J.D. David

Mondschein


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nickte ernst. Sie konnte sich nicht wirklich auf die Fahrt mit den beiden Adeligen freuen, wusste sie doch schon jetzt, dass sie sich völlig fehl am Platz fühlen würde. Und ihr war auch ungewiss, ob und worüber sie mit den beiden Herrschaften reden sollte beziehungsweise, wie sie sich verhalten sollte. Immerhin war es eine längere Fahrt bis nach Andtweil, da konnte man sich nicht einfach schweigend gegenüber sitzen. Als sie gerade noch darüber nachdachte, kam auf einmal Isabel auf sie zu.

      „Du bist also unsere Mitreisende?“

      „Jawohl, Hohe Dame, mein Name ist Eleonora.“, sagte Lora unsicher. Sie hatte gerade noch hinzufügen wollen, dass sie Lora genannt wurde, erkannte aber, dass dies wohl unpassend war und hatte sich rechtzeitig auf die Lippe gebissen.

      Isabel lächelte sanft. „Dann komm doch mit. Wir werden bestimmt eine angenehme Reise haben.“, sagte sie und führt sie zur Kutsche, während Geron und Priovan auf ihre Pferde stiegen. Ludwig stieg als letztes in die Kutsche und dann setzte sich die Gruppe in Bewegung.

      Die ersten paar Minuten war es außer dem Rumpeln der Kutsche und den Hufschlägen der Pferde, die nur gedämpft in die Kutsche drangen, sehr ruhig in dem Innenraum. Ludwig sah man die deutlichen Spuren der gestrigen Feier an. Er wirkte sehr müde und unterdrücke nur aus Höflichkeit einige Gähner. Unter seinen Augen waren tiefe Ringe und er wirkte blass, von den leicht rötlichen Färbungen der Wangen und der Nasenspitze abgesehen. Nachdem die Fahrt begonnen hatte, schloss der Sohn des Herzogs, der entgegen der Fahrtrichtung Lora und Isabel gegenübersaß, die Augen.

      Isabel wirkte deutlich frischer und auch Lora fühlte sich, trotz des nächtlichen Ausflugs und des frühen Morgens, recht ausgeruht, was bestimmt auch an dem reichlichen Frühstück und dem gemütlichen Bett lag. Nachdem sie Tjemin hinter sich gelassen hatten brach Isabel die Stille und wandte sich an Eleonora.

      „Geron hat gegenüber mir lediglich gesagt, dass du neuerdings in seinem Gefolge bist. Leider hat er mir nicht berichtet, wer du bist und woher du kommst. Da wir eine längere Fahrt vor uns haben, fände ich es schön, wenn wir uns ein bisschen unterhalten könnten, und dazu müsste ich dich erstmal genauer kennen.“ Lora nickte, sprach aber nicht. Sie wusste nicht wirklich, was sie erwidern sollte, und offenbar bemerkte auch Isabel ihre Unsicherheit. Sie lächelte.

      „Um dir den Anfang ein bisschen zu erleichtern möchte ich mich dir noch mal genauer vorstellen. Wie bereits gesagt bin ich Isabel von Andtweil, ich bin die Tochter des vor einigen Jahren gefallenen Ritters und Freiherrs Victor von Andtweil. Ich selbst bin zurzeit das Mündel ihrer Gnaden des Herzogs von Fendron und hoffe, dass er mich bald verlobt, sodass mein zukünftiger Ehemann dann selbst zum Freiherr von Andtweil wird. Warst du schon einmal in Andtweil?“

      „Nein“, antwortete Lora. Sie hatte den kurzen Ausführungen Isabels ordentlich zugehört und hoffte alles zu behalten. Der Anfang der Unterhaltung war weit weniger schlimm gewesen, als sie befürchtet hatte. Isabel strömte eine gewisse Wärme aus, die auch Lora ein gutes Gefühl gab.

      „Aber soweit ich mitbekommen habe, werde ich ja bald die Freude haben eure Heimat kennen zu lernen, hohe Dame.“

      „Ja, in der Tat, und solange wir in der Kutsche sind sagt bitte Isabel zu mir. Und Ludwig kannst du auch mit Ludwig ansprechen, nicht wahr?“, fragte sie den dritten Mitfahrer der kurz die Augen aufschlug und immer noch verschlafen kurz antwortete. „Ja, natürlich.“

      „Gut, dann erzähl mir doch bitte ein bisschen von dir, Eleonora. Ich bin wirklich gespannt, wie du an den Herrn von Dämmertan gekommen bist.“ Ein leichter Spott schien beim letzten Satz in ihrer Stimme zu liegen, auf den Lora aber bestimmt nicht näher eingehen wollte.

      „Meine Geschichte ist wohl weniger prunkvoll als Eure. Mein Vater kehrte, als ich ein kleines Kind war nicht mehr aus dem Krieg zurück. Meine Mutter starb als ich sechs Jahre alt war. Da mich in meinem Heimatdorf niemand aufnehmen wollte und ich auch sonst keine Verwandten hatte, bin ich als kleines Kind in die nahe Stadt Tjemin gezogen, wo ich mich seitdem durchgekämpft habe. Ich habe schnell gelernt, wie man in den Straßen der Stadt überlebt, wem man trauen kann und sollte, und wen man besser meiden sollte.

      Mein Traum aus dieser Stadt zu entkommen wurde vorgestern erfüllt, als ich den jungen König von Strauchdieben verfolgt in den Straßen erblickte und ihm bei der Flucht half. Der Herr von Dämmertan hat mir zur Belohnung für die Rettung des Lebens des Königs einen Wunsch gewährt, und ich entschied mich Tjemin ein für alle Mal zu entrinnen und habe darum gebeten, ihn und Priovan auf ihren Reisen zu begleiten. Ein bisschen verwegener Wunsch war das wohl schon, aber ich bin mir sicher, dass ich meine Entscheidung nicht bereuen werde. Nun ja, und jetzt bin ich hier.“

      Sie lächelte und beendete so den kurzen Abriss über ihr Leben. Isabel hatte interessiert zugehört.

      „Nun, dein Leben war vielleicht weniger prunkvoll als meines, aber es war bestimmt spannender und erlebnisreicher.“

      „Wenn du Hunger, Kälte und den täglichen Kampf ums Überleben als spannend und ereignisreich bezeichnest, dann hast du wohl recht.“, erwiderte Lora sarkastisch und bereute schon im nächsten Moment die Aussage. Sie merkte auch, dass sie die förmliche Anrede weggelassen hatte und biss sich auf die Lippe. Das war bestimmt nicht das, was Geron als höflich bezeichnet hätte. Dennoch wirkte Isabel nicht beleidigt, obwohl sich ihre Miene deutlich verfinsterte. Es lag jedoch kein Groll in ihrem Gesicht, sondern eine Spur von Trauer.

      „Die Armut der Bevölkerung ist ein großes Problem.“, sagte sie ernst. „In Tjemin, eigentlich in Fendron, geht es noch. Die Ernten der letzten Jahre waren zwar schlecht, aber nicht so schlecht wie in anderen Teilen Valoriens. Besonders schlimm muss die Situation in Tandor und im Norden und Osten von Rethas sein, wo zu schlechten Ernten auch noch die Überfälle der barbarischen Urben kommen. Unter König Thanhold, Priovans Vater, waren Armut und Hunger deutlich geringer, so erzählt man. Hoffen wir, dass der junge König auch wieder Wohlstand und Frieden bringen wird.“

      „Das wird er bestimmt.“, warf Lora schnell ein. „Ich vertraue ihm. Er kennt auch die Sorgen der einfachen Bevölkerung. Er wird bestimmt ein guter und gerechter König.“

      „Selbst der gerechteste und beste König kann manchmal seine Herausforderungen nicht bewältigen, wenn diese durch äußere Umstände oder auch die eigenen Untergebenen ins Unermessliche steigen.“, meldete sich da Ludwig erstmalig zu Wort, und fuhr dann direkt fort. „Auch wenn ich der jungen Dame Recht gebe, dass der junge König bestimmt gütig und gerecht sein kann, so wird er doch vielen Herausforderungen begegnen müssen. Die wilden Urben im Osten, die verhassten Kargatianer im Süden, zudem kann auch der König nicht das Wetter beeinflussen. Außerdem werden wohl bald zwei neue Herzöge in Fendron und Rethas ihr Erbe antreten. Ein neuer, junger Herzog kann ein Segen sein, aber auch ein Fluch. Wir werden sehen.“

      Lora hörte interessiert Ludwig und Isabel zu, wie sie über all die politischen Dinge redeten, auch wenn sie nicht alles verstand. Natürlich kannte sie die Geschichten über die wilden Urben, denen so manche Grausamkeit zugeschrieben wurde. Lora wollte nicht beurteilen, welche wahr und welche falsch waren.

      Die Mittagssonne stand hoch am Himmel, als der Tross ein kleines Dorf erreichte. Sie waren schon einige Stunden der Straße gefolgt, die sich am Ufer der Gronde nach Süden schlängelte. Wie schon die vorigen Tage war das Wetter sommerlich heiß. Die Soldaten schwitzen in ihren Rüstungen und auch Priovan hoffte, dass sie die wohlverdiente Pause in diesem Dorf finden würden. Geron und der Hauptmann der Eskorte, ein Mann namens Ludger, hatten ein scharfes Tempo angegeben. Den Pferden merkte man die Erschöpfung genauso an wie den Menschen, aber sie wollten die Reisezeit nach Andtweil möglichst kurz halten. Dennoch würden die beiden wohl jetzt auch einsehen, dass es wirklich höchste Zeit für eine Pause war. Und wie erhofft zügelten die beiden Männer ihre Pferde und verringerten so das Tempo als sie ein Schild passierten, dass den Namen des Dorfes anzeigte: Gelnau.

      Die Einwohner von Gelnau hatten offensichtlich schon aus der Ferne die Reisegruppe gesichtet und warteten so auf dem Dorfplatz, der von einer Taverne, einer Handwerkerstube, offensichtlich die eines Schreiners, und weiteren zwanzig Wohnhäusern umgeben war. Dies stellte schon das ganze Dorf dar, dessen Einwohner hauptsächlich Bauern