J.D. David

Mondschein


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war es.

      „Alarm!“, brüllte er und lief zu seinem Platz, wo sein Bogen lag. „Alarm! Wir werden angegriffen!“

      Seine Rufe wurden erwidert und blitzartig standen die Männer auf, als Arthur die ersten Pferde auf einem kleinen Hügel erscheinen sah.

      Seit dem Moment, als er aus der Burg wieder zu seinen Männern gekommen war, war er nicht länger Narthas, Sohn von Ikran, sondern Narthas Khan, Anführer der urbischen Stämme. Einzelne Stammesführer hatten versucht, sich gegen ihn aufzulehnen, warfen ihm vor, nicht alt und erfahren genug zu sein, um sie zu führen. Und sie bezeichneten ihn als einen Feigling, der sich vor den Valoren in den Staub geworfen hatte. Nachdem er dem ersten der Unruhestifter den Kopf abgeschlagen hatte, waren die anderen Stimmen verstummt. Er hatte sich so schnell seine Autorität und Machtposition gesichert, und somit ungewollt natürlich auch Herzog Celan gestärkt. Jedoch war sein Volk ehrenhaft in der Schlacht geschlagen worden, und dafür mussten sie jetzt den Preis zahlen. Das war nur recht und billig. Sofort hatte er sich mit seinen besten Männern aufgemacht, um den Auftrag, den ihm Herzog Celan gegeben hatte, auszuführen.

      Seine Späher hatten schon an diesem Morgen den Feind ausgemacht. Dennoch wusste Narthas, dass er sich in Geduld üben musste. Die Truppe aus Rethas war alles andere als schwach. Man durfte sie auf keinen Fall unterschätzen, immerhin waren es diese Bogenschützen gewesen, die seinem Vater die empfindliche Niederlage beigebracht hatten. Wenn sie am Tag angreifen würden, dann konnten sie nur unterliegen, da man sie in den weiten Ebenen viel zu früh sehen würde. Sie mussten großen Abstand halten, um dann in der Nacht mit einem schnellen Schritt die Entfernung aufzuholen und sie im Schlaf überraschen. Narthas führte ebenso wie seine etwas über zweihundert Soldaten sein Pferd am Zügel. So machten die Hufe der Tiere auf dem Steppenboden kaum einen Laut. Glücklicherweise trugen auch die wenigsten Urben Metallrüstungen, die zusätzlichen Lärm verursachten. In diesem Schritt konnten sie dem Lager der Feinde bis auf eine geringe Distanz nahe kommen, ohne bemerkt zu werden, und dann zuschlagen. Auch der schwache Mond, der nicht viel Licht spendete, half ihnen in diesem Vorhaben.

      Im Schatten der Nacht lief ein Mann auf Narthas Khan und seine Kolonne zu. Es war sein Späher, der die genaue Lage des Feindes hatte in Erfahrung bringen sollen.

      „Sie lagern ungefähr einen halben Stundenritt entfernt, am Fuße eines kleinen Hügels an einem Waldrand. Wir müssen sie also schnell und gnadenlos erwischen, dass sie nicht im Wald entkommen können.“ Narthas nickte.

      „Sind viele Wachen aufgestellt?“, fragte Zirgas der neben Narthas lief. Zirgas war nach der Schlacht ebenso wie Narthas durch den Tod seines Vaters zu dem Anführer eines Stammes geworden. Die beiden kannten sich schon seit Jugendtagen, und Zirgas war einer der ersten gewesen, der Narthas als neuem Kahn die Treue geschworen hatte. Narthas wusste, dass er sich blind auf ihn verlassen konnte, und war beruhigt, den Freund an seiner Seite zu wissen. Wie er hatte auch Zirgas die typischen schwarzen Haare der Urben, zudem trug er einen sauber gestutzten Bart.

      „Einige Wachen um das Lager, die uns wohl auch irgendwann bemerken werden. Auf dem Hügel ist nur eine Wache. Wenn wir diese rechtzeitig beseitigen, dann werden sie uns noch später bemerken.“

      Narthas nickte. „Kannst du das, ohne dass man dich sieht oder hört?“

      „Natürlich, Khan, das gehört zu meinen besten Fertigkeiten.“

      „Dann geh los. Ich verlasse mich auf dich. Wir werden, wenn wir kurz vor dem kleinen Hügel sind, aufsitzen.“, sagte er dann noch zu Zirgas und entließ den Späher mit einem Nicken, der daraufhin mit einigen schnellen und leisen Schritten wieder in der Dunkelheit der Nacht verschwand.

      „Habt Ihr einen besonderen Plan, Khan?“ fragte ihn Zirgas, während sie weiterliefen.

      „Ja, und du wirst dabei eine wichtige Rolle spielen. Ich werde mit meinen Reitern das Lager frontal angreifen. Ich denke, dass wir nicht auf viel Gegenwehr stoßen werden, jedoch befürchte ich, dass einige der Männer in diesen Wald fliehen wollen. Herzog Celan hat mir aufgetragen, die Truppe bis auf den letzten Mann zu vernichten. Deswegen wirst du mit deinen Reitern sofort abschwenken und den Valoren den Weg in den Wald abschneiden. Wenn alles wie geplant läuft, werden wir uns in der Mitte treffen und dem letzten der Hunde den Kopf von den Schultern schlagen.“

      Zirgas nickte. Er war ebenso wie Narthas und alle anderen Urben darauf versessen, die zu töten, die einen so großen Anteil an der Schmach hatten, die das urbische Volk erlitten hatte. Natürlich waren alle wie Narthas über den Befehl des Herzogs verwundert gewesen, dessen eigene Landsleute zu töten, aber diese Verwunderung war schneller einer auf Rache hoffenden Erwartung gewichen. Nur Narthas konnte sich langsam ein Bild von Herzog Celan machen, das sich aus seiner Begegnung mit dem Herzog, dessen Befehl und den vielen Erzählungen seines Vaters über die Politik in Valorien zusammensetzte. Obwohl die beiden Völker doch so unterschiedlich waren, hatten auch die Valoren mächtige Herzoge, die nicht nur an der Treue gegenüber ihrem König, sondern auch ihrer eigenen Macht interessiert waren. Darin unterschieden sich die valorischen Herzöge nur kaum von den urbischen Stammesführern. Und beide brauchten eine starke Hand, die sie in die richtige Richtung lenkten. Narthas war eine solche starke Hand, in Valorien schien es aber daran gerade zu fehlen.

      Mit erhobener Hand signalisierte Narthas seinen Männern, anzuhalten. Sie hatten während der letzten Minuten komplett geschwiegen, Disziplinlosigkeit gab es in den Reihen der Urben nicht. Dann stieg er in den Sattel, und mit ihm alle anderen Urben. Viele der Soldaten legten die ersten Pfeile auf ihre Bögen auf. Narthas trug keinen Bogen. Für ihn gehörte es sich für einen Anführer nicht, einen Bogen im Krieg zu führen. Obwohl es natürlich eine gute und mächtige Waffe war. Dennoch musste für ihn ein wahrer Anführer einen Speer oder einen Säbel tragen, und so tat er dies auch. Als alle Urben aufgesessen waren, verharrte Narthas noch einen Moment. Offensichtlich waren sie noch nicht entdeckt worden, denn er hörte nichts aus dem Lager der Valoren. Der Späher hatte seine Aufgabe gut erledigt. Dann gab er das Signal zum Angriff und die Pferde setzten sich in Bewegung, trabten langsam los, und fielen dann in einen schnellen Galopp, in dem sie über die Hügelspitze preschten.

      Arthur legte den ersten Pfeil auf und feuerte ihn auf die anstürmenden Urben. Es war keine Zeit für eine ordentliche Formation, es war keine Zeit für klare Befehle, für viele war nicht mal mehr genug Zeit aufzustehen, bevor die Urben sie erreichten.

      Der Ritter musste mit Grauen anschauen, wie die ersten seiner Männer ohne große Gegenwehr abgeschlachtet wurden. Reitersäbel sausten herunter, spalteten Schädel und schlitzen Körper auf, Pfeile flogen und trafen ihr Ziel, und Arthur konnte nur machtlos dastehen und zusehen. Kurz keimte in ihm Verzweiflung auf, als er wie aus einer Trance erwachte und versuchte, die Situation möglichst klar zu analysieren. Die anstürmenden Reiter hatten sie voll getroffen, es waren wohl etwas über einhundert Mann. Auch wenn sich langsam erste Gegenwehr formierte, auch erste rethanischen Pfeile ihre Ziele trafen, war der Versuch diesen Gegner in dieser Situation abzuwehren wohl doch vergeblich. Arthur sah einen Urben, der auf einen jungen rethanischen Bogenschützen zustürmte. Blitzschnell zog er den Bogen aus, legte kurz an, und feuerte. Von der Wucht des Pfeiles wurde der Urbe aus dem Sattel gerissen und blieb am Boden liegen.

      Arthur schaute sich um. Er sah den Wald. Dies war wohl die einzige Möglichkeit, dieser Hölle zu entfliehen. Ansonsten war die Situation aussichtslos. In dem flachen, ebenen Gelände würden sie niemals gegen diese schnellen Reiter fliehen können. Nur im Wald konnten sie sich verstecken. Arthur wollte gerade Richtung Wald loslaufen, als er erkannte, dass auch der Feinde diese einzige Fluchtmöglichkeit bemerkt hatte. Eine weitere Truppe von Reitern ritt am Waldrand entlang auf ihr Lager zu, um sich zwischen den Rethaner und den Wald zu schieben. Es waren weniger als die Hauptgruppe, vielleicht die halbe Stärke, dennoch waren es viele, besonders für einen solch unorganisierten Haufen, wie ihn Arthurs Soldaten gerade darstellten.

      „Schwarze Pfeile zu mir!“ brüllte er über den Lärm der Schlacht und sofort fanden sich seine Truppen bei ihm ein. Auf diese Männer konnte er sich immer verlassen. Auch wenn den anderen Rethanern wohl schon längst der Mut geschwunden war, die Schwarzen Pfeile würden tapfer und treu bleiben bis zum letzten Tropfen Blut.

      „Pfeile!“ rief er und alle machten