Rüdiger Marmulla

The Fulfillment


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ertönt.

      Die Teilchenkollision erzeugt ein buntes Bild. Jael erklärt mir, was wir sehen. „Zentral ist eine rote Punktwolke. Sie ist der Ort der eigentlichen Kollision. Und hier siehst du am Rand weitere Wolken und schleifenförmige Bewegungen der Pentaquarks. Farbe und Position sagen etwas über Ladung und Masse der Teilchen.“

      „Und was wolltest du mir zeigen?“

      „Auf dieser Aufnahme ist es nicht mehr zu sehen. Du musst sehr konzentriert im Moment des Aufpralls auf den Detektor schauen. Im Datenspeicher bleibt das Phänomen unsichtbar.“

      „Na gut. Löse noch eine Kollision aus.“

      Jael drückt den Knopf. Wieder ein leises Zischen. Ich sehe etwas über den Schirm huschen. „Da war etwas. Es flog von der Mitte zum linken Rand fort.“

      „Ja, Lars. Und nun zeige ich dir die Aufnahme. Siehst du? Es ist keine Spur von der Mitte zum Rand mehr sichtbar.“ Jael zeigt mir das Bild im Speicher des Detektors.

      Ich schüttele den Kopf. „Kannst du es mir noch einmal vorführen?“

      Jael betätigt erneut den Knopf. Zischen. Dann die Kollision. „Diesmal huschte es von der Mitte zum rechten Rand fort. Ich wundere mich, wie auf den Sensoren etwas zur Abbildung kommen kann, das keine Masse und keine Ladung hat.“

      Sie schaut mich ratlos an. „Wie wollen wir weiter vorgehen?“

      Ich kratze mich am rechten Ohr. „Wenn es keine Masse und keine Ladung hat, dann ist es vielleicht reine Information.“

      „Aber Lars, kann Information auch unabhängig von Materie bestehen? Unabhängig von Masse und Ladung? Information braucht doch ein Trägermedium.“

      „Vielleicht entdecken wir hier etwas Neues. Etwas, was unabhängig von Materie existiert.“

      „Reine Information…“ murmelt Jael. „Was machen wir jetzt?“

      „Lass uns mal an die frische Luft gehen. Ich kann mich hier in diesem dunklen Keller nicht konzentrieren.“

      „Gut, Lars. Willst du mit mir in den Wooden Dome gehen? Dort habe ich einen Konferenzraum für uns gebucht.“

      „Ja. Und dann fällt uns vielleicht ein, wie wir weiter vorgehen könnten. Vergiss nicht unser Essen und unsere Thermoskanne.“

      Jael packt beides wieder ein. Wir fahren mit dem Fahrstuhl nach oben und treten hinaus ins Licht.

      Das Lächeln

      Lieber Lars,

      ich habe heute ein wundervolles Foto von Francis und Maurice gemacht. Francis hat Maurice angeschaut und als großer Bruder dabei ganz lieb gelächelt. Das Bild ist ein toller Schnappschuss. Ich sende es Dir. Ist das nicht ein Bild voller Anmut und Zauber?

      Ich bin froh, dass Du morgen wieder nachhause kommst. Du fehlst uns.

      Deine Lisa.

      Wooden Dome

      Jael reibt sich die Augen. Dann schaut sie mich an. „Was würdest du empfehlen?“

      „Wir müssen die Auflösung vergrößern, wenn wir auf den Sensoren mehr erkennen wollen.“

      „Unsere Sensoren haben eine Auflösung von 800 Nanometern. Das ist die Wellenlänge des roten Lichts. Feinere Sensoren gibt es nicht.“

      „Ich spreche nicht von der räumlichen Auflösung.“

      Jael schaut mich zweifelnd an. Sie zögert. Dann fragt sie mich. „Wie meinst du das?“

      „Ich spreche von der zeitlichen Auflösung.“

      Ich sehe das Erschrecken in Jaels Augen. „Du willst erneut den quantenmechanischen Effekt des Quantencomputers nutzen…“

      „Meinst du, wir bekommen ein Exemplar aus Israel?“

      „Noah Rubinstein und Samuel Kaikov verwalten das Kontingent an Quantencomputern der dritten Generation. Ich müsste mich bei ihnen melden.“

      „Magst du den beiden sofort einen Call senden?“

      „OK.“ Jael greift an ihr Handgelenk. Sie wählt den Konferenzmodus mit den beiden. Und sofort erscheinen zwei rotierende hellblaue Kugeln als Avatare über ihrem Holokrypt-Tattoo. „Hier ist Jael. Wir brauchen am CERN einen Quantencomputer der dritten Generation. Könnt ihr uns helfen?“

      Noah ist der erste, der sich hierzu äußert. „Abraham Mandelzweig hat damals verfügt, dass keiner dieser Quantencomputer außer Landes gehen darf.“

      Samuel klingt auch eher ablehnend. „Unsere Sicherheitsinteressen sind betroffen. Ich halte das für keine gute Idee. Was habt ihr überhaupt vor?“

      „Wir wollen parallel zu unserem Teilchenbeschleuniger einen quantenmechanischen Effekt ausüben.“

      „Wir würden euch einen Remotezugriff auf den Quantencomputer einrichten. Dann könnt ihr von Genf aus auf den Computer zugreifen.“

      „Nein, Noah. Es muss hier, vor Ort in Genf, eine lokale Verwerfung des Raum-Zeit-Kraft-Simulationsdichte-Kontinuums erzeugt werden. Dazu muss der Quantencomputer in der Nähe des Detektors des Pentaquark-Rings stehen.“

      „Kann man den Aufbau nicht hierher nach Tel Aviv bringen?“

      Jael schüttelt den Kopf. „Einen Tunnelring mit zwanzig Kilometern Länge kann man nicht eben mal nach Israel schaffen. Wir müssen eine andere Lösung finden.“

      Noah meldet sich wieder zu Wort. „Wir besprechen uns und melden uns wieder.“

      Jael, Noah und Samuel beenden den Call.

      Ich reibe mich am rechten Ohr. „Also, bis morgen werden wir da wohl keine Lösung haben. Ich kann eigentlich wieder nachhause fliegen.“

      „Ja, Lars. So sehe ich das auch. Du kommst wieder?“

      „Wenn der Quantencomputer aus Tel Aviv da ist. Ja.“ Ich nehme schon heute – und nicht erst übermorgen – eine Maschine zurück nach Frankfurt. Lisa wird mir um den Hals fallen. Und Francis auch. Und Maurice wird meinen Finger umfassen. Ich bekomme Herzklopfen, wenn ich an meine Familie denke.

      Die Überraschung

      „Papa, Papa.“ Francis springt auf meine Arme hoch, als er mich zur Tür reinkommen sieht.

      „Du bist ja heute schon wieder da.“ Lisa freut sich ebenso und gibt mir einen Kuss.

      „Der Experimentalaufbau muss noch angepasst werden. Wenn alles steht, fahre ich wieder nach Genf.“

      „Wann wird das sein, Lars?“

      „Das kann ich noch nicht abschätzen. Abraham Mandelzweig hat damals verfügt, dass kein Quantencomputer der dritten Generation Israel verlassen darf. Und wir können ja nicht so einfach mit dem Teilchenbeschleuniger nach Tel Aviv umziehen.“

      „Auf jeden Fall ist es eine wunderbare Überraschung, dass du heute schon wieder zurückgekehrt bist.“

      „Habt ihr schon zu Abend gegessen?“

      „Nein.“

      „Ich mache uns ein einfaches Essen. Ich mache uns Kartoffelpuffer mit Apfelmus. Wollt ihr?“

      Lisa und Francis jubeln.

      Ich verschwinde in der Küche. Ich suche alle Zutaten. Ich reibe zuerst die geschälten Kartoffeln und die Zwiebeln, vermische beides in einer großen Schüssel mit Eiern, Mehl, Salz und Pfeffer. Ich knete alles gut durch. Dann erhitze ich in der Pfanne Öl. Das Backen geht los. Francis steht als Erster mit seinem leeren Teller neben mir. Er bekommt den ersten Kartoffelpuffer. Dann serviere ich Lisa den nächsten. „Fangt ruhig schon an, zu essen. Ich backe jetzt noch die restlichen Kartoffelpuffer und komme dann zu euch an den Esstisch.“

      „Ich nehme gerade noch die wichtigste Zutat mit,