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romantisch, oder?“ Steffi schniefte heftig auf, suchte in ihrer großen Tasche nach einem Taschentuch und schien wieder sehr gefasst. „Ich meine, das ist doch ein Zeichen, dass ein Mann einen wirklich haben möchte. Vielleicht kann er es nicht zeigen, kann nicht so gut reden oder weiß nicht, wie er es anfangen soll und dann nimmt er sie und zeigt ihr, dass er sie und nur sie haben möchte.“

      Steffis Augen leuchteten unter einem feinen Tränenfilm. Franziska musterte sie eine Weile, doch kein Anzeichen verriet, dass die junge Dame bluffte.

      Stephanie Mittermaier war, abgesehen von ihren Haaren, eine eher blasse Erscheinung, eine Frau, die auf Männer sicher nicht die Wirkung hatte, die sie ihrer Freundin zuschrieb. Und sie hatte bestimmt auch nicht deren Auswahlmöglichkeiten. Eine, die eher in die Gattung Mauerblümchen und Jungfrau ohne Erfahrung passte. Sie war Vanessa sicher keine ebenbürtige Freundin gewesen, keine, mit der man sich messen konnte, hatte ihr dafür aber vielleicht bedingungslos die Treue gehalten. Sie ist eine, bei deren Anblick man sich immer besser fühlt als man eigentlich ist, dachte Franziska. Und bekam bei dieser Einschätzung direkt ein schlechtes Gewissen.

      „Ich will mir kaum vorstellen, dass Ihrer Freundin romantische Gedanken durch den Kopf gingen. Sie muss sehr gelitten haben.“

      Die Kommissarin versuchte, nüchtern und sachlich und auch ein wenig vage zu bleiben. Sie hatte kein Recht darauf, der Zeugin vorzuschreiben, wie sie denken musste. Ihre Aufgabe war es, in Erfahrung zu bringen, wer für Vanessa Auerbachs Tod verantwortlich war. Nicht mehr.

      „Also, Vanessa schwärmte immer von starken Männern, von denen, die wussten, wo es langgeht. Alphamännchen, wie man so schön sagt.“ Vanessas Freundin lächelte wieder kurz auf, bevor sie hinzufügte: „Vor ein paar Tagen erzählte sie von einem Typen, mit dem sie sich treffen wollte, aber sie hat mir nicht gesagt, wie er heißt. Ich weiß nur, dass er ihr eine SMS geschrieben hat und sie ihn ganz süß und heiß fand und dass sie sich sehr auf das Treffen gefreut hat. Meinen Sie, er hat das getan?“

      „Das kann ich nicht sagen. Hat sie keinen Namen genannt?“

      „Nein“, gab die Zeugin patzig zurück.

      „Woher kannte sie ihn, wie hat sie ihn kennengelernt? Das hat sie Ihnen doch bestimmt erzählt. Ich meine, wo lernt man süße, heiße Typen kennen?“ Franziska deutete Hannes mit einem kurzen Blick an, dass er sie bitte nicht zu ernst nehmen sollte.

      „Kannte sie diesen Mann aus der Uni?“, fragte der nun seinerseits nach, woraufhin Stephanie Mittermaier ihn lange anblickte.

      „Ja, ja es ist natürlich gut möglich, dass er Student oder auch Dozent oder Professor war, sie hat da keine Unterschiede gemacht …“

      Die Universität war zu seinem zweiten Zuhause geworden. Praktisch täglich kam er hier vorbei, kannte jeden Stein und jeden Weg, doch an diesem Tag sah alles ganz anders aus. Der Aufgang zur Mensa war mit rot-weißem Band weiträumig abgesperrt, und tatsächlich umgingen alle diese Stelle, nahmen entweder den Weg durch das WiWi-Gebäude, wo die Wirtschaftler zuhause waren, oder gleich den Inn-Lernpfad, der zu jeder Fakultät einen eigenen Aufgang hatte. Niemand wollte zu nah an das herankommen, was vorletzte Nacht hier geschehen war, obwohl es natürlich das Gesprächsthema Nummer Eins darstellte. Neben den fröhlichen Studenten und den häufig ein wenig linkisch oder arrogant wirkenden, oder auf ewige Jugend machenden Professoren, waren heute auch Streifenpolizisten unterwegs. Sie hatten Fotos dabei, die sie den Vorübereilenden zeigten und dann ihre Fragen stellten.

      Schon seit einer Stunde beobachtete er dieses Treiben und hatte es bisher immer rechtzeitig geschafft, die Richtung zu wechseln, als auf einmal einer der Polizisten, groß und breit wie ein Kleiderschrank, vor ihm stand und ihm ein Foto unter die Nase hielt.

      „Ist Ihnen diese Frau bekannt?“

      „Nein!“, beteuerte er mit fester Stimme. „Die habe ich noch nie gesehen. Ich bin aber auch nur zufällig hier.“

      Wo er am Montagabend gewesen sei und was er gemacht habe, fragte der Dicke weiter.

      „Ich hab ferngesehen und bin dann ins Bett. Ich muss morgens früh raus“, gab er so ruhig wie möglich zur Antwort und wollte schon weiter, als ihm der Polizist noch eine Karte mit einer Telefonnummer in die Hand drückte.

      „Gut, dann danke. Aber wenn Ihnen noch was einfällt, rufen Sie an, auch die kleinste Einzelheit kann wichtig sein.“

      Die Karte entsorgte er im nächsten Mülleimer, wie die meisten anderen der Befragten auch. Irgendwie war das schon seltsam, dass sie ausgerechnet von ihm wissen wollten, mit wem die tote Studentin verabredet gewesen war und ob er sie vielleicht gemeinsam mit einem Mann gesehen hatte. Hatte er nicht – und das war noch nicht einmal gelogen.

      „Die hat sie doch nicht mehr alle“, echauffierte sich Franziska auf dem Weg zur nachmittäglichen Besprechung. „Ein süßer, heißer Typ, der Frauen vergewaltigt, weil er sich nicht traut ihnen zu sagen, wie sehr er sie begehrt und eine Frau, die sich dadurch ausgezeichnet fühlt, wenn sie mit Gewalt genommen wird. Gehts noch?“ Mit Schwung öffnete sie erst die Zimmertür und gleich darauf das Fenster, sie brauchte dringend frische Luft.

      Hannes lachte bei Franziskas Imitation laut auf. „Sie hat uns das Foto dagelassen, für den Fall, dass wir es für die Akten brauchen.“

      „Oh natürlich!“ Franziska wirbelte herum. „Die beste Freundin gehört unbedingt zu den Akten. Aber wir tun ihr den Gefallen und geben es Ramona. Vielleicht gibt es ja irgendwann einmal einen Wettbewerb zum Thema dümmste Zeugin.“

      „Immerhin wissen wir jetzt, dass er sie am Handy kontaktiert hat, wir brauchen also nur noch die Telefonkontaktlisten anzusehen und schon …“ Hannes machte eine allumfassende Bewegung mit den Armen.

      Doch Franziska nahm sie ihm herunter, legte ihre Hände auf seine mageren Schultern und sah ihn fragend an. „Traust du ihr denn?“ Unsicher schüttelte Hannes den Kopf. Franziska ließ ihn los. „Eben! Sie ist eine graue Maus, die von einem Prinzen träumt. Und bei Vanessa Auerbach hing dieses Foto ja auch nicht herum, obwohl sie an ihrer Pinnwand noch Platz gehabt hätte …“

      Annemarie von der KTU kam herein, schaute sich um, und als sie sah, dass der Chef noch nicht anwesend war, ließ sie sich wenig damenhaft auf einen Stuhl fallen. „Uff, ich glaube ich werde langsam zu alt für diesen Job“, gestand sie, lehnte sich zurück und schloss für einen Moment die Augen.

      Franziska setzte sich neben sie, tätschelte mitleidig ihre Hand und fragte neugierig: „Hast du was gefunden?“

      Annemarie wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Obermüller und Kollege Gruber, in ein lautes Gespräch vertieft, hereinkamen. Sie richtete sich auf und beugte sich zu Franziska hinüber. „Ach, wir haben Etliches, ob es uns freut, ist eine andere Sache.“ Sie zeigte auf ihren Bericht und dann zur Tür, durch die nun auch Hauptkommissar Schneidlinger trat, einen Blick in die Runde warf und sie hinter sich ins Schloss zog, als er feststellte, dass alle anwesend waren.

      „Nun, wie sieht es aus?“, fragte er sein Team und richtete seine Aufmerksamkeit auf die KTU-Chefin, die gerade ihre Notizen aufblätterte.

      „Wir haben die ganze Umgebung vor der Tür und den Vorplatz abgesucht, es gibt jede Menge Fußspuren und Hunderte von Fundstücken. Ob die zur Tatzeit dorthin kamen, kann ich natürlich nicht sagen …“ Sie zuckte mit den Schultern.

      „Beliebter Treffpunkt also?“, wollte Schneidlinger wissen.

      „Na ja, es ist der Aufgang zur Mensa und somit nicht wirklich ein idyllisches Plätzchen für ein ungestörtes Schäferstündchen“, überlegte Obermüller, der sich eingehend in der Uni umgesehen hatte und nun versuchte, seine Schlüsse zu ziehen.

      „So spät abends war die Mensa aber geschlossen, und es wurde auch kein Schäferstündchen, sondern eine brutale Abschlachtung!“, fuhr ihn Franziska an,