Christian Leukermoser

Purgatory - Wiedergeburt


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in die man einen Menschen hineingezwängt hatte. Sie waren breit, schwer und langsam, dafür auch stark gepanzert, besaßen einen eigenen Energieschild und sicherten das Überleben in so gut wie jeder Umgebung.

      Auf Aaliyahs Brust prangte ein großer, weißer Stern, der sich von der dunkelgrauen Grundfarbe des Anzuges abhob.

      Es war immer wieder schwierig, in das Exoskelett hineinzukommen. Motoren verstärkten ihre Bewegungen, ermöglichten weite und hohe Sprünge, oder auch schnelle Sprints.

      Der Kampfanzug war außerdem mit Düsen ausgestattet, die kurze Flüge möglich machten und nach dem Abwurf in der oberen Atmosphäre den Fall auf ein Maß bremsten, dass der Träger den Aufprall unbeschadet überstand.

      »Auf gehts, machen wir uns nützlich«, sagte Dearing in ihr Mikrofon und wusste, dass jeder um sie herum es hören könnte.

      »Aye«, scholl es zurück.

      Der Einstieg in die Ladeluke des Shuttles war mit den schweren Anzügen ein Geduldsspiel. Sie wurden in die Halterungen eingeklinkt und verbanden sich mit dem System des kleinen Schiffes. Nach einigen Minuten war das Prozedere erledigt.

      Die Luke schloss sich und Dunkelheit umfing die Soldaten. Doch nur kurz, ehe kaltes Licht aufflackerte, das die Farbe und Helligkeit der zu erwartenden Umgebung simulierte.

      Vom Start und Flug bekamen sie nichts mit. Nur Dearing wusste ungefähr, wo sie sich befanden, da sie im Funk der Piloten mithörte. Deshalb überraschte sie auch nicht das Signal zum Abwurf.

      Das schrille Piepen, gefolgt vom blinkenden Rotlicht signalisierte eine Minute bis zum Einsatz. Beim zweiten Ton waren es noch zehn Sekunden.

      Aaliyah Dearing verschränkte die Hände vor der Brust, wie sie es während der Ausbildung gelernt hatte. Ein leises Zischen war zu hören, als die Atemluft aus dem Raum abgesaugt und die Verbindung mit dem Schiff getrennt wurde.

      Der Boden unter ihnen öffnete sich. Von der Oberfläche war noch nichts zu erkennen. Als die Klappen völlig geöffnet waren, hörten sie ein metallisches Klicken. Doch als der Kopf das wahrgenommen hatte, befanden sie sich bereits im freien Fall durch die dünne Atmosphäre.

      Die Anzüge steuerten automatisch die Landezone an und korrigierten den Sturz wenn notwendig.

      Rasend schnell kam die helle Mondoberfläche näher. Sie bestand aus Eis, das wusste Dearing noch aus der Missionsbesprechung. Das Ziel lag allerdings in einem felsigen Gebiet. Hier hatte sich ein fremder Himmelskörper in den Eispanzer gebohrt und dessen Bodenschätze wurden von der Mine ausgebeutet.

      Es gab eine kleine Kuppel, in der sich eine Farm zur Versorgung, sowie die Wohnhäuser der Arbeiter befanden. Während ihrer Schichten befanden sie sich alleine dort. Die Familien wohnten in der Kolonie, auf der anderen Seite des Mondes.

      Kurz hatte Aaliyah das Sicherungsfeld der Siedlung gesehen, ehe sie hinter dem Horizont verschwunden war. Hier lebten beinahe 20.000 Menschen. Sie arbeiteten in Werften, im Bergbau oder verdienten sich als Techniker auf den Stationen im Zwischenraum. Sie befanden sich nun in der Gewalt der Mendraner.

      Ein Ruck ging durch den Anzug, als die Düsen zündeten und ihn abbremsten. Augenblicke später schlug Aaliyah Dearing auf einer großen Fläche aus gehärtetem Spezialbeton auf, die man für Raumschiffstarts und Landungen angelegt hatte.

      Hier unter der allumspannenden Energiekuppel gab es eine atembare Atmosphäre und angenehme Temperaturen. Doch gegen Beschuss oder Ähnliches bot sie keinen Schutz.

      Aus der knienden Position, die der Kampfanzug automatisch einnahm, wenn er aufschlug, richtete sie sich auf und griff über die Schulter zum Rückentornister. Obwohl es möglich gewesen wäre, würde Aaliyah den Helm vorerst nicht öffnen. Es war zu gefährlich.

      Die sich nähernde Hand öffnete eine Klappe und das schwere Sturmgewehr hob sich etwas hervor, sodass Aaliyah es besser greifen konnte. Sie zog es heraus und schob die mechanische Verriegelung zur Seite. Das Gewehr war nun scharf.

      Auf ihre Berührung hin würde sie einen Gegner mit Kugeln eindecken, die von den Elektromagneten so stark beschleunigt wurden, dass sie Mündungsgeschwindigkeit konventioneller Rohrwaffen von zwei Kilometern pro Sekunde quasi pulverisierten. Bis zu 30 Kilometer pro Sekunde erreichten diese Waffen, was den Projektilen extreme Durchschlagskraft gab.

      Um sie herum schlugen ihre Kameraden auf. Die Männer und Frauen waren die Besten, die sie hatte finden können. Auf jeden davon konnte sie sich verlassen. Jedem würde sie ihr Leben anvertrauen.

      Am Ende der Landepiste gab es einen breiten Steg, der zu einem großen Tor führte, das den Zugang in das graue Felsgestein ermöglichte. Aaliyah setzte sich in Bewegung und ihre Soldaten folgten ihr. Sie hatten die Landezone noch nicht gesichert, als sich das Tor öffnete.

      Es erschienen mehrere dunkle Umrisse und Augenblicke später surrten Geschosse durch die Luft.

      »Deckung«, rief Dearing, deren Schild gleich von mehreren Schüssen getroffen wurde und aufleuchtete.

      Sie sprang, soweit sie konnte, und eröffnete noch im Flug das Feuer auf die Verteidiger. Sofort fielen zwei getroffen zu Boden, während sich der Rest zurückzog und das Tor verriegelte. Das Gefecht hatte nur Augenblicke gedauert, allerdings war der Feind nun gewarnt.

      »Scheiße. Die waren völlig überrascht. Hatten noch nicht einmal Schilde aktiviert und trugen keine Kampfanzüge«, meinte Vega und stapfte an ihr vorüber.

      »Dafür wissen sie jetzt, dass wir hier sind. Also los, Tür aufmachen, wir gehen rein«, befahl Aaliyah Dearing.

      Zwei Soldaten hetzten an ihr vorbei und versuchten, die Tür zu öffnen. Doch die Elektronik war verriegelt. Sie zu hacken würde einige Zeit dauern. Dearing blickte auf die Uhr ihres Anzuges. Sie lagen bereits jetzt eine Minute hinter dem Zeitplan.

      »Scheiße«, fluchte sie, »Aufsprengen.«

      »Aye«, antwortete Claudia di Stefano und stürmte mit stampfenden Schritten an ihnen vorüber zur Tür.

      Sie war die Sprengstoffspezialistin und würde das Tor in zehn Sekunden geöffnet haben.

      Der dumpfe Knall ließ Aaliyah Dearing kurz zusammenzucken, ehe sie die Waffe nach vorne richtete und wartete, während sich die Flügel des Tores langsam öffneten.

      Schüsse peitschten. Die Soldaten feuerten zurück. Aaliyah rückte vor. Kugeln trafen den Energieschild, aber bislang prallten sie an ihr ab, als würde der Feind mit Kieselsteinen werfen. Doch sie musste aufpassen. Der Schild würde schwächer werden und irgendwann überlasten. Dann war sie so gut wie ungeschützt.

      Auf dem Boden lag eine Leiche. Ein Mendraner. Seine Zunge hing zwischen den vier dominanten Reißzähnen seines Mauls hervor und hatte sich blau verfärbt. Das katzenartige Gesicht, mit den eng anliegenden, langen Ohren war fahl. Die Mendraner wirkten wirklich wie Katzen, die gelernt hatten, aufrecht zu gehen. Abgesehen davon, dass ihnen der Schwanz fehlte, war sonst alles da.

      Die Körper waren von einem Fell überzogen, dessen Farb- und Mustervielfalt denen der irdischen Felidae entsprach. Doch das war nur äußerlich. Sie ähnelten Menschen mehr, als man ihnen auf den ersten Blick ansah. So war der Körperbau sehr ähnlich und auch die Lebensdaten wie erreichbares Alter, Größe oder Gewicht waren beinahe gleich. Sie benötigten eine vergleichbare Luftzusammensetzung und ihre lebenswichtigen Organe befanden sich an den selben Stellen wie bei Menschen.

      Aaliyah hatte sich intensiv mit dem Gegner beschäftig. Auf dem Mars war solches Wissen Gold wert gewesen. So hatte sie auch gelernt, die Sprache des Feindes zu verstehen und seine Computersysteme zu benutzen.

      Eine laute Explosion riss sie aus ihren Gedanken und von den Füßen. Der Anzug gab einen Warnton von sich, während sie auf dem Boden aufschlug. Die Anzeige des Energieschildes blinkte. Es war ausgefallen.

      Im Funk war plötzlich die Hölle los. Sie hörte Schreie und Flüche, doch was geschah, konnte sie nicht erahnen.

      Sofort kam Aaliyah wieder auf die Beine und konnte eine Rakete erkennen, die über sie hinweg zischte und irgendwo hinter ihr