Jörn Holtz

Paradies am Teich


Скачать книгу

dann mit einem Mal verstummten die Trommeln und die Frauen stellten sich in zwei Halbkreise vor den kleinen brennenden Holzhaufen auf.

      Die ihm zugewandten Frauen nahmen kurze Zeit später, jeweils einen von mehreren identisch aussehenden Beuteln von einer Frau entgegen, die Martin auch ohne Fernglas und Verkleidung erkannte, handelte es sich doch wieder einmal um Roswita.

      Als alle ihren Beutel öffneten, griff Martin neugierig erneut zum Feldstecher. Konzentriert scannte er dieses Mal bewusst nur die Hände der Damen ab und so erkannte er, dass die Beutel lediglich eine Scheibe Brot enthielten.

      Ein wenig enttäuscht, wollte er gerade das Fernglas zur Seite legen, da trat Anne vor, deren Brotscheibe ein wenig dunkler war als die der anderen. In ihrem Gesicht erkannte er, das sie irritiert war, als sie von Roswita ein Haarband entgegennahm, mit dem sie sich die Haare sorgsam zusammenband.

      Derweilen ergriff Roswita ihren Dolch mit dem sie zuerst in Richtung des kleinen, brennenden Holzstapels deutete, bevor sie ihren Arm erhob und mit dem Dolch irgendetwas in die Luft zu schreiben schien.

      Daraufhin rannte Anne los.

      Erschrocken hielt Martin die Luft an, bevor er vernehmlich zischte: „Nee, sie wird doch nicht…!“.

      Währenddessen erwischte die Jugendfreundin seiner Schwester einen guten Absprung und sprang mit einem gewaltigen Satz über die brennenden Hölzer. Jubelnd und frenetisch kreischend, wurde sie von den Frauen auf der anderen Seite empfangen und begrüßt.

      Danach trat Anne ein Stück zur Seite und die Beutel wurden erneut von Roswita verteilt. So wiederholte sich diese Szene abwechselnd auf beiden Seiten, bis alle Frauen über das Feuer gesprungen waren.

      Als die Letzte gesprungen war, nahmen sich alle an den Händen und tanzten um den großen Holzhaufen herum, während sie enthusiastisch ein Lied sangen.

      Unterdessen wartete Martin gespannt darauf, was als Nächstes geschieht, wobei er die dunkle Vorahnung hatte, dass sich das ganze Schauspiel bei dem großen Holzhaufen wiederholen wird.

      Und tatsächlich, auf einmal teilten sich die Damen erneut in zwei Halbkreise auf und die junge Dame des Nordens, aus dem Eingangsritual, löste sich von den anderen.

      Mit stockendem Atem griff Martin erneut zum Fernglas und so konnte er deutlich erkennen, wie sie eine Art Trampolin mit etwas Abstand zum Feuer platzierte. Dann lief sie zurück und rannte auf das Trampolin zu, ehe ihr Körper in einem hohen Bogen emporstieg. Diese Bewegung mündete in einem Salto überm Feuer, bevor sie mit federnd weichem Knie perfekt auf der anderen Seite landete.

      Dort hoben sie ein paar Damen auf die Schultern und trugen sie so ums Feuer, wobei der allgemeine Jubel keine Grenzen mehr kannte. Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, rannte sie unvermittelt Anne entgegen und sprang ihr rittlings um die Hüften.

      Überrascht stockte Martin der Atem, als er sah, wie sie sich wild und ausdauernd küssten, nachdem sich die beiden etwas zugeflüstert hatten, dass sie dann den Anwesenden feierlich mitteilten.

      ‚Wie jetzt! Anne und die Frau des Nordens?‘, senkte er fragend sein Fernglas, als er versuchte diese überraschende Information zu verarbeiten. Dabei bemühte er sich den Gedanken zur Seite wegzuschieben, was Anne und seine Schwester wohl so alles getrieben hatten, als sie, wie so oft, bei ihnen früher übernachtet hatte. So konzentrierte er sich lieber wieder darauf, was unter ihm vor sich ging.

      Nach einer kurzen Konzentrationsphase nahm Anne selbst Anlauf, bevor sie ebenfalls mit einem gewaltigen Satz über das Feuer sprang. Allerdings war ihre Landung bei weitem nicht so elegant, wie die ihrer Vorgängerin, sondern glich mehr einer Judorolle. Doch sprang sie sofort auf und rannte jubelnd und mit erhobenen Armen zu dem steinernen Tisch, wo Roswita und Lotta schon auf sie warteten. Vor Freude strahlend ergriff sie Lottas hingehaltene rechte Hand, während sie rote Flecken am Hals bekam.

      Roswita nahm unterdessen einen dicken Stift in die Hand und schrieb damit etwas auf ein rotes Tuch, dass eine Art Acht in der Mitte hatte. Nachdem sie den Stift zur Seite gelegt hatte, knüpfte sie bedächtig einen leichten Knoten in das Tuch und legte es feierlich über die Hände der beiden. Danach ergriff sie erneut ihre Athame mit der rechten Hand und schrieb damit lächelnd ein Zeichen in die Luft, woraufhin die beiden ihre andere Hand zu einem Schwur erhoben.

      Lächelnd und mit einem Nicken quittierte Roswita dies, bevor sie etwas sagte, dass die beiden andächtig wiederholten, während sie sich gegenseitig in die Augen sahen.

      Doch so sehr Martin sich auch anstrengte, verstand er kein Wort von dem, was gesagt wurde. Jedoch konnte er deutlich erkennen, wie die beiden sich hinterher erneut leidenschaftlich küssten, bevor jede mit der linken Hand ein Ende des Tuches ergriff.

      Als beide gleichzeitig an dem Tuch zogen, zog sich der lockere Knoten zusammen, wobei Anne Lotta zu sich hinzog, und sie umarmte. Gut sichtbar und so wie eine Trophäe hielten sie dann das Tuch stolz in die Höhe, woraufhin die anderen Damen laut aufjubelten, bevor sie das frisch verbundene Paar einzeln beglückwünschten. Danach nahmen sich Anne und Lotta an die Hand und liefen den Strand hinunter sowie aus Martins Sichtfeld.

      Was dann folgte, war nicht mehr so spannend aus Martins Sicht, außer dass einige Damen die Stallleuchten holten, um die darin befindlichen roten Kerzen am kleinen Feuer anzuzünden, bevor sie diese zu den Tischen zurücktrugen.

      Dort begangen sie ausgiebig zu essen und zu plaudern. Danach wurde aufgeräumt, sich angekleidet und nach und nach löste sich die Versammlung auf, bis auf zwei Frauen, die zurückblieben, um die Feuer zu hüten.

      Daraufhin machte sich bei Martin eine bleierne Müdigkeit breit, so dass er es gerade noch schaffte, seine Isoliermatte auszurollen und in seinen Schlafsack zu schlüpfen, bevor er erschöpft von all den neuen Eindrücken einschlief.

      Provokative Reunion

      „Hast du mich vermisst?“, nahm Ole die zart in sein Ohr gehauchten Worte zuerst gar nicht richtig wahr, jedoch reichten sie aus, um ihn zu wecken. Ohne recht zu wissen, wo er war oder wer sonst noch anwesend war, rieb er sich verschlafen die Augen, bevor er seine Umwelt wahrnahm und erschrak.

      Denn, obwohl er von der hellen Sonne geblendet war, konnte er dennoch Angelas zierliche Silhouette erkennen, die vor ihm oder vielmehr rittlings auf ihm drauf hockte, während sie ihn mit ihren grau-grünen Augen anstrahlte.

      „Angela…, wo kommst du denn auf einmal her?“, kratzte er sich ungläubig am Kopf, während er sich mit dem Oberkörper etwas aufrichtete und sie verblüfft anstarrte. Als genau in diesem Moment ihr Lächeln jedoch für einen Moment verschwand, wurde ihm sofort unwohl zumute. Denn er ahnte, was gleich passieren würde, wenn sie ihn weiterhin so anschaute.

      Doch so, als ob sie es sich spontan anders überlegt hatte, lächelte sie ihn im nächsten Moment wieder an. „Ach du Dummerchen, das weißt du doch genau, oder was denkst du von mir?“, sagte sie gespielt erbost, während sie dabei wie selbstverständlich auf seiner allmorgendlichen Wasserstange unruhig hin und her rutschte, sowie als dessen Folge ebenfalls auf seiner übervollen Blase. Dabei verhakte sie sich kurz mit ihrem Nefertiti Piercing an seinem Hafada Piercing, welches er ihr und ihrer Tante Ronja zu verdanken hatte.

      Als sie ihn daraufhin schelmisch angrinste, wurde er sich der Tatsache erst bewusst, dass sie ebenso nackt war, wie er selbst, mal abgesehen von einem quer gelegten Laken, dass nur seine Nierengegend bedeckte.

      „Sicher weiß ich es noch, dass wir dich krankheitsbedingt in St. Tropez zurücklassen mussten. Doch wie es aussieht, geht es dir wieder gut und deine Wunden sehen ebenfalls gut verheilt aus. Das freut mich echt, nur sag mal Hübschen: Tut das Not, dass du kaum hier angekommen, Anne erneut herausforderst?“, sagte er, während er dabei ein wenig zurück rutschte, so dass Angela auf seinen Oberschenkeln zum Sitzen kam.

      „So, tue ich das? Soll das etwa bedeuten, dass ihr beiden wieder in ein monogames Verhaltensmuster zurückgefallen seid?“, lächelte sie ihn amüsiert fragend an.

      „Ja, das tust du und nein, sicher nicht!“, brummte er.