Irene Dorfner

GEFANGEN


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ich dir auch nur eine Frage beantworten werde? Du hast dich selbst in diese Lage gebracht, du hättest nicht so neugierig sein sollen. Halt einfach die Klappe und verhalte dich ruhig. Wenn du brav bist, kannst du in wenigen Tagen gehen.“ Der Mann stellte zwei Flaschen Wasser auf den Tisch und ging mit dem Tablett wieder.

      „Was laberst du so lange mit der Frau? Ich habe dir doch gesagt, dass wir kein Wort mit ihr reden sollen. Und du hast dich gefälligst an meine Anweisungen zu halten, wofür bezahle ich dich?“ Gregor Pauschke war sauer auf seinen nichtsnutzigen Schwager, den er für den Auftrag mitgenommen hatte. War es so klug gewesen, gerade ihn zu engagieren? Waldi Gassner war ein Tagträumer und Möchtegernganove, dem noch nie etwas gelungen war. Aber heute Nacht musste alles schnell gehen und nur sein Schwager Waldi stand zur Verfügung.

      „Reg dich ab, Mann, ich habe nichts gesagt. Ich habe sie dabei erwischt, wie sie sich am Fenster zu schaffen machte. Ich dachte, eine Drohung kann nicht schaden, um sie ruhig zu stellen.“

      „Was hat sie gesagt?“

      „Sie hat Fragen gestellt. Sie will wissen, was los ist und wo sie ist, ist das nicht verständlich? Ist doch klar, dass die Frau jede Menge Fragen hat, die habe ich übrigens auch. Ich habe mir vorhin ihre Geldbörse angesehen und den Dienstausweis gefunden. Die Gefangene ist deine Kollegin. Warum ist sie hier? Was steckt dahinter?“

      „Du bekommst gute Kohle für wenig Arbeit. Fragen zu stellen und meine Anweisungen zu ignorieren, gehören nicht dazu. Mach einfach, was ich dir sage. In ein paar Tagen ist alles vorbei.“

      „Genau das habe ich der Frau vorhin auch gesagt“, lachte Waldi. „Ich werde mit der Frau nicht sprechen und ich werde auch keine Fragen mehr stellen, du kannst dich auf mich verlassen. Aber ich möchte eine Knarre haben.“

      „Du möchtest was? Ich höre wohl nicht richtig!“ Gregor ging lachend nach draußen.

      Waldi war sauer. Er wusste schon lange, dass ihn sein Schwager nicht ernst nahm. Er fühlte sich überlegen und behandelte ihn oft wie ein dummes, kleines Kind. Auch wenn Gregor ihn nicht informierte, würde er schon noch herausfinden, was hier ablief.

      5.

      „Verdammter Mist!“, rief Zeitler aus, als er die Auswertung der Geschwindigkeitsmessungen, die er selbst vorgenommen hatte, vor sich hatte. Wieder und wieder besah er sich die Fotos, auf denen die Sportwagen und die dazugehörigen Nummernschilder deutlich zu sehen waren. Er kontaktierte die Kollegin Ravelli, die zwei der Sportwagen übernahm. Dann rief er Leo an, der in Christines Gästezimmer ungeduldig auf den Anruf gewartet hatte. Er war in den letzten Stunden dazu verdonnert worden, untätig rumzusitzen und nichts zu tun. Wiederholt hatte er Doktor Grössert angerufen, der aber bezüglich Ursulas Verhaftung noch keinen Schritt weitergekommen war. Der Anwalt versprach aber, an der Sache dranzubleiben. Er klang zuversichtlich, denn er hatte Kontakte in die höchsten Kreise.

      Leo wurde immer unleidlicher, wobei ihm Christine keine große Hilfe war. Sie drängelte und machte ihm Vorwürfe, obwohl sie sehr gut wusste, dass ihm die Hände gebunden waren. Es gab nur die Spur nach dem vermeintlichen Sportwagen, nach denen Zeitler seit Stunden suchte. Endlich rief der Ulmer Polizeichef an.

      „Es gibt drei helle Sportwagen, die in den zeitlichen Rahmen fallen. Zwei davon sind in Ulm gemeldet, um die kümmert sich die Kollegin Ravelli, wobei ich sie selbstverständlich begleiten werde.“

      „Und der dritte?“ Leo spürte, dass es damit etwas Besonderes auf sich hatte.

      „Den dürfen Sie gerne übernehmen. Allerdings bitte ich, äußerst diskret vorzugehen.“

      Leo wurde hellhörig und immer ungeduldiger. Warum druckste Zeitler so rum?

      „Ein Diplomaten-Kennzeichen.“

      „Scheiße! Aus welchem Land?“

      „Aus dem Kongo.“

      „Sie verarschen mich doch.“

      „Nein! Der Sitz der Botschaft ist in Berlin und das Kennzeichen, sowie der Wagen, sind dort gemeldet.“

      „Und was macht dieses Fahrzeug in Ulm?“

      „Das gilt es, herauszufinden.“

      „Wo soll ich ansetzen? Das ist die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen.“

      „Lassen Sie sich etwas einfallen. Wir von unserer Seite dürfen nichts in diese Richtung unternehmen, geschweige denn recherchieren. Schon allein die Überprüfung der beiden anderen Sportwagen ist äußerst riskant, aber das können wir mit dem hohen Messergebnis erklären. Suchen Sie diesen Sportwagen und schließen Sie aus, dass der Wagen etwas mit der Kollegin Kußmaul zu tun hat. Denn wenn das der Fall sein sollte, dann Gnade uns Gott.“

      Leo lehnte sich mit einem Seufzer zurück. Mit einem Diplomaten hatte er zum Glück noch nie zu tun gehabt. Er wusste, dass er nicht den Hauch einer Chance hatte, wenn es sich bei dem Gesuchten um einen solchen handelte, denn die waren unantastbar. Wie sollte er jetzt vorgehen? Wie sollte er den Wagen finden?

      Ihm fiel sein Freund Georg Obermaier ein, der in Berlin lebte und arbeitete.

      „Georg? Ich bin es, Leo. Ich brauche deine Hilfe.“

      „Leo? Wie schön, dass du dich meldest. Du brauchst Hilfe? Ich befürchte, dass ich dir nicht helfen kann. Ich bin momentan in Ägypten.“

      „Was machst du in Ägypten?“

      „Urlaub, was sonst. Ich habe mich von meiner Frau getrennt. Ich liege am Strand und trinke, um meinen Kummer zu vergessen.“

      „Es tut mir leid, das zu hören. Wann kommst du zurück?“

      „Machst du Witze? Ich bin heute erst angekommen, ich liege erst seit zwanzig Minuten hier. Ich habe noch fast die ganzen zwei Wochen vor mir.“

      Leo sprach zwanzig Minuten mit seinem Freund und versuchte, ihn zu trösten. Er mochte Georg sehr und wusste, wie sich eine Trennung anfühlte, zumal er selbst eine hinter sich hatte.

      „Genieße deinen Urlaub. Und versprich mir, dass du es mit dem Alkohol nicht übertreibst.“

      „Versprochen. Wir hören uns.“

      Georg klang nicht gut, trotzdem musste sich Leo auf die Suche nach Ursula konzentrieren. Was jetzt? Wie sollte er an Informationen dieses Diplomaten-Autos kommen? In seiner Verzweiflung rief Leo seinen Freund und Kollegen Hans Hiebler an, der schon einmal mit einem Diplomaten zu tun hatte, was vor seiner Zeit in Mühldorf war.

      „Leo? Solltest du nicht mit einem Cocktail irgendwo am Strand liegen?“

      „Ich bin in Ulm.“

      „Naja. Ein besseres Urlaubsziel ist dir wohl nicht eingefallen, oder?“

      „Ich brauche deine Hilfe. Kannst du reden?“

      Der fünfundfünfzigjährige Hans spürte, dass etwas passiert sein musste.

      „Ich bin allein. Was ist los?“

      Leo erzählte ihm alles, was er wusste. Auch das, was ihm der Zeuge Häberle erzählt hatte. Damit verstieß er zwar gegen Zeitlers Anweisung, aber er musste irgendwie weiterkommen, wobei ihm Hans vielleicht helfen konnte. Auf ihn konnte er sich blind verlassen.

      „Ich verstehe. Georg ist nicht in Berlin und Viktoria ist in Mühldorf, damit bist du auf dich allein gestellt. Du suchst nach einem Fahrzeug, das dir eigentlich nicht hilft, wenn du es gefunden hast.“

      „Richtig.“

      „Du sagtest, dass Ursula in Stadelheim sitzt?“

      „Das ist die momentane Informationslage, die offiziell noch nicht bestätigt wurde.“

      „Was für eine wirre Geschichte. Schade, dass ich hier nicht wegkann, ich würde dir gerne helfen. Lass mich überlegen, was ich tun kann. Wenn Diplomaten im Spiel sind, ist das immer beschissen. Ich kann mich noch gut an damals erinnern und könnte mich