J.D. David

Mondschein


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so schwer, dass sie ihn jeden Moment zu Boden drücken könnte. Einmal mehr wünschte er sich, wie sein Vater und seine Brüder auf dem Schlachtfeld gefallen zu sein. Aber dafür war es zu spät. Er schaute Celan tief in die Augen.

      „Ich akzeptiere eure Bedingungen mit einer Forderung: Sollte der Tag kommen, an dem ein Urbe dir oder deinen Nachfolgern das Leben rettet, so soll mein Volk von der Blutschuld befreit werden.“ Celans Miene blieb einige Momente ungerührt. Er schien zu überlegen, ob er diese Einschränkung annehmen konnte. Dann erhellte sich seine Miene.

      „So soll es sein. Dann schwöre, im Namen deines Volkes, mir und denen, die mir folgen werden, die Treue. Von jetzt und für immer dar, so lange die Blutschuld nicht beglichen ist.“ Narthas neigte sein linkes Knie und senkte seinen Blick auf den Boden.

      „Ich, Narthas, Sohn von Ikran, schwöre im Namen der Stämme der Urben, dir und allen die dir folgen sollen die Treue, bis die Blutschuld beglichen ist.“

      Celan lächelte. Ein erster Sieg war errungen, und er hatte eine mächtige Waffe in seinen Händen. Er erhob sich aus seinem Thron und ging auf den Urben zu. Er packte ihn an den Schultern und zog ihn hoch, sodass er Narthas direkt in die Augen blicken konnte.

      „Du hast eine gute Wahl getroffen, Narthas. Ich werde dir versprechen, dass es deinem Volk, solange es mir dient, an nichts mangeln wird. Und nun habe ich einen ersten Auftrag für dich und deine Mannen.“

      Narthas blickte dem Herzog in die Augen, blieb aber erstmal still. Der Gedanke, bald wieder in Rüstung und Waffen im Sattel zu sitzen erfüllte ihn mit Zufriedenheit. Zwar war der Stolz der Urben durch die Unterwerfung gebrochen, aber nicht ihr Willen. Sie würden reiten und kämpfen. Und die Geister der Steppe, auch die Geister der Gefallenen, würden stolz auf sie hinunter schauen. Sie waren zwar nicht frei, aber Narthas hatte sein Volk vor einem noch schlimmeren Schicksal bewahrt. Er konnte mit erhobenen Haupt vor seine Männer treten. Ja, sie würden reiten, nur diesmal eben im Namen des Herzogs von Tandor zeigen.

      „Ich möchte, dass du mit deinen besten Reitern Richtung Süden reitest“, fuhr Celan fort und lief zu einem Kartentisch, der an der Wand stand. Die drei Männer, Forgat, Ulf und Narthas, folgten ihm und stellten sich um die Karte von Valorien, die auf dem Tisch lag. Celan legte seinen Finger auf die Karte und zeigte einen Bereich im südlichen Teil seines Herzogtums.

      „In dieser Gegend treibt sich eine große Bande von Banditen herum. Sie sind gut bewaffnet und organisiert und marschieren zurzeit gegen Süden, dies berichten zumindest meine Späher. Ich möchte, dass du ihnen so schnell wie möglich folgst und sie vernichtest, bevor sie die Grenze nach Rethas überqueren.“

      „Aber mein Herzog...“, wollte Forgat gerade einwerfen, als sein Blick sich mit Celans traf und ihn zum Schweigen brachte. Ein wissendes Lächeln lag auf den Lippen des Herzogs. Er wusste genau, wen er dort verfolgen ließ, und Forgat, obwohl er Einwände hatte, wusste, dass er jetzt zu schweigen hatte. Celan von Tandor tat nichts, ohne es gut zu überdenken, das hatte der junge Sohn Fendrons gelernt. So verhielt es sich mit der Begnadigung der Urben ebenso wie mit dem ersten Auftrag für den Urbenführer Narthas. Narthas unterbrach den kurzen Moment der unangenehmen Stille und Spannung zwischen Forgat und Celan.

      „Wenn Ihr mich und meine Männer mit Pferden, Waffen und Versorgung ausstattet, dann können wir jeden Moment aufbrechen. Ein Urbe ist jeden Moment bereit zum Kampf.“

      Celan wandte sich an Forgat. „Geleite bitte Narthas nach draußen und kümmere dich um die Ausstattung der Urben. Achte darauf, dass genug wichtige Männer in Taarl bleiben, bis wir ihre Frauen und Kinder in Gewahrsam haben. Wenn sich Narthas meinem Willen widersetzt, werden diese zuerst sterben, danach jagen wir die Soldaten des Khans, und schlussendlich finden wir die Frauen und Kinder in der Steppe. Danach wirst du dich um die Einhaltung des Vertrages kümmern.“ Der Herzog hatte darauf geachtet, den Urben in der dritten Person anzusprechen. Dieser sollte merken, dass er im Zweifel nicht zögern würde.

      „Jawohl, Euer Gnaden.“, quittierte Forgat den Befehl förmlich und schritt zur Tür. Ohne weitere Worte folgte ihm Narthas.

      Herzog Celan blickte weiterhin auf die Karte. Sein Blick wanderte Richtung Westen und Süden, über Elorath, Dämmertan bis in das Herzogtum Fendron, die Heimat seines einstmaligen Knappen und mittlerweile Junkers Forgat.

      „Ulf“, sagte Celan zu dem grobschlächtigen Mann, der immer noch neben ihm stand. „Für dich habe ich einen besonderen Auftrag, mit dem ich Forgat nicht betrauen kann. Du hast es gerade wieder gemerkt, dass es ihm bei Zeiten an Gehorsam und Durchsetzungsstärke fehlt. Du hast diese Fähigkeiten, und ich benötige sie nun.“

      „Was soll ich tun, mein Herzog?“, fragte Ulf, der genauso gut wie Celan wusste, dass mit der Umschreibung Gehorsamkeit und Durchsetzungsstärke lediglich seine Skrupellosigkeit meinte. Er würde jeden Befehl ausführen, mit dem ihn Celan beauftragte, und gerade deshalb schätze ihn der Herzog so sehr.

      „Lass uns uns hinsetzten. Dann erklär ich dir, was ich erwarte.“, sagte Celan und deutete auf einige Stühle vor dem Kamin.

      Narthas dachte noch immer an die Abmachung. Diese Gedanken plagten ihn. Seit dieser Valore, Forgat, ihn aus der Burg begleitet hatte. Und auch jetzt, da er wieder mit seinen Brüdern im Sattel saß, konnte er diese nicht wegwischen. Ein ums andere Mal wog er auf, was er verloren, und was er gewonnen hatte. Hatte er Freiheit gewonnen? Hatte er seinen Stolz verloren? Seine Ehre, sowie die Ehre seines Vaters und seiner Ahnen beschmutzt? Würden die Geister der Steppe seine Entscheidung gut heißen? Würden seine Männer ihm weiterhin folgen? Bisher taten sie es. Er blickte sich um und es erfüllte ihn mit Stolz, selber so tapfere und gute Männer anführen zu dürfen, die sich ihm ohne Fragen unterworfen hatten. Er war ein Sohn des großen Khans und als solcher war er unumstritten. Und wenn auch unter schweren Bedingungen, so hatte er sie aus der Gefangenschaft befreit. All die Krieger der Urben saßen erneut in Rüstung und Waffen auf den Pferden und zogen in den Kampf, wie sein Volk es schon seit Äonen tat. Narthas blickte entschlossen nach vorne und spornte sein Pferd an, das in einen schnellen Trab verfiel. Hunderte von Hufen schlugen auf den Boden, als sich der Trupp gen Süden bewegte.

      Kapitel 7

      Geron, Priovan und Eleonora standen zum Aufbruch bereit im Hof der Burg von Tjemin. Sie waren schon früh aufgestanden und nach einem reichhaltigen Frühstück hatten sie sich sofort für die Weiterreise nach Andtweil bereit gemacht. Zwei Stallknechte brachten gerade die Pferde von Geron und Priovan, als mehrere Bewaffnete in den Hof geritten kamen. Es war die Eskorte, die, auf Befehl von Herzog Richard hin, noch einmal aufgestockt worden war. Wie am Tag zuvor ausgemacht, würden die drei gemeinsam mit Isabel von Andtweil und Ludwig von Fendron reisen. Gerade als ein Mann eine Kutsche gezogen von vier Pferden vorfuhr, kamen die beiden begleitet von Herzog Richard, der sich auf einen Stock stützte, und seinem Sohn Berlan aus dem Tor des Bergfrieds.

      Ludwig wirkte noch immer etwas erschöpft und müde vom vorigen Abend, zumindest zeigten dies seine tiefen Augenringe und die leicht gerötete Nase, wohingegen Isabel so jung und schön wie immer wirkte.

      „Gerne hätte ich dich noch länger als Gast beherbergt, Geron, aber dennoch bin ich beruhigt, dass du es bist, der Ludwig und Isabel nach Andtweil begleitet“, begrüßte der alte Herzog Geron, der dankend nickte.

      „Auch ich wäre gerne länger in Tjemin verweilt, aber wir wollen noch vor dem Herbst unsere Reise beenden, und so drängt es uns weiter nach Andtweil und dann nach Lyth Valor.“, antwortete er und wandte sich dann an Ludwig und Isabel. „Ich möchte Euch danken, dass Ihr meiner jungen Gefolgsfrau die Mitreise in der Kutsche gestattet.“ Ludwig wollte gerade antworten, als ihm Isabel mit einem Lächeln zuvor kam.

      „Selbstverständlich, Herr von Dämmertan, es ist uns eine Freude. Und vielleicht wird durch ihre Anwesenheit die lange Reise etwas unterhaltsamer.“

      „Nun gut“, wandte dann Ludwig ein. „Dann wollen wir aufbrechen, schließlich wartet ein langer Weg auf uns.“ Während sich Ludwig und Isabel von Richard und Berlan verabschiedeten, zog Geron Lora bei Seite.

      „Pass auf, Lora. Du wirst dich absolut korrekt verhalten. Du wirst nur sprechen, wenn du