J.D. David

Mondschein


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wie Ulf den Anführer in die Burg gebracht hatte. Gleich würde er hier sein. Es gab noch ein paar wichtige Dinge zu erledigen, bevor heute Abend das Fest seinen Gang nehmen konnte. Und die Unterredung mit dem neuen Anführer der Urben gehörte dazu.

      Celan ließ sich in den recht schlichten Holzthron nieder, in den in der Lehne sein Wappen eingeschnitzt war. Gepolstert war die Sitzfläche mit zwei Wolfsfellen. Der Thron besaß offene Armlehnen, sodass Celan sein Schwert an der Seite hinunterhängen lassen konnte. Neben ihm stand Forgat, sein treuer Untergebener, und betrachtete die Tür. Kurze Zeit später öffnete sich diese und Ulf trat gefolgt von zwei Bewaffneten mit dem Urben in den Saal. Ulf und die Bewaffneten verbeugten sich vor dem Herzog und die letzteren verließen danach wieder den kleinen Audienzsaal, um vor der Tür Aufstellung zu nehmen. Celan blickt dem Urben in die Augen, der keine Anstalten machte, sich vor ihm zu verbeugen. Sein Stolz wirkte ungebrochen.

      Celan musterte ihn genauer. Seine Züge waren hart, und dennoch sahen sie für ihn aus, wie die jedes Urben. Die schmalen Augen, das schwarze Haar, die dunklere Haut, die harten Kanten, die das Gesicht ausmachten trafen einfach auf jeden Urben zu. Diese Wilden konnte man nur an ihren Augen und Kleidern auseinander halten. Letzteres war im Moment auch schwierig, da alle Gefangenen ihrer Rüstungen beraubt worden waren und somit ähnliche Lumpen trugen. Aber diese Augen, sie zeigten, dass es sich um einen Anführer handelte. Es war ein stolzer, majestätischer und entschlossener Blick. Der Urbe war wohl etwa so alt wie Celan selbst, Mitte bis Ende zwanzig, jedoch ein bisschen kleiner als der Herzog.

      „Verbeuge dich vor deinem Bezwinger, Urbe!“, befahl ihm Celan in einem ruhigen, leicht überheblichen Ton. Er wollte ihm zeigen, dass er der Herr dieser Burg und Bezwinger seines Volkes war und dass er mit ihm tun konnte, was er wollte. Der Urbe hielt seinen Blick stand, machte aber weder Anstalten in die Knie zu gehen, noch irgendetwas zu sagen. Stille erfüllte den Raum. Dann wandte Celan seinen Blick zu Ulf und nickte ihm zu. Ulf löste seinen Streitkolben vom Gürtel und lief hinter den Urben. Mit voller Wucht schlug er den Schaft der Waffe in die Kniekehlen des Mannes.

      Der Schmerz durchzuckte Narthas und ließ ihn unfreiwillig auf die Knie sinken. Er wollte sich gerade wieder aufrichten, als er einen schweren Schlag im Rücken spürte, den Ulf mit dem Ellenbogen ausgeführt hatte. Von der Wucht des Schlages wurde er zu Boden geworfen. Er spürte wie Ulf seinen Stiefel auf seinen eigenen Kopf setzte und ihn so am Boden hielt. Celan lächelte.

      „Das reicht Ulf.“, sagte er und der Angesprochene ließ von Narthas ab und stellte sich neben seinen Herzog.

      „Ich bin Celan von Tandor, Herzog von Tandor und Ritter Valoriens.“, begann Celan dann zu reden. „Wie ist dein Name, Urbe?“

      Narthas blickte auf. Er war noch immer auf den Knien, entschied sich aber, nicht aufzustehen. Ganz davon abgesehen, dass es mit dem noch immer starken Schmerz in seinen Kniekehlen nur schwer möglich sein würde.

      „Mein Name ist Narthas, Sohn von Ikran.“

      „Narthas, Sohn von Ikran, dein Volk ist besiegt, durch mich. Deine Männer sind tot oder in meiner Gefangenschaft. Der Terror, der durch deinen Vater über meine Heimat gebracht wurde, ist endgültig vorbei und dein Leben befindet sich in meiner Hand. Steh auf.“, sagte Celan und erhob sich selber aus seinem Thron.

      Narthas stand immer noch unter Schmerzen auf, jedoch gelang es ihm recht gut, diese zu verbergen.

      „Komm her“, sagte Celan, der wieder am Fenster stand und Narthas tat, wie ihm geheißen wurde. Die beiden Untergebenen des Herzogs flankierten noch immer den Thron, behielten aber den Gefangenen im Auge. Celan zeigte über die Gefangenen, die auf dem Platz vor der Burg versammelt waren.

      „Schau sie dir an. Dies sind deine Männer, alle in meiner Hand. Es sind bestimmt gute Männer, sehr gute bestimmt. Sie haben Familien, Frauen, Kinder, und sie befinden sich dort, gedemütigt in Gefangenschaft. Ich könnte sie mit einem kurzen Befehl alle töten lassen. Sag, Narthas, liegt dir etwas an dem Leben deiner Männer?“

      Celan schaute den Urben durchdringend an. Er versuchte in seinen Zügen dessen Gefühle wahrzunehmen, aber die Züge von Narthas blieben hart und verrieten keine Regung.

      „Dies alles sind meine Brüder.“, sagte Narthas ruhig mit seinem urbischen Akzent. „Was willst du von mir, Herzog Celan?“

      Celan lächelte. Er ließ sich auf ein Gespräch ein. Das war sehr gut. Offensichtlich überwog doch die Sorge um das eigene Leben und das Leben seiner Männer den Stolz des Urben.

      „Ich habe so oft gegen euch gekämpft und eure Kampfkraft ein ums andere Mal am eigenen Leib erfahren. Ich habe selten eine solch herausragende Kombination von Willen, Stolz und gemeisterter Kampftechnik gesehen, wie bei deinem Volk. Und nur zu gern möchte ich diese Waffe nicht gegen mich, sondern an meiner Seite wissen.“

      Narthas schaute Celan überrascht an. Das wollte er also. Er wollte sie weder alle exekutieren, noch wollte er sie in die Bergwerke schicken. Er wollte die Kampfkraft der Steppe unter sich wissen. Aber welches Ziel verfolgte er? Soweit Narthas wusste, gab es außer den Urben nur einen ernstzunehmenden Feind für Valorien, und das war ein im Süden angrenzendes Reich Namens Kargat. Wollte Celan die Urben, um gegen diesen Feind zu bestehen?

      Er dachte über den Vorschlag nach. Sie würden zwar nicht ganz frei sein, aber sie könnten reiten, kämpfen und wahrscheinlich auch plündern. Sie könnten in Schranken ein freies und ehrenvolles Leben führen und vielleicht könnte er eines Tages, wie sein Vater und seine Brüder, ehrenhaft im Kampf sterben.

      „Was sind eure Bedingungen, dass wir wieder reiten dürfen?“, fragte der Urbe Celan, auf dessen Gesicht sich ein triumphierendes Lächeln ausbreitete.

      „Ich wusste, dass ihr alles dem Tod in Gefangenschaft vorziehen würdet.“ Celan wandte sich wieder vom Fenster ab und setzte sich erneut in seinen Thron. Narthas folgte dem Herzog und stellte sich erneut vor ihn.

      „So hört meine Bedingungen, Narthas, Sohn des Ikran. Für dreißig Jahre wird dein Volk mir unmittelbar Untertan sein. Wenn ich zu den Waffen rufe, werdet ihr mir folgen. Wenn ich von euch eure besten Pferde verlange, so werdet ihr sie mir geben. Wenn ich vor euch trete, werdet ihr euch vor mir verneigen.“

      Narthas nickte. Eine Knechtschaft für dreißig Jahre. Natürlich würde dies wohl sein gesamtes Leben bedeuten, doch würden seine Söhne wieder frei sein. Und es ging auch um seine Männer. Alle würden qualvoll in den Mienen zu Grunde gehen, anstatt mit erhobenem Haupt im Kampf unterzugehen. Um für die Ewigkeit mit den Geistern der Steppe zu reiten. Auch ihre Familien würden ohne Schutz der Männer in den Steppen sterben, dessen war er sich sicher. Und dennoch wollte er noch nicht daran glauben, dass die Freiheit wohl so nah war. Nein, das konnte noch nicht alles sein. So niedrige Forderungen würde ein Mann wie Herzog Celan, der alles gewonnen hatte, nie stellen.

      „Nach Ablauf dieser dreißig Jahre“, fuhr der Herzog fort, „soll jeder zweitgeborene Sohn der Urben bei Erreichen seines fünfzehnten Lebensjahres für zwanzig Jahre im tandorischen Heer seine Pflicht tun, zur Tilgung der Blutschuld eures Volkes. Diese Pflicht gilt von jenem Tage an für immer dar.“

      Narthas musste schlucken. Das war also die Einschränkung, die Celan im Sinn hatte. Für immer würden urbische Söhne gestohlen werden, um den Herzogen von Tandor und den Königen von Valorien zu dienen. Das waren ein schwerer Schlag und eine schwere Demütigung.

      „Des Weiteren wird dein Weib und weitere zwanzig Weiber von Stammesführern oder großen Kriegern mit ihren Kindern nach Tandor gebracht, um als Pfand für eure Treue zu dienen. Solltest ihr die Bedingungen nicht akzeptieren, oder sollte die Treue gebrochen werden, so werden nicht nur die hier versammelten Männer sterben, sondern der Zorn Tandors wird dein gesamtes Volk treffen und ich werde nicht ruhen, bis ich nicht dem Letzten deines Volkes den Kopf vom Haupt geschlagen habe.“

      Die letzten Sätze hatte Celan mit einer bedrohlich entschlossenen Stimme vorgetragen. Narthas schaute den Herzog an, doch dessen Gesicht blieb hart. Dieser Mann würde keine leeren Drohungen aussprechen, dessen war sich Narthas sicher. Die Forderungen jedoch waren ungeheuerlich. Aber konnte Narthas ablehnen? Die besten und edelsten Krieger waren an der letzten Schlacht beteiligt gewesen. Es war niemand