J.D. David

Mondschein


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ihre Arme aus. Auch an ihren Knöcheln waren derartige Bilder zu sehen. Die Symbole waren fremd, und dennoch kamen sie Finn irgendwie bekannt vor. Er konnte sie jedoch nicht zuordnen. Als er gerade nachdachte, woher ihm die Symbole bekannt waren, endete das Lied und ein gewisser Zauber, der die Szenerie umgeben hatte, schien mit dem letzten Ton abzubrechen. Die Frau lächelte Finn und Lora an und kam auf sie zu.

      „Eleonora, es ist mir eine Freude.“, begrüßte sie zuerst Lora und reichte ihr beide Hände, die Lora bereitwillig nahm.

      „Die Freude ist bei mir, Alisa.“

      „Wer ist dein junger Freund?“ fragte Alisa und blickte zu Finn.

      „Mein Name ist Finn.“, stellte er sich selbst vor und reichte ihr die rechte Hand, denn dies war der Gruß, der ihm geläufig war. Ohne jedoch zu fragen griff Alisa auch seine linke Hand und hielt sie beide in ihren Händen. Finn bemerkte sofort wie weich und sanft ihre Hände waren und spürte die Wärme, die von ihnen ausging. Alisa musterte ihn. Sie schien ihn fast ein bisschen skeptisch zu begutachten.

      Dann lächelte sie jedoch und sagte: „Möge Elona deinen Weg schützen.“

      Auf einmal wurde Finn klar, wer diese Frau seien musste. Sie war eine Priesterin. Eine Priesterin der Trias, jener alten Religion, die in den frühen Tagen in Valorien verbreitet gewesen war. Heute war der Glauben an die Trias jedoch verboten und wurde in verschiedenen Herzogtümern verschieden hart bestraft. Trotzdem lebte der Glauben, insbesondere in den ländlichen Gebieten, weiter. Finn hatte schon viele Geschichten über die Priester der Trias gehört, aber den seltensten hatte er Glauben geschenkt. Da rankten sich Mythen im Tier- und Menschenopfer, finstere Rituale oder dunkle Hexerei. Finn war sich aber sicher, dass dies alles nur Ammenmärchen waren. So etwas wie Zauberei gab es nur in der Vorstellung der Menschen, nicht in der Realität. Dennoch war Finn erstaunt, hier, mitten in Tjemin, der Hauptstadt des Herzogtums Fendron, eine Priesterin der Trias zu treffen, die sich auch ohne Umschweife als solche ausgab. Instinktiv wich Finn einige Schritte zurück. Alisa lächelte ihn aber weiter mit einem ruhigen und freundlichen Ausdruck an, was Finn ein bisschen beruhigte.

      „Ihr seid eine Priesterin der Trias, nicht wahr?“

      „Das stimmt, und an deiner Kleidung erkenne ich, dass du nicht ein einfacher Junge aus Tjemin bist.“

      Finn schluckte. Von weitem hatte ihn sein Mantel natürlich vor solchen Feststellungen geschützt, aber hier, in der Nähe des Feuers, war selbstverständlich zu sehen, dass er einem höheren Stand entstammte. Auch die anderen Leute, die um das Feuer saßen, sahen ihn genauer an. Sie waren offensichtlich alle Bettler oder andere Straßenbewohner Tjemins, die jeden Tag aufs Neue den Kampf ums Überleben fochten. Dennoch wirkten sie alle zufrieden, fast glücklich, hier in der Nähe der Priesterin.

      „Ich bin Priovan von Valorien, Knappe des Ritters Geron von Dämmertan.“, sagte Finn deutlich und löste somit eine ungewohnte Stille aus. Nur das Knistern des Feuers war noch zu hören.

      „Geron von Dämmertan? Ich habe schon von ihm gehört“, sagte Alisa. „Und jetzt steht mir der junge König gegenüber. Setzt dich doch zu uns, junger König. An diesem Feuer, vor der heiligen Trias, sind wir alle gleich.“

      Finn war überrascht. Die Frau blieb erstaunlich ruhig und irgendwie ließen ihre Worte keinen Widerspruch zu. Die Männer und Frauen am Feuer rutschen ein wenig zusammen, sodass für Finn und Lora eine kleine Lücke entstand, in die sie sich hineinsetzten.

      Alisa trat wieder vor die Versammelten und erhob erneut ihre samtweiche Stimme.

      „Ich möchte euch nun ein Lied über Thorian, den Bewahrer der Flamme, singen“, sagte sie und begann zuerst leise zu Summen. Die Menschen rückten näher zusammen, als Alisa zu singen begann. Finn verzauberte die liebliche Stimme der Priesterin. Erneut konnte er den Text nicht verstehen, aber das schien keine Rolle zu spielen. Ihn erfüllte die Melodie. Die Melodie war lebendig und dennoch irgendwie majestätisch, und so gar nicht wie das vorherige, traurige Lied. Alisas Stimme erfüllte die Luft, durchdrang die Menschen und schien sogar das Feuer zu kontrollieren. Es schien, als flackerten die Flammen genau in ihrem Rhythmus. Eine seltsame Magie umgab sie, dachte sich Finn. War dies wirklich Magie? War das die Kraft der Trias? Oder war es nur die Macht eines Liedes. Er konnte es nicht ergründen, und dennoch fühlte er sich ruhig, zufrieden, glücklich. Er schaute hinüber zu Lora, die offensichtlich ebenfalls das Lied von Alisa genoss. Finn meinte sogar eine einsame Träne in Loras Auge zu sehen. Das musste ein Grund gewesen sein, wie sie all die Jahre hier auf den Straßen Tjemins ausgehalten hatte. Diese Priesterin konnte Menschen wirklich Kraft schenken. Völlig in Gedanken versunken merkte Finn auf einmal, wie das Lied verebbte.

      Als das Lied endete schienen auch die Flammen des Feuers ein wenig zurück zu gehen und loderten nur noch schwach vor sich hin.

      Lora erhob sich und ging zu Alisa.

      „Der Grund, wieso ich hier bin“, begann sie zu reden, „ist ein Abschied. Ich habe die Möglichkeit diesen Ort zu verlassen und mit Finn und seinem Ritter die Welt zu erkunden. Auch wenn ich viel nicht vermissen werde, so werden du und deine Lieder mir doch fehlen, denn sie gaben mir stets eine Heimat.“

      Alisa lächelte und nahm erneut die beiden Hände von Lora. „Auch ich werde dich vermissen, und dennoch wünsche ich dir alles Gute. Ich werde für dich beten und ich bin mir sicher, dass deine Wege gesegnet sein werden. Möge die Trias über dich wachen. Mach es gut, Eleonora.“

      Dann ging Alisa erneut auf Finn zu, der sich auch erhoben hatte. „Junger König, es war mir eine Freude dich kennen gelernt zu haben. Du wirst einst ein guter König werden, dass sehe ich in deinen Augen. Denke stets an diesen Moment, wenn du Entscheidungen zu treffen hast. Diese Leute hier sind das Herz von Valorien, höre auf dein Herz. Dein Volk hat große Hoffnungen in dich. Ich wünsche dir eine gute und glückliche Reise“, sagte sie. Finn war zu beeindruckt um noch etwas zu erwidern. Er verharrte noch einen kurzen Moment und drehte sich dann auch um, um Lora zu folgen.

      Geron lag immer noch halb wach, als die beiden Kinder erneut in das Zimmer schlichen. Natürlich hatte er vorhin mitbekommen, wie die beiden entflohen waren. Als Ritter hatte man einfach keinen tiefen Schlaf, das gewöhnte man sich schon in seiner Knappschaft ab. Und dennoch hatte er sie nicht daran gehindert. Lora sollte sich ruhig noch einmal verabschieden, bevor sie Tjemin verließ und Priovan... Priovan sollte sowieso die einfache Welt Valoriens kennen lernen. Es würde ihnen schon nichts passieren, dessen war sich Geron sicher. Diesmal hatte Priovan ja auch sein Schwert mitgenommen und konnte sich so sehr groben Ärger vom Hals halten. Er hörte die beiden noch leise etwas Flüstern, verstand jedoch den Inhalt nicht. Er war froh, dass sie ab jetzt von Lora begleitet wurden. Ein bisschen Umgang mit einer Gleichaltrigen würde Priovan bestimmt gut tun, und die Kleine war eine Frohnatur. Eine Vorahnung beschlich Geron. Lora war kein normales Mädchen, dessen war er sich sicher. Vielleicht wartete noch eine große Zukunft auf sie, dem Mädchen aus Tjemin.

      Kapitel 6

      Am zweiten Tag nach der Schlacht erreichte der Zug aus Reitern, Soldaten und Gefangenen endlich die große Stadt Taarl, Hauptstadt des Herzogtums Tandor und nach dem Königssitz Elorath die zweitgrößte Stadt Valoriens. Taarl lag am Fuß des Klingers, einem mächtigen Berg der die Stadt mit besten Erzen versorgte und so auch die militärische Macht Tandors begründete. Im Westen wurde Taarl vom Fluss Varna gesäumt, im Norden schloss die Stadt direkt an die Nordzinnen an, lediglich die südliche und süd-östliche Seite der Stadt waren offen. Hier schlossen sich meilenweit Felder an, sodass die Stadt schon von weitem zu erkennen war. Die Verteidigungsanlagen von Taarl waren von ihrer Stärke einzigartig in Valorien. An der südlichen Mauer direkt am Fluss war das Herz der Verteidigungsanlagen, die große Burg von Taarl, die zugleich der Sitz des Herzogs war. Die äußerste Mauer der Burg bildete sogleich die Stadtmauer, im inneren schlossen sich zwei weitere Mauerringe an und innerhalb des innersten Ringes ragte der mächtige Bergfried in den Himmel, über dem das Wappen von Herzog Celan wehte. Auch der Rest der Stadtmauer wurde in regelmäßigem Abstand von Türmen geschützt und überbot an Dicke und Höhe bei weitem eine normale Stadtmauer. Innerhalb der Stadt gab es einen weiteren Mauerring, der die armen von den reichen Vierteln der Stadt trennte. Eine dritte Mauer schütze