J.D. David

Mondschein


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Lage seines Landes.

      Isabel fasste sich als erstes wieder. „Ludwig, wusstest du davon, dass die Lage hier so schlimm ist?“

      Der Herzogssohn schüttelte den Kopf. „Natürlich wusste ich von den Schwierigkeiten der letzten Jahre, aber dass es Teils so dramatisch sein soll. Dieses Dorf scheint wirklich vom Pech verfolgt.“ Isabel blickte zu dem kleinen Mädchen, das noch immer an der Tür stand und winkte es zu sich. Zaghaft ging die Tochter des Wirtes zu der Adeligen.

      „Wie heißt du, meine Kleine?“ fragte Isabel. Diese sagte erst leise etwas, was aber kaum zu verstehen war und wiederholte das dann noch mal etwas lauter.

      „Isabel“, sagte sie zaghaft und auf dem Gesicht von Isabel von Andtweil legte sich ein freundliches Lächeln.

      „So wie ich. Das ist wirklich schön. Hier“, sagte sie und reichte dem kleinen Mädchen ein Silberstück. „Nimm das und kauf dir und deinen Freundinnen etwas Schönes davon. Du musst mir aber versprechen, dass du es teilst.“

      Die kleine Isabel strahlte vor Lächeln, brachte aber kein Wort hinaus bis ihr Vater sie scharf ansah.

      „Dankeschön, edle Dame“, sagte sie dann noch und verschwand dann auf ein Nicken ihres Vaters hin im hinteren Teil des Hauses. Dann wandte sich Isabel an Ludwig.

      „Ludwig, ich wünsche dass diese Menschen hier großzügig für ihre Dienste entlohnt werden. Ludger, von dir erwarte ich, dass du diese Zustände bei Herzog Richard meldest, wenn du wieder in Tjemin bist.“

      Lora bemerkte, dass die junge Adelige ohne Rücksicht auf Stand und Titel Befehle verteilte, die auch einfach dadurch akzeptiert wurden, dass Isabel eine natürliche Autorität ausstrahlte. Dadurch, dass sie sich offensichtlich um diese Menschen kümmerte, zeigte sie einfach etwas Gutes, das keinen Widerspruch duldete. Entsprechend quittierten die beiden Männer die Anweisungen auch nur mit einem Nicken, bevor man sich dann doch ans Essen begab.

      Einige Zeit war vergangen, seit sie gestärkt und mit frischer Kraft Gelnau verlassen hatten, als die Straße, der sie folgten, in einen Wald führte. Priovan musste unweigerlich an die Männer in Tjemin denken, die ihn verfolgt hatten.

      „Herr, meint Ihr nicht, dass dieser Wald ein guter Ort für einen Überfall wäre, der geplant war?“

      Geron nickte. „Das ist gut möglich. Allerdings hoffe ich, dass unsere große Eskorte Abschreckung genug ist. Immerhin schien es sich in Tjemin um gewöhnliche Strauchdiebe zu handeln. Da sollten wir auch jetzt keine mutigeren Räuber erwarten müssen.“

      „Dann hoffen wir, dass Ihr Recht habt.“

      „Ja, aber wir sollten dennoch auf der Hut sein. Ludger“, rief der Ritter den Hauptmann heran. „Du weißt doch auch von dem geplanten Überfall auf unsere Reisegruppe.“

      „Ja, ihre Gnaden hat es mir mitgeteilt.“

      „Gut, auch wenn es überall passieren könnte, wäre es gut, wenn deine Männer in diesem Wald die Augen ein bisschen offen halten. Er ist doch besser für einen Hinterhalt geeignet als die flachen Auen und Felder, auf denen wir bisher gereist sind.“

      „Ich werde meine Männer entsprechend instruieren. Sollen wir dann nicht die Vorhut übernehmen?“

      Geron winkte ab. „Nein, danke für das Angebot, aber ich werde weiter voran reiten. Und mein Knappe wird gerne an meiner Seite bleiben.“

      Man sah Ludger an, dass er nicht wirklich überzeugt war, Geron und Priovan in dieser gefährlicheren Position zu belassen. Er legte seine Stirn kurz in Falten, die durch die dunkelbraunen Haare, die kurz soldatisch geschnitten waren, noch besorgter wirkte. Dennoch fügte er sich mit einer leichten Verbeugung Gerons Anordnungen und ließ sich zurück fallen, um seinen Soldaten die Befehle zu geben und sie zu besonderer Wachsamkeit zu mahnen.

      Lora schaute aus dem Fenster, als sie in den Wald hinein fuhren. Ludwig hatte die Augen wieder geschlossen, jedoch konnte Lora nicht wirklich erkennen, ob er schlief oder sich einfach nur so ein bisschen ausruhte. Dennoch wagte sie es, Isabel leise auf die Vorfälle in Gelnau anzusprechen.

      „Vorhin, in der Taverne“, sagte sie so leise, dass Ludwig es wohl auch wenn er wach war nicht hören konnte. „Da hast du es den Männern aber gezeigt.“

      Isabel lächelte freundlich und antwortete ebenso leise. „Auch eine Frau muss sich durchzusetzen wissen. Du musst einfach mit deinem Charme spielen. Und du musst klar machen, dass du keinerlei Widerspruch duldest.“

      Lora nickte. „Wieso war es dir so wichtig, den Menschen in Gelnau zu helfen?“

      Isabel zuckte mit den Schultern. „Ich hielt es einfach für richtig. Die Adeligen haben Verpflichtungen gegenüber ihren Untertanen. ‚Adel verpflichtet’ hat mein Vater immer gesagt, und so ist es auch. Nur muss man das manchen Herrschaften öfter mal ins Gedächtnis rufen.“

      „Herrschaften wie Ludwig?“

      „Nein, Ludwig ist im Grunde genommen ein sehr guter Mensch. Er scheint mir manchmal etwas abwesend und ist auch sonst glaube ich mit den Gedanken öfter bei seiner Kunst und seinen Schriften als sonst irgendwo anders, aber dennoch ist er ein guter Mensch. Es gibt andere Adelige, denen das viel öfter gesagt werden müsste.“

      Lora war beeindruckt von der Willensstärke Isabels, die, obwohl sie eigentlich keinen Titel innehatte, ohne zu Zögern Adelige höheren Standes zurechtwies. Gerade wollte sie weiter nachfragen, als die Kutsche ruckartig zum Stehen kam.

      Gerons Pferd scheute, als ein großer Baumstamm auf den Weg stürzte. Nur mit Mühe konnte er sich im Sattel halten. Seinem Knappen erging es dabei nicht so gut. Als sein Pferd sich aufbäumte verlor er das Gleichgewicht und fiel auf den Waldboden. Nach einem kurzen Moment der Orientierungslosigkeit rappelte er sich aber schnell wieder auf. Geron blickte sich um, um die genaue Gefahr zu lokalisieren.

      Überall aus dem Wald kamen abgerissene Gestalten mit verschiedenen Waffen auf die Gruppe zu. Geron merkte auch, dass hinter ihnen ebenfalls ein Baumstamm die Straße und damit den Rückweg versperrte. Obwohl es bestimmt zwanzig bis dreißig Banditen waren, wirkten sie nicht wirklich wie ebenbürtige Gegner. Keiner hatte eine Rüstung, die diesen Namen verdiente, nur wenige hatten Waffen aus Metall und zudem wirkten die meisten ausgemergelt und kraftlos.

      Nach dem ersten Schock der Überraschung sammelten sich Männer des Herzogs bereits wieder und bildeten um die Kutsche einen Kreis.

      „Priovan, lauf zur Kutsche“, befahl Geron seinem Knappen, der dies auch direkt tat. Er selbst zog sein Schwert aus dem Gürtel und ritt zu den anderen Soldaten. Die Banditen kamen nur langsam aus dem Wald. Sie schienen unsicher. Und dennoch wirkten sie entschlossen, den Überfall durchzuführen. Die Soldaten waren außerordentlich diszipliniert. Keiner ließ sich durch die Banditen provozieren, alle blieben nah bei der Kutsche um ihre Aufgabe, den Schutz von Ludwig und Isabel, zu erfüllen.

      Ein etwas größerer Mann mit einer zweihändig geführten Axt trat auf den vorderen Baumstamm. Er strahlte eine größere Sicherheit als seine Männer aus.

      „Ihr seid umzingelt. Gebt uns alles von Wert, Schmuck, Geld, Waffen, dann werden meine Männer euch verschonen.“

      Geron konnte diese Aufforderung nur ein müdes Lächeln abgewinnen. Bei den Banditen erkannte man nur zu deutlich, dass sie aus Verzweiflung vom Pfad der Tugend abgekommen waren. Aber dass sie so verzweifelt waren, dass sie eine schwer bewaffnete Eskorte angriffen, das war schon ein starkes Stück. Dieser Anführer schien von einem anderen Kaliber. Dennoch traute Geron es ihm gut zu, schnell das Weite zu ergreifen, wenn sein Plan der Drohung nicht funktionieren würde. Eher würde er seine Männer sterben lassen.

      „Verschwindet und macht den Weg frei, dann könnt ihr diesen Abend noch erleben. Wir haben es eilig und keine Zeit uns mit euch Strauchdieben herumzuschlagen“, entgegnete ihm Geron und ließ sein Pferd ein Stück auf den Anführer zureiten. Aus den Augenwinkeln erkannte er einige Bogenschützen in den Wäldern. Er war auf der Hut. Die anderen Soldaten blieben weiterhin bei der Kutsche.

      „Wir sind in der deutlichen Überzahl“,