Nikolai Ostrowski

Wie der Stahl gehärtet wurde


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konzentrische Kreise durchschnitten die glatte Wasseroberfläche. Ein aufgeregtes Stimmchen hinter ihm rief:

      »Da beißt einer an, passen Sie auf, der beißt an.« Pawel kam völlig aus der Fassung und zog an der Angel. Wassertropfen spritzten empor, und ein am Angelhaken zappelnder Wurm kam zum Vorschein.

      Zum Henker noch mal - nun ist's mit der ganzen Angelei vorbei. Warum zum Teufel ist die nur hergekommen, dachte Pawel wütend. Um seine Ungeschicklichkeit zu verbergen, warf er die Angel weit hinaus ins Wasser. Sie fiel zwischen zwei Wasserrosenblätter, gerade dorthin, wo man sie nicht hätte hinwerfen dürfen, da der Angelhaken in den Schlingpflanzen hängen bleiben konnte.

      Er sah das sofort und fuhr, ohne sich umzudrehen, das Mädchen an:

      »Was schreien Sie da herum? Sie verscheuchen mir ja alle Fische!«

      Von oben ließ sich eine spöttische, belustigte Stimme vernehmen.

      »Die Fische sind ja bei Ihrem Anblick schon längst davongeschwommen. Wer angelt denn auch am helllichten Tag? Sie sind mir ein schöner Angler!«

      Das war entschieden zuviel für Pawels Selbstbeherrschung. Er erhob sich, zog die Mütze in die Stirn, was er immer machte, wenn er zornig war, und sagte, bemüht, sich so gewählt wie irgend möglich auszudrücken:

      »Sagen Sie, Fräulein, könnten Sie sich wirklich nicht woanders niederlassen?«

      Tonja kniff ein ganz klein wenig die Augen zusammen, dann blitzte es in ihnen vor unterdrücktem Lachen auf.

      »Stör ich Sie denn?«

      Ihre Stimme klang jetzt schon nicht mehr spöttisch, sondern freundschaftlich, versöhnlich, und Pawel, der im Begriff war, diesem plötzlich aufgetauchten wildfremden »Fräulein« einige saftige Grobheiten zu sagen, fühlte sich entwaffnet.

      »Na schön, meinetwegen schauen Sie zu, wenn es Ihnen Spaß macht. Platz ist für uns beide genug da«, meinte er nachgiebig und setzte sich nieder, den Blick wiederum auf den Schwimmer der Angel gerichtet. Der lag dicht neben der Wasserrose, und es war fast sicher, dass sich der Haken dort verfangen hatte. Pawel konnte sich nicht entschließen, ihn herauszuziehen.

      Ist er hängen geblieben, lässt er sich nicht losreißen. Und die da wird mich natürlich wieder auslachen. Wenn sie bloß weggehen wollte, dachte er.

      Aber Tonja richtete es sich bequem auf der leicht schwankenden gekrümmten Weide ein, legte das Buch auf die Knie und beobachtete den sonngebräunten schwarzäugigen Grobian, der sie so wenig liebenswürdig empfangen hatte und nun so tat, als wäre sie Luft.

      Pawel sah im Wasser das Spiegelbild des Mädchens. Sie las jetzt, und er zog sachte an der festsitzenden Angel. Der Schwimmer war ganz untergetaucht, die Schnur straffte sich.

      Also tatsächlich hängen geblieben, verdammt noch mal, ging es ihm durch den Kopf. Mit einem Seitenblick bemerkte er die lachenden Augen des Mädchens im Wasserspiegel.

      Über die kleine Brücke beim Pumpwerk kamen zwei junge Burschen - Obersekundaner des hiesigen Gymnasiums. Der eine war der Sohn des Depotleiters, des Ingenieurs Sucharko, ein siebzehnjähriger Lümmel mit Sommersprossen und fast weißen Wimpern und Augenbrauen, ein Galgenstrick, der in der Schule »der scheckige Schura« genannt wurde. Er war mit einer guten Angel ausgerüstet und hielt eine Zigarette keck im Mundwinkel. Neben ihm ging Viktor Leszczynski, ein schlanker, verzärtelter Jüngling.

      Sucharko blinzelte Viktor vielsagend an und sagte, indem er sich zu ihm hinbeugte:

      »Das Mädel hat's in sich. In der ganzen Gegend findest du hier keine, die es mit ihr aufnehmen könnte. Ich sage dir, direkt ein ro-man-ti-sches Wesen. Sie geht in Kiew zur Schule und verbringt jetzt die Sommerferien zu Hause. Ihr Vater ist hier am Ort Oberförster. Meine Schwester Lisa ist mit ihr gut bekannt. Ich habe ihr mal ein Briefchen geschickt, weißt du, so eins in gehobenem Stil: Bin irrsinnig in Sie verliebt, erwarte mit brennender Ungeduld Ihre Antwort und so weiter. Hatte sogar ein passendes Gedicht von Nadson aufgegabelt.«

      »Und was weiter?« erkundigte sich Viktor neugierig.

      Sucharko wurde ein wenig verlegen:

      »Hm, sie ziert sich, hat große Rosinen im Kopf. ›Ist nur Papierverschwendung‹, sagte sie. Aber das ist am Anfang immer so. Bin in solchen Sachen bewandert. Weißt du, ich hab keine Lust, so einem Mädel lange den Hof zu machen und um sie herumzuscharwenzeln. Da geh ich lieber abends in die Reparaturbaracken. Dort kann man sich für drei Rubel das schönste Weibsstück aussuchen, einfach prima! Und ohne alles Getue. Ich bin mit Walka Tichonow dort hingegangen - du kennst doch den Bahnmeister?«

      Viktor runzelte verächtlich die Stirn.

      »Mit solchen Schmutzereien gibst du dich ab, Schura?« Schura zog an seiner Zigarette, spuckte aus und warf spöttisch hin:

      »Tu doch nicht so, als wärst du weiß Gott was für ein Unschuldsengel. Wir wissen doch ganz genau, was du treibst.«

      Viktor unterbrach ihn und fragte:

      »Also du stellst mich jetzt vor?«

      »Natürlich. Gehen wir schneller, damit sie nicht wegläuft. Gestern früh hat sie selbst geangelt.«

      Die Freunde näherten sich Tonja.

      Sucharko nahm die Zigarette aus dem Mund und verbeugte sich geckenhaft:

      »Guten Tag, Mademoiselle Tumanowa. Angeln Sie?«

      »Nein, ich schaue nur zu«, erwiderte Tonja.

      »Kennen Sie sich?« fragte Sucharko rasch und zog Viktor näher heran.

      »Mein Freund Viktor Leszczynski.«

      Viktor gab Tonja verlegen die Hand.

      »Und warum angeln Sie heute nicht?« fragte Sucharko, bemüht, die Unterhaltung in Gang zu bringen.

      »Ich habe keine Angel mitgenommen«, antwortete Tonja.

      »Ich bringe gleich eine«, sagte Sucharko diensteifrig.

      »Nehmen Sie vorläufig meine, und ich hole gleich noch eine andere.«

      Er hatte das Versprechen, Viktor mit Tonja bekannt zu machen, gehalten und wollte nun die beiden allein lassen.

      »Nein, wir würden hier stören. Hier wird bereits geangelt«, antwortete Tonja.

      »Wen stören?« fragte Sucharko.

      »Ach, den dort?« Erst jetzt bemerkte er Pawel.

      »Na, dem werd ich gleich Beine machen.«

      Ehe Tonja etwas einwenden konnte, kletterte er zu Pawel hinunter.

      »Zieh die Angel raus, und scher dich zum Teufel!« wandte sich Sucharko an Pawel.

      »Na, wird's bald?« setzte er hinzu, als er sah, dass Pawel seelenruhig weiterangelte.

      Pawel hob den Kopf und schaute Sucharko mit einem Blick an, der nichts Gutes verhieß.

      »'n bisschen sachte, du! Sonst kannst du was erleben!«

      »W-a-as?« brauste Sucharko auf.

      »Du wagst noch zu widersprechen, du Lumpensack? Scher dich fort!« Mit diesen Worten versetzte er der Blechbüchse mit den Würmern einen kräftigen Fußtritt, so dass sie sich in der Luft überschlug und ins Wasser fiel. Die hoch aufspritzenden Wassertropfen benetzten Tonjas Gesicht.

      »Sucharko, schämen Sie sich nicht?« rief sie empört aus.

      Pawel sprang auf. Er wusste, Sucharko war der Sohn des Depotleiters, dem Artjom unterstellt war. Wenn er diesem Sommersprossigen jetzt eins in die lose Schnauze versetzte, würde sich der Gymnasiast bei seinem Vater beschweren,

      und Artjom hätte dafür zu büßen. Das war der einzige Grund, der Pawel davon abhielt, dem Burschen sofort einen Denkzettel zu erteilen.

      Sucharko spürte, dass der andere ihm