Rüdiger Marmulla

The Fulfillment


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      Ich setze mich neben Lisa. Und ich schaue beide an. Lisa und Maurice bereiten mir einen wundervollen Anblick. Dann kommt die Hebamme, und will Maurice ankleiden. Er darf nicht auskühlen, so schön der Moment auch war, als er auf Lisas Bauch lag.

      Heimkehr

      Liebe Lisa,

      am Montagvormittag war es so weit. Du bist zusammen mit Maurice nachhause gekommen. Francis hat gestaunt, als er sein kleines Brüderchen sah. Jetzt ist unsere Familie gewachsen. Und ich bin sehr glücklich. Es ist jetzt die schönste Zeit meines Lebens. Du, Lisa. Und Francis, Maurice und ich.

      Und vorbei ist die schwere Zeit, in der wir uns so sehr sorgten, ob Maurice gesund zur Welt kommt. In allen Untersuchungen ist er bis jetzt unauffällig. Ich bin froh. Und ich sehe auch Dir die Erleichterung an.

      Niemand, der nicht schon einmal selbst Kummer um ein Kind hatte, kann das Leid und die Schwere verstehen, die wir in der Schwangerschaft hinnehmen mussten. Aber das ist jetzt vorbei.

      Ich kümmere mich weiter um den Haushalt. Ich halte Dir den Rücken frei, dass Du im Sommer in Ruhe Dein Erstes Staatsexamen ablegen kannst. Ich bin da.

      Meinen neuen Lehrverpflichtungen kann ich bequem von hier aus im Tele-Learning nachkommen. Ach – ich habe es Dir noch gar nicht gesagt. Ich wurde an der George Washington University zum Professor ernannt. Ich bin jetzt das jüngste Fakultätsmitglied.

      Heute Abend koche ich ganz lecker für uns. Ich mache uns Kiwi-Halloumi-Burger mit Joghurt-Aioli dazu Kartoffelspalten und Salat. Ich bin mir sicher, dass Francis das auch mag. Und Du sowieso.

      Ein Call aus Genf

      Mein Holokrypt-Tattoo flasht. Es ist Jael. Ich nehme den Call an, und sofort erscheint Jaels Avatar über meinem Handgelenk. „Hallo, Lars.“

      „Hallo, Jael. Wie geht es dir in Genf?“

      „Ich hatte dich ja bereits in Tel Aviv kurz eingeweiht. Wir kommen mit unseren neuesten Messergebnissen nicht weiter. Die Daten im Pentaquark-Ring stellen alles, was wir bisher über die Materie vermuteten, auf den Kopf. Zugleich sind die Ergebnisse so komplex, dass wir nicht wissen, wie wir das alles verstehen und einordnen sollen.“

      „Wie ich damals schon sagte – vielleicht sind eure Messergebnisse nur deshalb so komplex, weil euer Experimentalaufbau so komplex ist. Die Antwort, die man erhält, hängt von der Art zu fragen ab. Einfache Versuchsaufbauten liefern einfache Antworten. Komplexe Versuchsaufbauten liefern komplexe Antworten. Im CERN stellt ihr komplizierte Anfragen an die Natur. Und ihr bekommt daher auch schwer verständliche Antworten. So würde ich die Sache sehen.“

      „Könntest du für ein oder zwei Tage nach Genf kommen? Ich würde dir gerne zeigen, womit wir es zu tun haben.“

      „Da muss ich mich mit Lisa absprechen. Unser Maurice ist letzte Woche zur Welt gekommen. Ich mag Lisa im Moment nicht alleine lassen.“

      „Das verstehe ich, Lars. Bitte melde dich, sobald du dich mit deiner Frau abgesprochen hast.“

      Wir beenden den Call.

      Lisa fragt mich „War das Jael?“

      „Ja. Sie fragt, ob ich ein oder zwei Tage nach Genf kommen kann. Sie will mir etwas am Teilchenbeschleuniger vorführen. Es dreht sich um irgendein Phänomen, das sie nicht einordnen können.“

      „Wenn du diese Woche noch bei mir bleiben könntest, wäre das gut. Wenn du dann weg bist, kann ja Kerstin mehr hier sein und sich um Francis kümmern.“

      „Kerstin kann auch für euch kochen.“

      „Ja. Das kann sie. Allerdings ist es kein Vergleich mit deinen Kochkünsten. Aber für ein oder zwei Tage werden wir es verkraften.“ Lisa lächelt mich an. „Magst du Maurice die Windel wechseln?“

      „Ja. Natürlich.“

      Lisa gibt mir unseren Sohn. Und dann verschwinde ich mit ihm im Badezimmer.

      Genève Aéroport

      Wir gehen bereits in den Sinkflug. Der Grund kommt immer näher. 300 Fuß. 200 Fuß. 100 Fuß. Touchdown.

      Die Crew meldet sich. „Dürfen wir sie bitten, zu ihrer eigenen Sicherheit solange angeschnallt sitzen zu bleiben, bis wir die endgültige Parkposition erreicht haben und die Anschnallzeichen über ihnen erloschen sind. Kapitän Schwyzer und seine Crew wollen sich von ihnen noch ganz herzlich verabschieden. Wir hoffen, sie hatten einen angenehmen Aufenthalt hier bei uns an Bord. Wir wünschen ihnen eine schöne Zeit in Genf, und wir sagen ‚Vielen Dank, dass sie heute unsere Gäste waren.‘ Vergewissern sie sich bitte, dass sie nichts Persönliches bei uns an Bord vergessen haben. Bis zu ihrem nächsten Flug mit Swiss. Tschüss. Servus. Und auf Wiedersehen.“

      Das Anschnallzeichen erlischt. Ich verlasse meinen Sitz. Ich muss nicht zur Gepäckausgabe. Ich habe nur Handgepäck dabei. Ich bleibe ja nur kurz. Ich habe für übermorgen schon einen Rückflug reserviert. Wenn wir schneller durch sind, dann fliege ich auch morgen schon zurück. Ich mag Lisa und die Kinder nicht so lange allein lassen. Nicht jetzt.

      Am Gate erwartet mich bereits Jael, Ich habe fast vergessen, wie schön sie ist. Sie ist groß, schlank und hat wundervolle schwarze Haare. Und die warme Farbe in ihren dunkelbraunen Augen nimmt mich wieder ganz in ihren Bann. Ich muss aufpassen, ich fange fast schon wieder an, zu schwärmen.

      „Hallo Lars. Magst du erst etwas essen gehen, oder wollen wir gleich zum CERN?“

      „Ich schlage vor, wir nehmen eine kleine Mahlzeit mit. Und eine große Thermoskanne mit Kaffee. Und dann machen wir uns gleich an die Arbeit. Ich möchte verstehen, was dich so sehr in deiner Forschung bewegt, dass du mich dazu rufst.“

      Der Pentaquark-Ring

      Wir nehmen ein Taxi zum Haupteingang des CERN in Meyrin. Die Gebäude wirken schlicht und nüchtern. Es sieht fast ein bisschen langweilig aus. Die Architektur lässt sich mit dem Zentrum für Nanowissenschaften in Tel Aviv nicht vergleichen.

      Da fällt mein Blick auf ein interessantes Gebäude, das besonders heraussticht. „Was ist das für eine Halbkugel, Jael?“

      „Das ist der Wooden Dome. Hier finden Veranstaltungen und Ausstellungen statt. Wir fahren aber gleich weiter zum Pentaquark-Ring, Lars.“

      Vor einem unscheinbaren, kleinen Gebäude bleiben wir stehen.

      „Ist in diesem Gebäude der Pentaquark-Ring? Ich hatte es mir größer vorgestellt.“

      „Der Pentaquark-Ring liegt gute zwanzig Meter unter der Erde und besteht aus einem zwanzig Kilometer langen Ringtunnel. Der Pentaquark-Ring ist etwas kleiner als der Large Hadron Collider.“

      „Müssen wir unter die Erde?“

      „Ja. Dieser Aufzug fährt uns nach unten. Komm, Lars.“

      Wir besteigen einen Fahrstuhl. Sanft setzt er sich auf dem Weg nach unten in Bewegung.

      „Ich wundere mich, dass es nicht genügt, mir die Sensorbilder von euren Experimenten zu senden, Jael.“

      „Wir sehen während der Durchführung der Kollisionen etwas sehr Myteriöses auf den Sensoren, das dann aber in den Aufnahmen, die wir anfertigen, unsichtbar bleibt.“

      „Und was seht ihr da?“

      Inzwischen sind wir im zwanzig Meter unter der Erdoberfläche liegenden Ringtunnel angekommen. Wir verlassen den Fahrstuhl.

      Jael schaltet die Lichter ein und schaut mir direkt in die Augen. Sie spricht ganz leise. „Wir sehen auf unseren Sensoren etwas wie einen Schatten. Es hat weder Masse noch Ladung.“

      „Wie könnt ihr es nachweisen, wenn es weder Masse noch Ladung hat? Welche Eigenschaften hat das Phänomen dann überhaupt?“

      „Sieh es dir selbst an, Lars.“

      Jael