Frank Pfeifer

Der Junge mit dem Feueramulett: Der heilige Vulkan


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Und ein in ein Schaf verwandelter Madad mit zwei Köpfen, der Kard von morgens bis abends mit fürchterlichen Flüchen belegen würde – was konnte es schlimmeres geben? Schließlich war das Ziel des Unternehmens, unerkannt zu bleiben, um etwaige Verfolger abzuschütteln. Ein fluchendes Trüffelschwein wäre diesem Zweck nicht dienlich gewesen.

      Doch um die Weiblichkeit von Kard noch ein wenig zu verstärken, gingen sie dann doch zu einer Credna-Gova, die nicht nur Wangenrot und Belladonna-Augentropfen anbot, sondern auch Haarwaschmittel und Achselodem. Hier fand Kard Pillen, die laut Packungsbeilage versprachen, aus wild gekräuselten Locken schöne lange glatte Haar zu machen. Ideal für ihre Zwecke. Er wäre nicht mehr der Jüngling mit dunklen lockigem Haar, sondern das arme Waisenmädchen mit langer schwarzer Mähne.

      Das Minas-Schwert landete wieder versteckt in einem Bündel auf seinem Rücken und nun war Kardania mit ihrem treuen Hund bereit für die Reise. Jetzt mussten sie sich nur noch überlegen, wie sie zur Alten Stadt kamen. Fest stand, dass sie keines der Ichto-Taxis nehmen wollten und Amazonen wollten sie in Zukunft auch aus dem Weg gehen. Inzwischen hatte sich der Tag seinem Ende zugeneigt und das arme kleine Waisenmädchen hatte beschlossen, sich ein geschütztes Plätzchen irgendwo in einer Seitengasse zu suchen, in dem der Wind Laub und Staub in einer Ecke zu einem halbwegs weichen Lager aufgetürmt hatte. Kardania, den Kopf auf ihren treuen Hund gebettet, ließ gerade erste Schnarchlaute erklingen, als eine Stimme zu vernehmen war.

      »Schau das arme Ding. Mutterseelenallein. Und so ein süßer Hund.«

      »Ja, ja, komm schon, Magdalena. Lass sie schlafen. Der geht es gut.«

      Kardania öffnete vorsichtig eines ihrer Augen, aber nur unmerklich, und sah eine freundlich blickende Frau mit roten Bäckchen und daneben einen missmutig blickenden Mann, der ein wenig hin und her schwankte. Wahrscheinlich hatte seine Frau ihn gerade aus einer Wirtschaft abgeholt.

      »Aber Schnäuzelchen, hast du die Gebote Crednas vergessen? Willst du das Mädchen hier in der Kälte allein lassen?«

      »Ist gar nicht so kalt. Und die hat doch ihren Hund. Schau mal, das ist doch ein Riesenvieh, der wird schon nichts passieren.«

      »Schnäuzelchen, das kann ich nicht zulassen. Bei Credna, unserer Schutzpatronin. Diese Nacht, sicherlich hat Goiba unseren Weg gelenkt, werden die beiden ein richtiges Dach über dem Kopf haben.«

      »Magdalena, dein großes Herz macht aus unserem Haus noch eine Armenherberge. Letzte Woche der kleine Junge, der Ausreißer, weißt du noch. Davor diese schwangere Frau, die dann gar nicht mehr gehen wollte, bis plötzlich ihr Mann mit seinen drei Brüdern vor der Tür stand. Und jetzt dieser Balg? Vielleicht ist sie eine gesuchte Verbrecherin? Und die Schergen stehen morgen früh in unserem Haus?«

      »Bei Goiba, Credna und Luchta – was bist du doch für ein Schwarzseher! Schau dir das Mädchen an. Es ist hungrig und friert. Was sollte die mit den Schergen am Hut haben? Nicht wahr, meine Kleine?«

      Kardania, die inzwischen ihre Augen geöffnet hatte und dem Gespräch der beiden interessiert gefolgt war, nickte heftig. Ein warmes Bett heute Nacht? Vielleicht noch eine Suppe? Vielleicht wird doch noch alles gut?

      »Ich…«, Kard musste sich räuspern, um seine Stimmlage einige Oktaven heller klingen zu lassen, »ich bin nur ein armes Waisenmädchen. Wir wollen zur Alten Stadt, da habe ich Verwandte.«

      »Ach, die Alte Stadt, ja.« Der Blick des Mannes verklärte sich, offensichtlich wallten Erinnerungen an seinen letzten Besuch dort auf. Diese Gedanken ließen ihn verträumt mit dem Kopf wackeln und er handelte sich damit einen Ellbogenstoß seiner Frau in die Rippen ein. »Äh, ja, die Alte Stadt, ein gefährliches Pflaster. Sünde. Überall Sünde. Nichts für kleine Mädchen, sage ich dir. Wirklich nichts für kleine Mädchen.«

      »Aber sonst weiß ich nicht wohin, werte Herrschaften.« Kard versuchte sich in einem entschuldigenden Augenaufschlag.

      »Thomasius. So kannst du mich nennen. Sag ja nur. Kein gutes Pflaster dort.«

      »Auch nicht für ältere Herren, nicht wahr, Schnäuzel-chen.«

      »Ach, ich weiß nicht…«

      »Wie auch immer. Sicherlich habt ihr nichts gegen ein warmes Bett und etwas zu Essen einzuwenden, bevor es in diesen Sündenpfuhl geht. Und da hat mein Mann wirklich recht. Das ist kein Ort für ein junges Mädchen. Ich hoffe, deine Verwandten gehen dort einer seriösen Beschäftigung nach.«

      »Schmied, mein Onkel ist Schmied«, beeilte sich Kardania zu sagen und sie lauschte verwundert dieser piepsigen Stimme, die da aus ihrem Mund kam.

      »Nun gut, das hört sich seriös an. Es gibt da soviel Sünde, wisst ihr. Glücksspiel zum Beispiel! Nicht wahr, Schnäuzelchen?«

      Magdalena warf ihrem Mann einen bösen Blick zu. Thomasius lächelte gequält. »Ja, aber auch… Schmiede… und Erzhändler… und Holzhändler…«

      »Genau, du warst ja beim Holzhändler, das hatte ich vergessen. Und nur böswillige Branu-Govans und das Schicksal ließen dich in diese Spielhölle fallen.«

      »Ach, Magdalena, komm, das ist doch jetzt wirklich schon eine Weile her.«

      »Sieben Jahre. Sieben Jahre, in denen ich jeden Tag zu Credna gebetet habe, dass meine Liebe zu dir so stark ist, um deine Schwächen mitzutragen. Sieben Jahre!«

      »Ist gut, die beiden können mit«, unterbrach Thomasius seine Frau, bevor sie in ein Klagegebet verfiel, mit dem sie ihm dann vielleicht die ganze Nacht in den Ohren lag. Er drehte sich um, Magdalena gab Kardania ein Zeichen und dieses unschuldige Mädchen und ihr Hund folgten den guten Leuten durch die Gassen, bis sie vor einem kleinen Haus standen. Das muss eine Glückssträhne sein!

      ›Tische, Stühle und Schränke‹ war auf einem Schild neben der Eingangstür zu lesen, die in die Werkstatt des Tischlers Thomasius führte. Die Werkstatt selbst war nicht groß, ein Arbeitstisch, ein seltsames Gerät, das ihnen der Mann stolz als Tischbohrmaschine vorstellte, und einige Stühle, die zum Abholen bereit an der Wand standen, füllten fast den gesamten Raum aus. In einer kleinen Kammer hinter der eigentlichen Werkstatt waren die Späne zusammengefegt worden und ergaben so ein halbwegs weiches Lager. Bevor sich Kard und Madad aber dort zu Ruhe legen konnten, bedeutete ihnen Magdalena ein Stockwerk höher zu kommen und bot ihnen dort noch einen Teller warme Suppe an. Und für Madad gab es sogar einen alten Knochen, auf dem der Cu dann mit verdrehten Augen, ihre Gastgeber aber freundlich anlächelnd, herumkauen durfte. Bevor sie hinunter in die heimelige Kammer gingen, bedankte sich Kardania vielmals. Und Magdalena lächelte und war glücklich, diesem armen Wesen helfen zu können. Und sogar der griesgrämige Thomasius musste die Mundwinkel verziehen, als diese ungezogene Göre herzhaft rülpste.

      Unten in der Kammer kuschelte sich Kardania mit ihrem Hund in die Späne. Auch wenn es ein wenig kratzte, war es warm, trocken und windgeschützt.

      »Mädchen sein ist gar nicht so schlecht, Madad.«

      »Meinst du, die guten Leute hätten uns nicht mitgenommen, wenn du nicht verkleidet gewesen wärst.«

      »Glaube nicht. Aber wer weiß. Aber da du von Verkleidung redest. Ich wollte noch die Pillen nehmen. Dauert ja bestimmt eine Weile bis die wirken. Dann bin ich noch mehr Mädchen, ich glaube, das ist nicht schlecht. Lange glatte Haare, ein bisschen unschuldig gucken, und schon haben wir Suppe und Bett. So lässt es sich gut reisen.«

      Kard holte die Pillen hervor und betrachtete die kleinen schwarzen Kapseln. »Ich nehme am besten gleich zwei. Dann wirkt es vielleicht schneller.« Er führte die Hand zum Mund und wenige Augenblicke später weiteten sich seine Augen vor Überraschung.

      »Du, Madad, die schmecken richtig gut. Ich weiß nicht genau nach was, irgendwie süß. Kleben zwischen den Zähnen. Aber wirklich, wirklich lecker.«

      »Echt?«

      »Ja, klar, probier mal.«

      »Yo, kann ja nicht schaden, mal eine zu probieren, oder? Mama sagt immer: Probieren geht über studieren.«

      »Eine weise Frau, deine Mama.«