Rüdiger Marmulla

The Fulfillment


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gut. Du kommst ja wieder.“

      „Ja.“

      Wir umarmen uns. Ich strecke Maurice meinen Zeigefinger entgegen. Er umklammert ihn sofort mit seiner kleinen Hand.

      „Wie spektakulär ist das Projekt, an dem du jetzt wieder mit Jael arbeitest?“

      „Ich kann es nicht abschätzen. Ich glaube, wir weisen etwas nach, was keine Materie ist.“

      „Aber in einem Teilchenbeschleuniger wird doch Materie beschleunigt. Wie kann man da etwas anderes als Materie nachweisen?“

      „Ich kann es nicht sagen, Lisa. Ich weiß es nicht.“

      „Pass bitte gut auf dich auf, Lars.“ Lisa sieht besorgt aus.

      „Es wird ein neues Abenteuer. So viel steht fest. Aber ich vertraue darauf, dass wir sicher sind, bei dem was wir tun und entdecken.“

      Der Aufruf zum Boarding geht über die Lautsprecheranlage. Wir umarmen uns. Dann breche ich auf. Ich schaue noch einmal zurück. Lisa und Maurice sehen sehr schön aus.

      Lisa winkt mir zu.

      Und ich nicke ihr zu. Ich halte mein Handgelenk an den Scanner, und die Schranke öffnet sich. Kurz darauf betrete ich meine Swiss-Maschine.

      Das Team

      Wir treffen uns an dem schmucklosen Gebäude, in dem sich der Fahrstuhl hinab in den Pentaquark-Ring befindet. Ich erkenne Samuel schon aus der Ferne. Er hebt die Hand zum Gruß, als er mich eintreffen sieht. „Schalom, Lars.“

      „Guten Tag, Samuel.“

      „Jael und Noah bringen den Quantencomputer gerade eben hinab zum Detektor. Noah wird in jedem Fall beim Quantencomputer bleiben. Und ich halte hier oben die Wacht.“

      „Dann fahre ich mit dem Fahrstuhl hinab und folge den beiden.“ Ich blicke zum Himmel. Es ist ein herrlicher und sonniger Frühlingstag. Meine Augen wandern zu den Bergen. Sie sind noch mit Schnee bedeckt. Mein Blick geht zurück zu Samuel. „Heute Abend könnten wir koscher essen gehen.“

      „Ja. Aber einer von uns muss beim Quantencomputer bleiben.“

      „Das hatte ich nicht bedacht.“

      „Wie lange werdet ihr für das Experiment brauchen?“

      „Ich denke, heute Abend wissen wir mehr. Dann besprechen wir uns, Samuel. Ich fahre jetzt nach unten. Bis später.“

      „Ja, Lars. Bis später.“

      Die Tür des Fahrstuhls schließt sich hinter mir. Die letzten Strahlen des Tageslichts werden ausgesperrt. Das Xenonlicht im Fahrstuhl flackert kurz. Dann geht es hinab zum Ringtunnel.

      Die Tür öffnet sich wieder. Am Detektor stehen Jael und Noah. „Hallo, Lars“, sagen die beiden wie im Chor.

      „Hallo, Jael. Hallo, Noah.“ Ich reiche beiden die Hand.

      Da steht er. Der Quantencomputer der dritten Generation. Ein kleiner matt schwarzer Würfel in der Größe meiner Faust steht auf dem Labortisch.

      „Ich kann mir nicht helfen. Aber ich kann diesen Quantencomputer einfach nicht von den Tefillin unterscheiden, die einige Männer an der Klagemauer in Jerusalem trugen. Größe, Form und Farbe passen.“

      Noah nickt. „Mir geht es genauso.“

      Jael wendet sich mir zu. „Wie wollen wir beginnen, Lars?“

      „Starte den Rechenprozess auf dem Quantencomputer. Und dann wollen wir eine neue Kollision im Pentaquark-Ring auslösen. Wir wollen sehr genau beobachten, was wir sehen.“

      „Ist das nicht gefährlich? Wir könnten hier unten im Ringtunnel durch die Antigravitation wieder eine Druckwelle auslösen, wie damals am Zentrum für Nanowissenschaften in Tel Aviv. Unser Zugang zur Außenwelt könnte zusammenbrechen oder verschütten.“

      „Das ist wahr, Jael. Deshalb sollten wir den Rechenprozess ganz sanft starten. Wir beginnen mit einer sehr moderaten Auslastung des Quantencomputers. Die fahren wir dann langsam hoch, bis wir einen Effekt sehen.“

      Noah nimmt unterdessen auf einem der Stühle in der Nähe des Detektors Platz. Ihm ist eine interessierte Erregung anzusehen.

      Tag X

      Jael betätigt den Schieberegler, der über ein Band mit dem Quantencomputer verbunden ist. „Wir gehen zunächst auf 1% Leistung.“

      „Das sieht gut aus, Jael. Und nun löse bitte eine Kollision im Ring aus.“

      Ein Zischen. Dann erscheint das farbige Kollisionsmuster auf dem Sensorschirm.

      „Ich habe wieder diesen Schatten gesehen. Er ging deutlich von der Mitte nach außen. Er ging nach rechts, links, oben und unten, wenn ich es richtig sah, Lars.“

      „Stimmt, Jael. Ich sah es auch. Vielleicht gelingt es uns, die Zeitachse noch etwas zu dehnen. Fahre die Leistung des Computers bitte langsam auf 5% hoch.“

      „Was seht ihr da?“ Noah stellt sich mit einem fragenden Gesichtsausdruck an unsere Seite.

      Ich schaue Noah direkt an. „Wir sehen etwas zum Zeitpunkt des Aufpralls auf dem Sensorschirm, das sich aber im Datenspeicher nicht abbildet.“

      Jael ergänzt. „Es hat weder Masse noch eine Ladung.“

      „Was ist es dann?“

      Ich ziehe die Augenbrauen nach oben. „Ich halte es für reine Information.“

      „Und diese Information ist nicht an Materie gebunden?“

      „Nein, Noah.“

      Er reibt sich sein Kinn und schüttelt dann ungläubig den Kopf.

      Jael regelt die Leistung des Computers auf 5%. Dann löst sie erneut eine Kollision im Ringsystem aus. Das Phänomen ist jetzt ganz deutlich zu sehen.

      Ich staune. „Es ist wie ein Wind. Es ist wie ein Lufthauch, der den Teilchen vorauseilt. Er hüllt die Position aller Teilchen förmlich ein.“

      Jael geht nur ein Wort über die Lippen. „Ruach.“

      Ich deute mit dem Zeigefinger auf die Bahn des Windes. „Er ist überall.“

      Und sie ergänzt: „Und er ist immer.“

      Da flasht mein Holokrypt-Tattoo am Handgelenk. Eine Nachricht von Lisa trifft ein. Ist irgendetwas passiert? Ist irgendetwas mit unseren Kindern? „Ich muss gerade mal lesen, was Lisa mir da reinschickt. Einen kleinen Moment, bitte.“

      Semesterbeginn

      Lieber Lars,

      wo bist Du? Du wolltest doch nur zwei bis drei Tage fortbleiben? Jetzt sind schon zwei Wochen vergangen, und ich bin in Sorge. Bitte melde Dich. Das neue Semester hat begonnen. Und es wäre schön, wenn Du wieder da wärst. Francis vermisst Dich unendlich. Er befürchtet, dass Du wieder sehr lang fortbleibst, wie letztes Jahr. Ich versuche, ihn zu beruhigen. Aber eigentlich bin ich inzwischen selbst schon ein wenig bedrückt und verwirrt, dass Du Dich nicht meldest.

      Professor Jürgens hat mir übrigens erlaubt, wieder im Labor zu arbeiten. Solange ich Maurice stille, darf ich allerdings weiterhin keine Gewebe mit Uran einfärben. Und ich darf auch nicht elektronenmikroskopieren. Aber ich darf am Computer die Aufnahmen der Gewebeschnitte dreidimensional zusammensetzen. Und ich bin froh, wieder forschen zu können. Einige Fotografien von den Sterbeorten meiner Körperspender habe ich bereits aufgenommen. Ich komme gut voran.

      Und in diesem Semester belege ich einen Kurs in Biomathematik. Da denke ich besonders intensiv an Dich.

      Ach, Lars, komm doch bitte bald heim. Oder melde Dich zumindest, damit ich weiß, wie es Dir geht.

      Deine Lisa

      Der Effekt

      Ich