOND.
In den Ardennen, wo wir Obdach suchten,
Ward sie ergriffen von der Königin,
Und in der Engelländer Hand geliefert.
O rettet sie, die euch gerettet hat,
Von einem grausenvollen Tode!
DUNOIS.
Zu den Waffen! Auf! Schlagt Lärmen! Rührt die Trommeln!
Führt alle Völker ins Gefecht! Ganz Frankreich
Bewaffne sich! Die Ehre ist verpfändet
Die Krone, das Palladium entwendet,
Setzt alles Blut! setzt euer Leben ein!
Frei muß sie sein, noch eh der Tag sich endet!
Gehen ab.
Ein Wartturm, oben eine Öffnung.
Neunter Auftritt
Johanna und Lionel. Fastolf. Isabeau.
FASTOLF eilig hereintretend.
Das Volk ist länger nicht zu bändigen.
Sie