Jörn Holtz

Paradies am Teich


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um aus den Schatten ihres patriarchischen Vaters zu treten, welcher ihr zuvor das Leben sprichwörtlich zur Hölle gemacht hatte, nachdem er sie einmal mit ihrer besten Freundin im Bett erwischt hatte.

      Zudem zeigte Lotta ihnen, dass Liebe teilbar ist, was für sie eine befreiende Erfahrung war, da in dieser Beziehungsform keiner einen Ausschließlichkeitsanspruch auf den anderen hegt, weder auf dessen körperliche noch auf dessen geistige Liebe.

      Dies mag auf den ersten, durch westliche Sozialisation geprägten Blick abwegig, ja sogar ein wenig unmoralisch klingen, entpuppte sich aber für Ole und sie bei näherer Betrachtung als die natürlichere, wenn auch etwas kompliziertere Art des Zusammenlebens, bei der sie sich jedoch noch ab und zu ein wenig schwertat. Denn Polyamorie, wie diese Art des Zusammenlebens heißt, baut unter anderen auf der Erkenntnis auf, das Eifersucht nur ein Gefühl ist, das dadurch hervorgerufen wird, dass man zu wenig Aufmerksamkeit oder Anerkennung von seinem Partner bekommt.

      Ole hatte sie zwar noch nie mit zu wenig Aufmerksamkeit oder Anerkennung bedacht. Dennoch verflog ihre Euphorie schlagartig, als sie ihr gemeinsames Schlafzimmer betrat und Angela hüllenlos schlafend in seinem Arm vorfand.

      Überrascht blieb Anne noch im Türrahmen zum Schlafzimmer stehen, während sie argwöhnisch die Szene betrachtete, die sich ihr hier unverhofft bot.

      Eben noch vor Glück schwebend und sich mit allem verbunden fühlend, fühlte sie jetzt nur noch eine tiefsitzende Wut in sich. ‚Oh Ole, was macht sie nur mit dir?‘, zischte sie kopfschüttelnd, während sie allzu deutlich eine fast schon vergessene Szene vor ihrem inneren Auge sah, die sich vor ein paar Wochen in Süd-Frankreich abgespielt hatte. Und genauso verständnislos wie jetzt hatte sie ihn damals betrachtet, als er völlig entblößt und gefesselt unter einem eiskalten Duschstrahl stand, nachdem Angela ihn dort mit einem Weidenstock dominiert hatte.

      ‚Was hat sie nur, dass du dich so von ihr behandeln lässt und du sie dann noch so friedlich bei dir schlafen lässt?‘ betrachtete sie ihn verständnislos. Denn wenn sie an seiner Stelle wäre, hätte sie sich das nicht gefallen lassen und Angela ordentlich die Meinung wissen lassen. Danach hätte sie nie wieder ein Wort mit ihr gewechselt und sie nicht einmal mehr mit dem Arsch angeschaut. Doch stattdessen lagen sie innig ineinander verschlungen im Bett und schliefen friedlich beieinander, so als sei nichts gewesen.

      Damals, wie auch jetzt machte sie dies maßlos wütend. So musste sie sich regelrecht zusammennehmen, um Angela nicht stellvertretend für ihren hörigen Freund, an die Gurgel zu springen. Denn für sie stand außer Frage, dass Angela ihn quasi verhext haben musste. Ansonsten konnte sie es nicht akzeptieren, was sich hier gerade abspielte.

      Dabei wäre sie nur zu gerne an Angelas Stelle, um kurz seinen Herzschlag zu hören, seinen mittlerweile liebgewonnenen Geruch zu riechen, und um das leichte Heben und Senken seines Brustkorbes zu spüren. Dann hätte sie ihn sanft geweckt, ihn ebenso sanft geküsst und ihm von ihrer Handfasting erzählt, weil dieser öffentliche Bund mit Lotta sie so unendlich glücklich machte. Außerdem war sie neugierig auf seine Reaktion.

      Auf dem Weg hierher hatte sie sich alles ganz genau ausgemalt und diese Vorfreude hatte sie so berauscht, dass sie nicht anders konnte und den ganzen Weg hierher selig gelächelt hatte.

      Doch nun war es fraglich, ob es überhaupt noch eine Neuigkeit für ihn war. Aus Angst sich nicht länger beherrschen zu können, drehte sie sich um und wollte gerade in die Küche zurückgehen, wo Lotta sich bestimmt noch mit Leonora unterhielt, doch dann hielt sie plötzlich inne und lächelte. ‚Nein, das werde ich ganz sicher nicht tun!‘, nickte sie sich selbst zu, bevor sie mit entschlossenen Schritten vors Bett trat.

      Dort hob sie ihren rechten Arm über den Kopf und ließ diesen schwungvoll auf Angelas Po niedersausen.

      Der Klaps auf Angelas Hintern war so kräftig, dass dieser akustisch von den Wänden widerhallte und ihre Hand kurz rot werden ließ, während sie unangenehm kribbelte, was sie aber nicht im Geringsten störte.

      Wie erwartet schreckte Angela augenblicklich hoch und hielt sich die deutlich rote Pobacke, während sie Anne völlig verdattert ansah.

      Doch noch bevor Angela ihre Sinne sortieren konnte, nahm Anne sie freundschaftlich in den Arm und strahlte sie an. „Hallo kleine Nichte, es ist Zeit zum Joggen. Und ich finde, dass es an der Zeit ist, das Kriegsbeil zwischen uns zu begraben! Findest du nicht auch?“

      „Wie, du willst heute Morgen tatsächlich noch joggen? Wozu das denn!“, strich Angela sich ihre langen Haare aus dem Gesicht. „Weißt du, ganz ehrlich ich mag heute nicht!“, versuchte sie sich dabei aus Annes eiserner Umarmung zu befreien. Als es ihr jedoch nicht gelang, verzog sie genervt ihr Gesicht: „Meinst du nicht, dass wir heute nicht schon genügend Bewegung hatten und auch noch haben werden?“.

      „Hm, na ja okay!“, tat Anne schulterzuckend und mit einem aufgesetzten Schmollmund ihre Reaktion ab, ehe sie Ole ansah, der sie noch immer ebenso verdattert ansah, wie Angela zuvor. „Und du, was ist mit dir? Magst du vielleicht eine Runde mit mir drehen oder hattest du auch schon genügend Bewegung heute Morgen?“

      Beim letzten Satz hatte sie leider ihre Stimmlage nicht mehr so gut unter Kontrolle, wie sie es erhofft hatte und so schwang dort ein deutlich aggressiverer Unterton mit. Während sie sich über sich selbst ärgerte, zog sie Angela so fest an sich heran, dass Angela erst heftig ausatmete, bevor ihr die Luft ganz wegblieb.

      Und auch Ole atmete heftig durch die Nase aus, da er von Annes Verhalten völlig überrascht war und sich fragte, was wohl gleich noch kommen würde. Darum nickte er ein wenig übertrieben, bevor er sich erhob und nuschelte: „Alles gut, ich komme sehr gerne mit dir mit!“.

      Doch schon nach gut 2.000 Metern ging Ole die Puste aus und er hatte Probleme damit, Anne auf dem Fersen zu bleiben, da das Tempo, dass sie heute Morgen vorlegte, nicht seinen Möglichkeiten entsprach und schon gar nicht denen direkt nach dem Aufstehen. Sie jedoch auf diesen Umstand hinzuweisen, wagte er nicht, da ihr Gesicht nichts Gutes verriet.

      Doch als sie am nächsten Knotenpunkt einen Weg einschlug, der sie noch weiter von ihrem neuen Zuhause wegführte, blieb er schnaufend stehen. „Anne, hab Erbarmen mit mir!“, schrie er ihr hinterher und stützte sich dabei vorne auf seine Knie ab, während er nach Atem rang.

      Mit federnd leichten Schritten und verhalten lächelnd kam sie daraufhin zurückgelaufen. Doch statt bei ihm zu stoppen, lief sie 2-mal um ihn herum, bevor sie rechts neben ihm auf der Stelle weitertippelte. „Atmen Ole, atmen! Hatten wir das nicht schon einmal?“, sah sie ihn spöttisch an.

      „Ja, auch das hatten wir schon einmal! Nur ist das leichter gesagt als getan“, schnaufte er und bedachte sie mit einem kritischen Seitenblick.

      „Ach Ole, warum denn auf einmal so kritisch? Ansonsten scheinst du ja auch alles mit dir machen zu lassen. Oder gibt es vielleicht irgendetwas, worüber du mit mir reden möchtest?“, zwang sie sich dabei, ihn offen anzulächeln.

      „Anne bitte, mach es uns doch nicht so schwer, indem du mir den Ball zuspielst. Und sei doch bitte ehrlich zu mir und zu dir: Du hast trotz aller Gespräche in Frankreich, immer noch ein Problem mit Angela.“

      „Ja, und zwar ein ganz elementares und scheinbar ganz im Gegensatz zu dir! Doch weißt du was? Ich habe mir eben vorgenommen, dass das was sie mit dir anstellt, mich nicht mehr juckt. Tue, was immer du willst, nur tue uns allen ein Gefallen und benutze Kondome, wenn das Weib dich vögelt!“, überschlug sich ihre Stimme mit einem Mal, wobei sie gegen ihre Tränen ankämpfte. Doch diese Genugtuung, dass er sie wegen Angela weinen sieht, wollte sie ihm nicht geben. Darum wandte sie ihren Kopf von ihm ab und lief mit langen, schnellen Schritten einfach los, ohne seine Reaktion abzuwarten.

      Während sie die lange Runde durch den Nebelwald lief, drehte sie sich nicht noch einmal um, um zu schauen, ob Ole ihr vielleicht folgte.

      Ole hingegen lief in gemäßigtem Tempo zurück, wobei er sich jedoch regelmäßig umdrehte.

      Das Piepen von ihrem Handy weckte Sophia. Kurz räkelte sie sich zufrieden, bevor sie sich Martin zuwandte, der in der Löffelchenstellung hinter ihr lag. „Guten Morgen!“, gähnte