Irene Dorfner

ENDSTATION


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wenigstens in Sicherheit?“

      „Das weiß ich nicht, das erfahre ich auch heute Nachmittag. Ich habe Angst, Kilian. Wir hätten das nicht tun dürfen. Wir tragen Mitschuld am Tod der Frau.“

      „Wir mussten handeln, Esterbauer ließ uns keine andere Wahl. Er wollte nicht nur uns beide vernichten, sondern auch der Partei schaden, und das konnten wir nicht zulassen. Heideroses Tod haben wir nicht zu verantworten. Er hätte nur das Geld annehmen und den Mund halten müssen, mehr nicht.“

      „Verstehst du das denn nicht? Wir haben jemanden damit beauftragt, Esterbauer und seine Frau verschwinden zu lassen. Jetzt ist die Frau tot. Und ich habe keine Ahnung, was mit Uwe geschehen ist. Wir sind schuld an dem Ganzen, wir haben die Lawine losgetreten!“

      „Das sehe ich anders. Wir wollten lediglich, dass die beiden bis nach der Wahl verschwinden, mehr nicht. Ich habe nie von Mord gesprochen. Du etwa?“

      „Natürlich nicht! Niemals! Nach der Wahl wäre das Ausmaß des Skandals nicht mehr so wichtig gewesen, kaum jemand hätte sich dafür interessiert. Wir hätten bis dahin genug Zeit gehabt, Spuren zu vernichten und die Gelder in Kanäle verschwinden zu lassen, die so leicht keiner findet. Dafür habe ich einen Computerfreak engagiert, der aber dafür sicher noch mindestens eine Woche oder ein paar Tage länger braucht.“ Brigitte Dickmann machte eine Pause. „Vielleicht hätten wir Uwe doch noch dazu bringen können, von seinem Vorhaben abzulassen. Wenn wir wenigstens die Unterlagen hätten. Die Gefahr ist noch nicht vorüber, Kilian. Sollte Uwe doch noch auftauchen, ist alles vorbei.“

      „Dann darf er nicht mehr auftauchen. Mach das heute Nachmittag deutlich, Geld spielt keine Rolle. Uwe muss weg. Wenn er erledigt ist, brauchen wir keine Angst mehr vor einer Enthüllung zu haben. Lass uns fahren, bevor Thiel Verdacht schöpft.“

      Brigitte Dickmann zitterte. Was verlangte Kilian von ihr? Sie musste diese Anweisung heute Nachmittag weitergeben. Kilian hatte Recht. Ja, Uwe durfte nicht mehr auftauchen, sonst konnte sie ihre Kanzlei schließen und auch Kilian wäre ruiniert. Warum war Uwe so neugierig gewesen? Warum wollte er ihr, Kilian und auch der Partei schaden?

      Xaver Thiel wartete ungeduldig vor dem Restaurant in Altötting, in dem sie sich in Ruhe mit Marbach unterhalten wollten. Wo blieben Brigitte und Kilian? Die beiden benahmen sich heute sehr merkwürdig. Er hatte die kurzen, vielsagenden Blickkontakte zwischen ihnen sehr wohl bemerkt. Was lief zwischen den beiden? Hatten sie etwas mit dem Verschwinden Esterbauers und dem Mord an dessen Frau zu tun? Er wischte die Gedanken beiseite und lächelte. Er hätte den Krimi gestern Abend nicht mehr ansehen sollen.

      Die Unterredung mit Dieter Marbach hatte nicht lange gedauert. Anfangs wollte er sich zieren und den Beleidigten geben, aber das gelang ihm nicht wirklich. Zu sehr freute er sich über die neue Situation. Ohne lange zu überlegen sagte er spontan zu. Selbstverständlich übernahm er die Kandidatur.

      „Steht Ihre Frau hinter Ihnen? Die nächsten Monate bis zur Wahl müssen ohne Probleme verlaufen.“

      „Von meiner Seite aus wird es keine Probleme geben, Sie können sich darauf verlassen. Klara steht voll und ganz hinter mir.“

      „Sehr gut. Es ist wichtig, dass sich Ihre Frau regelmäßig sehen lässt. Heiderose wollte das nicht und in Uwes Fall war das auch nicht nötig gewesen. Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, wenn ich sage, dass Uwe sehr viel mehr Charisma hatte und ein begnadeter Redner war. Sie haben hier einige Defizite, die wir hoffentlich mit Hilfe von Profis beseitigen können, Herr Marbach. Oder darf ich Dieter sagen?“

      „Selbstverständlich!“ Marbach grinste breit, denn auch Martlmüller und die Dickmann boten ihm das Du an. Er war jetzt mit der Parteispitze auf Du und Du.

      „Deine Frau wird dich also begleiten und dich auch unterstützen? Bis zur Wahl ist nicht mehr viel Zeit, deshalb müssen wir alle Register ziehen.“

      „Klara freut sich auf die neue Aufgabe, die sie zu eurer vollsten Zufriedenheit erledigen wird.“

      Dann musste alles sehr schnell gehen. Der Fotograf der Werbeagentur war bald darauf vor Ort und Marbach musste Fotos in unterschiedlichen Posen und mehreren Outfits von sich machen lassen. Als die am Ende des Tages fertig waren, war er glücklich, aber auch völlig erschöpft.

      4.

      Die Mitteilung von Fuchs, dass auf dem Laptop nichts Fallrelevantes gefunden wurde, war für alle enttäuschend. Die darauf enthaltenen Daten waren nur rein beruflicher Natur, Privates gab es überhaupt nichts. Konnte das möglich sein? In einer Zeit, in der jeder noch so kleine Mist über Laptops und Smartphone lief, gab es hier nicht den kleinsten Hinweis.

      Viktoria und Werner nahmen sich den Gärtner Lobmann vor, Hans und Leo Grete Hofer.

      „Gegen Lobmann liegt nichts vor, er ist noch nie auffällig geworden. Seine Firma steht auf einigermaßen soliden Füßen. Es ist zwar nicht so, dass er mit seiner Arbeit ein Vermögen macht, aber er scheint über die Runden zu kommen. Er ist verwitwet und hat einen achtjährigen Sohn, der in einem Internat lebt.“

      „In einem Internat? Kostet das nicht ein Vermögen?“ Für Leo lag es auf der Hand, dass dort nur Kinder aus reichem Hause untergebracht waren.

      „Nach dem Tod seiner Frau hat er eine stattliche Summe aus einer Lebensversicherung kassiert, die allerdings langsam aufgebraucht sein dürfte. Wenn ich mir die Unterlagen ansehe, dürfte er sich den Luxus des Internats nicht mehr lange leisten können.“

      Leo machte sich eifrig Notizen. Das war einer der Hauptpunkte, zu denen er Lobmann befragen wollte.

      „Sonst nichts?“ Leo war enttäuscht. Da sie bei Grete Hofer auch nicht fündig geworden waren, hoffte er auf Lobmann.

      „Nichts, was uns zu weiteren Recherchen veranlassen würde. Lobmann wuchs in einem Münchner Kinderheim auf. Er wurde im Alter von neun Jahren von einem Mühldorfer Ehepaar adoptiert, die beide bei einem Unfall im Jahr 2007 verstorben sind. Sonst gibt es nichts über Lobmann, was uns weiterhelfen könnte. Was gibt es über die Hofer?“

      „Da sieht es leider ähnlich aus. Bis auf die beiden Drogendelikte aus ihrer Jugend, die sie bereits gebeichtet hat, gibt es nichts Auffälliges. Sie kam nach der Wende 1990 aus der ehemaligen DDR und wurde von Verwandten in Bayreuth aufgenommen. Sie wuchs ebenfalls in einem Heim auf. Wer die leiblichen Eltern sind, konnte nicht ermittelt werden. Das Heim bei Halle wurde 1992 aufgegeben und wurde vor fünf Jahren abgerissen. Wo die Unterlagen verblieben sind, habe ich noch nicht herausgefunden. Seit 2003 lebt Grete Hofer in Mühldorf, wo sie auch eine Ausbildung zur Verkäuferin begonnen und nur wenige Monate später abgebrochen hat.“

      „Weshalb der Umzug nach Mühldorf?“

      „Keine Ahnung, das geben die Informationen nicht her. Hierzu müssen wir sie befragen.“

      „Grete Hofer ist auch ein Heimkind? Wie Lobmann? Ist das ein Zufall?“ Viktoria wurde hellhörig.

      Leo blätterte in den Unterlagen. Konnte das sein, dass es noch eine Gemeinsamkeit gab? Hier stand es, schwarz auf weiß.

      „Die beiden sind gleich alt, sie sind sogar im selben Monat geboren, aber nicht am selben Tag. Aber das ist noch nicht alles. Auch Grete Hofer hat einen achtjährigen Sohn.“

      „So viele Zufälle gibt es doch nicht!“, rief Hans, der sich verarscht vorkam. „Zwei Leute arbeiten für ein- und dieselbe Familie. Beide sind als Heimkind aufgewachsen und beide sind fast genau gleich alt. Und dazu haben beide einen achtjährigen Sohn. Ihr könnt mir doch nicht erzählen, dass das nicht stinkt.“

      Leo, Hans und Viktoria waren sich einig und diskutierten heftig. Nur Werner hielt sich raus. Er hatte den Ausführungen zugehört und blätterte in seinen Unterlagen.

      „Haltet mich für bescheuert“, unterbrach Werner die Diskussion, „aber es gibt noch etwas, das euch nicht gefallen wird. Esterbauers Sekretär Tobias Mohr ist im selben Jahr geboren wie Franz Lobmann und Grete Hofer.“

      „Bitte? Das gibt es doch nicht!“