Irene Dorfner

ENDSTATION


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Tag wie er geboren wurden. Deshalb waren für ihn diese Gemeinsamkeiten zunächst nur eine Tatsache, mehr nicht.“

      „Wie sieht es mit der Vita von Mohr aus?“

      „Du weißt doch, dass wir erst nachforschen dürfen, wenn ein begründeter Verdacht vorliegt. Bei Lobmann und Hofer war das vom Chef abgesegnet worden, aber bei Mohr nicht. Warten wir, bis er hier ist, dann können wir ihn befragen. Es dürfte nicht mehr allzu lange dauern, bis wir mit ihm sprechen können. Sollten wir nach dem Gespräch Zweifel haben, werden wir ihn unter die Lupe nehmen.“ Viktoria hatte Recht mit ihrer Aussage. Es war nicht so, wie den Leuten durchs Fernsehen weisgemacht wurde, dass man sämtliche Informationen über Bürger einfach so sammeln durfte. Es gab auch für die Polizei das Datenschutzgesetz, das nur mit Genehmigung vom Chef oder des Staatsanwaltes umgangen werden konnte.

      Brigitte Dickmann wartete ungeduldig am Fenster ihres Büros. Ihre Sekretärin war längst weg, sie hatte ihr für den Rest des Tages freigegeben, denn Zeugen konnte sie für das Treffen nicht brauchen. Endlich fuhr ein Wagen vor. Als sie das Gesicht des Mannes erkannte, wurde ihr schlecht. Auf was hatte sie sich da eingelassen? Sie öffnete dem Mann, der sich ihr nur als Josef vorgestellt hatte, die Tür der Kanzlei und verschloss sie sofort wieder. Niemand sollte auch nur ein Wort des Gesprächs mitbekommen oder ihren Gast zu Gesicht bekommen. Jetzt war sie mit dem Typen allein und bekam es mit der Angst zu tun. Der Mann hatte mit eigenen Händen heute eine Frau erschossen. Trotzdem hatte er sich seit dem letzten Besuch nicht verändert. Was hatte sie erwartet? Dass man ihm den Mord irgendwie ansah?

      Sie war unsicher. Sollte sie einem Killer einen Kaffee anbieten? War das angemessen?

      Josef setzte sich. Der Typ hieß nie und nimmer Josef, dafür sah er zu südländisch aus, das fiel ihr schon bei ihrem letzten und bisher einzigen Gespräch auf. Aber der Name war ihr gleichgültig. Sie bot ihm einen Platz weit genug von ihr entfernt an und er setzte sich. Auch heute war sie von dem unscheinbaren Äußeren des Mannes verblüfft. Wenn sie dem auf der Straße begegnen würde, würde sie niemals annehmen, dass er kaltblütig Menschen umbrachte. Wie viele Menschen er wohl schon auf dem Gewissen hatte?

      Josef hatte noch kein einziges Wort gesagt. Er saß ihr direkt gegenüber und sah sie mit seinen dunklen Augen an. Die Stille versetzte sie in noch größere Angst. Wenn dieser Josef sie jetzt umbrächte, würde die Polizei nie im Leben auf den Mörder kommen. Mit einer Handbewegung wischte sie die Gedanken beiseite. Sie musste sich zusammenreißen und Josef gegenüber souverän und bestimmt auftreten. Sie verzichtete darauf, ihm ein Getränk anzubieten, das hier war schließlich keine gemütliche Plauderstunde.

      „Was ist schiefgelaufen? Warum ist Heiderose Esterbauer tot?“ Brigittes Hände zitterten, was Josef sehr wohl bemerkte.

      „Ein Kollateralschaden, der leider nicht zu verhindern war. Die Frau lief direkt zur Polizei und wollte plaudern. Ich denke, dass das nicht in Ihrem Sinne gewesen wäre. Ich habe Sie soweit verstanden, dass die Unterlagen unter keinen Umständen in fremde Hände gelangen sollen, schon gar nicht in die der Polizei.“

      „Aber gleich erschießen? Hätte man das nicht anders regeln können?“

      „Wie stellen Sie sich das vor, Gnädigste? Hätte ich zu ihr gehen und gemeinsam mit ihr und den Bullen diskutieren sollen? Die Frau sprach bereits mit einem Polizisten der Kriminalpolizei. Ich musste schnell handeln.“

      „Wo ist Uwe? Was haben Sie mit ihm gemacht?“

      „Ich erzähle Ihnen alles, von Anfang an, schließlich bezahlen Sie mich und haben Anspruch darauf. Ich hatte für das Ehepaar Esterbauer eine perfekte Unterkunft besorgt, in der die beiden bis nach der Wahl verbleiben sollten. Ich rief Esterbauer an und versprach ihm mehr Informationen über Martlmüller. Ich bat um ein Gespräch nur mit dem Ehepaar Esterbauer – genau so, wie wir beide es vereinbart hatten, Frau Dickmann.“ Josef sprach sehr langsam und deutlich, was Brigitte Dickmann fast wahnsinnig machte. Sie war eher von hektischer Natur und mochte es, wenn man schnell auf den Punkt kam. Aber sie unterbrach den Mann nicht. „Esterbauer war sofort interessiert und bat mich, zu ihm nach Hause zu kommen. Als ich dort ankam, wartete das Ehepaar bereits auf mich. Man sah den beiden an, dass sie sehr neugierig auf die vermeintlichen Informationen waren. Ich zog meine Waffe und forderte zuerst die Unterlagen, danach wollte ich mit dem Ehepaar untertauchen. Aber die Frau ist plötzlich völlig ausgetickt. Sie griff nach einer Statue und schlug mir die Waffe aus der Hand, dann lief sie einfach davon. Der Mann wollte auf mich losgehen. Ich zog mein Messer und verletzte ihn am Oberarm. Esterbauer hat heftig geblutet, die Wunde sah nicht gut aus. Ich konnte mich nicht um ihn kümmern, ich musste die Frau zurückholen. Ich drohte Esterbauer, seine Frau umzubringen, falls er die Polizei oder irgendjemand anderen rufen sollte. Ich hatte den Eindruck, dass der Mann mich verstand, die Angst in seinen Augen war deutlich zu sehen. Ich bin der Frau hinterher – den Rest kennen Sie bereits. Als ich zurückkam, war Esterbauer verschwunden. Trotz meiner eindringlichen Warnung ist der Mann abgehauen. Offenbar liegt ihm nicht viel an seiner Frau, jeder andere wäre geblieben. Esterbauer hat es vorgezogen, sich selbst in Sicherheit zu bringen.“

      „Esterbauer ist weg? Und wenn er zur Polizei geht?,“ rief Brigitte erschrocken.

      „Das glaube ich nicht. Wenn er das vorgehabt hätte, wäre die Polizei längst hier. Ich bin mir sicher, dass die Polizei noch völlig im Dunkeln tappt, noch sind wir auf der sicheren Seite. Allerdings muss ich zugeben, dass die Zeit drängt. Ich muss Esterbauer so schnell wie möglich finden.“

      „Wenn Uwe erfährt, dass seine Frau tot ist, rennt er zur Polizei. Begreifen Sie das eigentlich? Die Medien stürzen sich auf den Mord, spätestens morgen weiß es jeder. Und wenn Uwe das weiß, hindert ihn nichts mehr daran, zur Polizei zu gehen.“

      „Dann muss ich schnell sein. Bleiben Sie ruhig, ich regle das. Noch ist nichts passiert. Wie gesagt, wäre die Polizei längst hier, wenn Esterbauer geplaudert hätte. Ich vermute, dass er untergetaucht ist. Der Mann hatte so viel Schiss, dass er sich erstmal in eine Ecke zurückzieht. Meine Aufgabe ist es, ihn und die Unterlagen zu finden. Ich mach das schon, kommen Sie wieder runter und behalten Sie die Nerven.“

      „Als ob ich Ihnen das glauben könnte! Das ist ein Desaster! Hätte Uwe trotz seiner Verletzung ohne Hilfe abhauen können?“

      „Schwer zu sagen. Kann sein.“

      „Keine Spur von den Unterlagen?“

      „Leider nein. Ich habe alles durchsucht, habe aber nichts gefunden.“

      Brigitte stöhnte auf und wurde wütend.

      „Wofür habe ich Ihnen das viele Geld bezahlt? Ihr Auftrag war es, die Unterlagen zu besorgen, die mich und auch Martlmüller belasten. Außerdem sollten sie dafür sorgen, dass die Esterbauers von der Bildfläche verschwinden und erst nach der Wahl wieder auftauchen. Ich hatte niemals von Mord gesprochen. Jetzt haben wir eine tote Frau und Uwe ist weg. Außerdem sind die Unterlagen immer noch verschwunden. Das ist eine Katastrophe!“ Brigitte Dickmann war wütend.

      „Beruhigen Sie sich und behalten Sie die Nerven. Jetzt auszuflippen und kopflos zu reagieren bringt nichts. Ich pflege meine Aufträge auszuführen, bisher waren meine Auftraggeber immer zufrieden mit mir. Manchmal laufen Aufträge nicht reibungslos ab, man muss immer mit Komplikationen rechnen. Ich kümmere mich um alles, machen Sie sich keine Sorgen. Ich habe bereits eine Vermutung, wer über Esterbauers Aufenthalt oder sogar über den Verbleib der Unterlagen Informationen liefern könnte. Überlassen Sie mir die Drecksarbeit, dafür bezahlen Sie mich. Nicht mehr lange, und alles ist erledigt.“ Josef stand auf und wollte gehen.

      „Ich möchte nicht, dass Uwe nochmals auftaucht. Sie haben mich verstanden?“ Während sie sprach, zitterte ihre Stimme. Hatte sie das gerade tatsächlich gesagt?

      Josef blieb stehen und drehte sich um. Hatte er richtig verstanden?

      „Sind Sie sicher? Sie wollen wirklich, dass ich ihn töte?“

      „Ja.“

      „Wie Sie wollen, Sie sind der Boss. Ihnen ist klar, dass das extra kostet?“

      „Geld spielt keine Rolle.“ Sie griff in die Schublade und