Dagmar Isabell Schmidbauer

Todesfalle Campus


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nickte.

      „Und unterhalb des Fensters ist ein Teil des Bewuchses abgerissen und eine Leiste der Rankhilfe durchgebrochen“, erklärte Annemarie weiter und beendete damit den Disput der beiden. „Die Schlussfolgerung überlasse ich euch, aber ich habe mich gefragt, wer wohl da hinaufklettern würde, solange es drinnen nur staubige Bücher zu sehen gab.“

      „Du willst damit andeuten, dass jemand zugesehen hat, während Vanessa zu Tode gequält wurde?“ Entsetzt legte Franziska eine Hand vor den Mund. Was sie da gerade gesagt hatte, klang so ungeheuerlich, dass sie es selbst nicht glauben mochte.

      „Nicht zwingend! Genauso gut könnten die Spuren darauf hinweisen, dass der Täter sich den Raum vorher von außen angesehen hat, um zu beurteilen, ob er für sein Vorhaben geeignet ist“, schlug Hannes vor.

      „Und es könnte sein, dass dieser Jemand zu diesem Zweck eine Perücke aufgesetzt hatte.“ Annemarie wartete einen Moment, bevor sie hinzufügte: „Wir haben an einer Leiste neben dem Fenster einige künstliche schwarze Haare gefunden, die aussehen, als würden sie von einer Perücke stammen. Wann sie dort hinkamen, wissen wir nicht. Könnte mit der kaputten Leiste zusammenhängen, muss aber nicht.“

      „Konnten Sie Fingerabdrücke oder DNA sichern?“, hakte Schneidlinger nach.

      „Ja“, bestätigte Annemarie knapp.

      „Und die Tatwaffe?“

      „Negativ! Nichts, was irgendwie passen würde. Dafür mehr als genügend Müll, den wir bitte hoffentlich nicht auch noch einzeln auswerten müssen.“ Sie stöhnte und ließ erahnen, warum sie so erledigt war.

      „Die Haare könnten darauf hindeuten, dass der Täter zum Auskundschaften des Tatorts eine schwarze Kunsthaarperücke trug. Was dann wiederum hieße, dass die Tat geplant war und dass Vanessa Auerbach nicht zufällig mit ihrem Begleiter in diese Abstellkammer gelangt ist. Und das könnte durchaus für eine bereits beendete Beziehung sprechen“, resümierte Franziska noch einmal den Haarfund. „Daher die nichtssagende Wohnung.“

      „Es könnte aber auch jemand während der Tat am Fenster gestanden und zu Tarnungszwecken eine Perücke getragen haben“, führte Hannes eine weitere These ein.

      „Warum trägt jemand, der auf eine Rankhilfe steigt, um durch ein Fenster zu blicken, hinter dem der Schauplatz einer derartigen Greueltat liegt, eine Kunsthaarperücke?“, wollte Franziska von ihm wissen.

      „Um nicht erkannt zu werden“, mischte sich Obermüller in die Spekulationen ein.

      „Aber dazu hätte derjenige doch schon im Vorfeld davon wissen müssen …“, gab Franziska zu bedenken.

      „Auf diesem Weg kommen Sie nicht ans Ziel“, mahnte Schneidlinger und forderte: „Bleiben Sie bitte bei den Fakten!“

      „Was ist mit dem Handy?“, wechselte Hannes das Thema, um zügig auf das Gespräch mit der Zeugin Stephanie Mittermaier zu kommen. Zu gern wollte er die Geschichte über den süßen, heißen Typen gegenprüfen.

      Fragend schauten alle zu Annemarie, die sofort die Hände hob, um jedes weitere Verlangen abzuwiegeln. „Da sitzt Mona im Moment noch dran, sie wollte aber so schnell wie möglich …“

      Als habe sie vor der Tür auf ihr Stichwort gewartet, wirbelte die kleine Kriminaltechnikerin zur Tür herein. „Das glaubt ihr jetzt nicht!“ Sie stellte ihren Laptop auf den Besprechungstisch und begann, ohne auf die Anwesenden und deren Unterhaltung einzugehen, mit ihrer Erklärung: „Vanessa Auerbach war verabredet!“

      „Also sagte Stephanie Mittermaier doch die Wahrheit“, murmelte Franziska, woraufhin sie alle um eine Erklärung bittend, ansahen. „Wir hatten gerade eine Zeugin hier, die selbsternannte beste Freundin von Vanessa Auerbach, und die sagte, Vanessa habe sich mit einem süßen, heißen Typen verabredet.“

      „Seinen Namen weiß sie allerdings nicht“, wusste Hannes.

      „Tom!“, ergänzte Mona triumphierend.

      „Tom.“ So einfach, dachte Franziska und warf Hannes einen kurzen Blick zu.

      „Ja, also ein gewisser Tom hat Vanessa um neun Uhr zu diesem Zugang zur Zentralbibliothek bestellt und sein Bild gleich dazu geliefert. Scheinbar das erste Treffen der beiden. Ort und Zeit hat er vorgeschlagen. Sie war einverstanden. Er wollte eine Überraschung für sie bereitlegen, die sie anziehen sollte.“ Mona blickte auf.

      „Da haben wir es. Die schwarzen Sachen waren von ihm“, kommentierte Franziska, für die das zunächst alles sehr logisch klang. „Sie hat sich also tatsächlich erst im Dublettenmagazin umgezogen, wie ich vermutet habe.“

      „Aber allein. Denn er schreibt: Bist du heute bereit, dich ganz und gar auf ein Abenteuer mit mir einzulassen. Und sie antwortete: Ja klar! Du weißt doch, ich liebe Abenteuer.

      „Für eine Studentin ganz schön dumm, findet ihr nicht?“, fragte Hannes und Schneidlinger nickte zustimmend.

      „Wenn sie ihn nicht gekannt hätte, schon“, räumte auch Franziska ein. „Aber ihre Freundin behauptete ja, dass sie für ihn schwärmte und damit sicher für integer hielt.“

      „Leg dir die Augenbinde um und warte. Ich bin ganz in deiner Nähe und werde drei Mal an die Tür klopfen. Hast du den Mut, dich darauf einzulassen? Du wirst sehen, das wird das Heißeste, was du je erlebt hast. “ Mona schüttelte den Kopf, bevor sie weiterlas: „Sie antwortete ihm tatsächlich: Ich zittere jetzt schon vor Verlangen! Wie kann man nur so blöd sein?“

      „Oder auf der Suche nach dem nächsten Kick“, gab Franziska zu bedenken und fügte hinzu: „Sie hat sicher nicht damit gerechnet, dass er ihr im Anschluss an ein extravagantes Liebesspiel die Kehle durchschneidet.“

      „Stimmt!“ Mona vertiefte sich weiter in die Aufzeichnungen des Handys. „Ich liebe diese neuen Smartphones und die Faulheit der Besitzer, alte Nachrichten nicht löschen“, erklärte sie und lächelte zufrieden. „Hier! Er hatte sie angeschrieben.“ Wie um es allen zu zeigen, hob sie ihren Laptop kurz in die Höhe und las dann weiter: „Hallo Vanessa, ich saß heute in der Vorlesung eine Reihe schräg vor dir und musste dich immer wieder verstohlen ansehen. Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf, wollen wir uns vielleicht treffen?

      „So geht das also?“, bemerkte Obermüller trocken.

      „Sie schrieb: Wie wäre es heute Nachmittag im Café Innsteg? Und er antwortete“, Mona schüttelte den Kopf, „wie billig: So öffentlich geht es nicht, meine Ex ist ziemlich eifersüchtig. Können wir uns nicht irgendwo abseits treffen? Darauf sie: Wo immer du willst.

      „Demnach muss sie sehr genau gewusst haben, wer sie da daten will“, bemerkte Franziska.

      „Mein Vorstoß kommt dir vielleicht seltsam vor, aber du bist die heißeste Frau, die ich je gesehen habe. Und sie schrieb: Daran ist gar nichts seltsam. Ich finde dich nämlich auch ziemlich süß! Danach war er nicht mehr zu halten, würde ich sagen: Dann sollten wir nicht mehr zögern. Würdest du dich mir hingeben? Alle Entscheidungen mir überlassen? Und sie antwortete: Klingt sehr verlockend!

      „Wow!“ Obermüller hustete kurz verlegen auf.

      „Ja.“ Mona schien jetzt wie besessen. „Bestimmt hast du schon viele heiße Höhepunkte erlebt, fragt er und sie antwortet mit einem Smiley. Und jetzt wieder er: Dann will ich dich auf die nächste Stufe der Lust heben … Den Rest hatten wir schon.“ Mona klappte den Laptop zu und blickte in die Runde. „Jetzt seid ihr dran. Ich drucke euch den Wortwechsel aus.“

      „Haben sie auch telefoniert?“, fragte Hannes interessiert nach.

      „Nein, nur gesimst.“

      „Gut“, Franziska blickte kurz zu Schneidlinger, doch der nickte ihr auffordernd zu.

      „Für mich klingt das total logisch. Vanessa Auerbach wurde von diesem Tom gedatet. Sie kannte ihn und fand ihn toll. Ihre Freundin Steffi behauptet, sie stand auf Alphamännchen.