Jörn Holtz

Paradies am Teich


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hatte er. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit erwachte er nicht aus einem seiner schrecklichen Alpträume. Und auch wenn sein rechter Arm kribbelte, weil sie ihn in den vergangenen Stunden als Kissen missbraucht hatte, fühlte er sich großartig. „Ja, das habe ich und ich hoffe, du auch?“, murmelte er daraufhin zufrieden.

      „Mm, weitestgehend, da ich glaube, dass ich tierisch geschnarcht habe. Heilige Göttin, habe ich einen trockenen Mund!“, schnalzte sie zur Bestätigung kurz mit ihrer Zunge, ehe sie ihn fragend ansah: „Und wie ist es: Kommst du nun eigentlich mit?“.

      „Ähm sicher, wenn du mir noch einmal verrätst, wohin?“, erwiderte er ihren fragenden Blick.

      „Oh, dann habe ich dich wohl noch gar nicht gefragt!“, gluckste sie. „Okay, also heute ist doch Beltane und das Feiern ein paar Freunde von mir oben in der Siedlung, wie jedes Jahr. Denn zu Beltane ist es Tradition ein Maibaum zu richten. Um den wird dann getanzt und man kann schon einmal anbändeln oder seine Liebe öffentlich machen, wenn man will, bevor musiziert und kräftig gefeiert wird. Das ist immer voll lustig, du wirst schon sehen! Und, wie hört sich das an?“, strahlte sie ihn an, wobei sie ihm sanft übers Gesicht strich.

      „Hm?“, zuckte er kurz zusammen, da er mit ihrer selbstverständlichen Körperlichkeit noch immer etwas fremdelte. „Ja, warum eigentlich nicht!“, stammelte er daraufhin irritiert, bevor er sich räusperte, um seine Stimme wieder unter Kontrolle zu bringen. „Na ja, ich habe ja eh gerade nichts Besseres vor“, sagte er dann, wobei er ebenfalls lächelte.

      „Klasse! Okay, dann sollten wir langsam aufbrechen. Außerdem muss ich dringend mal Pippi!“, befreite sie sich aus seinem Arm und krabbelte aus dem Schlafsack.

      „Ey, ey Madam!“, folgte er ihr kurz darauf. Seine nächste Frage, wie sie zu Sophias Freunden hinkommen, beantwortete sich jedoch dadurch, dass er über einen Jethelm stolperte, kaum dass er aufgestanden war. „Oh, du fährst Motorrad?“, musterte er Sophia erstaunt, die sich ein paar Meter weiter einfach hingehockt hatte.

      „Besser noch, ich habe eine Vespa!“, sah sie stolz zu ihm hoch.

      „Okay, na dann?“, grübelte er laut, wobei er sehnsüchtig an seine geliebte Chopper dachte, die bestimmt im Stall seiner Eltern langsam Rost ansetzte, ehe er sich umsah, wo er sich ebenfalls erleichtern konnte.

      Als Ole in die kleine Siedlung zurückkehrte, sah er, dass dort schon emsiges Treiben herrschte. Mitten auf der großen Wiese, neben dem Weiher, lag die mächtige Krone, sowie der dazugehörige bunt bemalte Maibaum im Gras, den die Männer aus der Siedlung gestern Abend aufgearbeitet hatten, und einige dieser Männer waren gerade damit beschäftigt Seile und bunte Bänder an der Krone zu befestigen, während im Schatten der alten Bäume Tische aufgestellt und eingedeckt wurden.

      Nachdem er ein paar Bekannten zugewunken und er seine Beinmuskulatur gedehnt hatte, ging er mit einem mulmigen Gefühl in ihr Haus, um zu duschen.

      Denn Annes Verhalten am heutigen Morgen wurmte ihn noch immer, da er selbst nach gründlicher Überlegung sich sicher war, gegen keine ihrer Regeln verstoßen zu haben. Diese Regeln sind in polyamoren Beziehungen elementar und sollten von allen, die so leben wollen, akzeptiert und jederzeit respektiert werden, da die schwierigste Herausforderung in dieser Beziehungsform die Verliebtheit selbst ist. Deshalb wird ein Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen man andere Liebhaber haben darf, damit kein anderer fester Partner sich zurückgesetzt fühlt oder unbeabsichtigt verletzt wird.

      Ihren Rahmen hatten sie schon auf der Fahrt hierher abgesprochen und besteht in wesentlichen aus 4 Regeln:

       1. Man ist immer ehrlich zueinander und erzählt sich alles.

       2. Man gibt einander Sicherheit, indem die Mitglieder ihrer Triade immer an erster Stelle stehen.

       3. Jedes Mitglied der Triade hat das Recht sein Veto einzulegen, was die Liebschaften der anderen zu Personen außerhalb der Triade betrifft und dieses Veto ist bindend.

       4. Der Schutz der Gesundheit der Mitglieder der Triade steht ebenfalls immer an erster Stelle.

      Und gegen keine dieser Regeln hatte er zu irgendeinen Zeitpunkt verstoßen. Zudem hatte Anne zuvor noch nie ernsthafte Einwände vorgetragen, wenn es um seine Beziehung zu Angela ging, selbst als sie zu dritt darüber gesprochen hatten, und er selbst hatte Anne noch nie vernachlässigt und war ehrlich zu ihr. Außerdem war er lediglich fasziniert von Angelas vielschichtiger Persönlichkeit und dies nicht nur in sexueller Hinsicht. Dennoch war es wohl an der Zeit dieses Thema noch einmal anzusprechen, wenn alle Beteiligten zusammen waren. Auch wenn die Möglichkeit bestand, dass Anne nun doch ihr Veto einlegte, was sein sexuelles Verhältnis mit Angela betraf, doch daran mochte er nicht glauben.

      Auf zwei der Beteiligten stieß er im nächsten Augenblick, als er die Badezimmertür öffnete. Denn einträchtig standen dort Lotta und ihre Nichte nebeneinander, während sie sich die Beine rasierten.

      „Oh, guten Morgen Ole!“, strahlte Lotta ihn zuerst an, bevor sich ihr Blick ins Kritische wandelte. „Was schaust du denn an einem so schönen Tag, so düster drein?“

      „Ich, wieso?“, brummte er überrascht, während er erfolglos versuchte natürlich zu lächeln. „Hm, eigentlich hast du ja Recht, heute ist ein viel zu schöner Tag, um düster dreinzublicken“, besann er sich dann eines besseren, während er hinter sie trat und ihren Nacken küsste.

      „Na, dann ist ja gut! Ich hatte schon Angst, dass du wegen unserer Verbindung haderst, da wir dich nicht vorher miteinbezogen haben“, lächelte sie ihn erleichtert an, während sie ihr rechtes Bein vom Wannenrand nahm und sich zu ihm umdrehte.

      „Ähm, was?“, sah er sie fragend an. „Und welche Verbindung genau sollte mir denn nicht passen?“

      „Oh, dann hat Anne es dir also noch gar nicht erzählt, das ist ja komisch?“, erwiderte sie seinen fragenden Blick, wobei sie sichtlich stutzte. „Also gut, dann erzähle ich es dir halt. Heute bei Sonnenaufgang sind wir eine Handfasting eingegangen, die wir später natürlich auch mit dir eingehen wollen“, strahlte sie ihn auffordernd an, wobei sie sich fragte, warum Anne es ihm nicht erzählt hatte.

      „Eine was?“, kratzte Ole sich währenddessen fragend am Kopf.

      „Na, wir haben unsere Liebe öffentlich gemacht, indem wir einen heiligen Bund eingegangen sind“, strahlte sie zwar noch immer, jedoch wuchs in ihr eine innere Unruhe heran, weil sie nicht verstand, was mit Anne auf einmal los war.

      „Was, ihr habt geheiratet und nun soll ich euch ebenfalls…, und zwar euch beide?“, verstand Ole gar nichts mehr. Denn noch zu deutlich klang Annes letzter Satz in seinen Ohren, der so gar nicht zu dieser Offerte passen wollte. Darum fügte er ausweichend hinzu: „Aber, ich dachte diese letzte Form, der legalen Sklaverei lehnt ihr kategorisch ab, da die Ehe nur eine Erfindung der Kirche sei, um seine Untertanen zu knebeln. Außerdem ist Bigamie doch bestimmt auch in katholischen Spanien verboten“, sprudelte es aus ihm heraus.

      „Oh, das hätte gut von Opa stammen können!“, mischte sich daraufhin Angela amüsiert in ihr Gespräch ein. „Außer dass du da etwas durcheinanderbringst, da eine Handfasting gar nichts mit der kirchlichen Trauung zu tun hat!“, lachte sie kurz auf. „Ganz im Gegenteil, bis die blöde Kirche sich da auch noch eingemischt hat, haben die meisten Paare auf diese Art ihre Liebe bekundet, wenn auch nicht: Bis der Tod einander scheidet, wie es später der olle Klerus vorgab, sondern nur so lange, bis irgendeiner der Beteiligten die Verbindung oder den Knoten löste, aus welchen Gründen auch immer. Oder so wie Anne und Tia es sich heute Nacht versprochen haben, erst einmal für ein Jahr und einen Tag“, trat sie auf Lotta und Ole zu und umarmte beide, um ihre Zustimmung zu ihrer Vereinigung zu bekunden.

      „Danke, das hast du sehr gut erklärt. Also mi querido, wie sieht es nun bei dir aus: Stimmst du unserer Verbindung zu und wirst du diese ebenfalls mit uns eingehen?“, sah Lotta sichtlich unsicher zu Ole hoch.

      „Sicher, das werde ich gerne tun, wenn ihr beide es auch wollt. Ich liebe euch doch vom ganzen Herzen!“, gab er ihr zustimmend einen Kuss auf die Stirn.

      Mit