Jörn Holtz

Paradies am Teich


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der 2 Liter Bier entledige, die ich gestern Abend so in etwa getrunken habe, solltest du mich besser aufstehen lassen!“, sah er sie drohend an.

      „Hm, weiß nicht?“, erwiderte sie fragend seinen Blick, wobei sie lediglich ihren Oberkörper etwas vorneigte und ihre rechte Augenbraue ein wenig anhob. „Auf deinen Natursekt habe ich jetzt eigentlich gar keinen Bock. Aber dich gehen zu lassen, mag ich noch weniger!“, fügte sie nach einer kurzen, bewussten Pause bedächtig an.

      „Komm schon Angie, das ist eklig und nun lass mich endlich aufstehen!“, zog er genervt seine Oberschenkel abwechselnd so an, dass er sie dadurch immer ein wenig in die Höhe hob.

      „Ole, nenn mich nicht Angie!“, wurde ihre Stimme ad-hoc hart und gebieterisch. „Denn du weißt, wie ich genannt werden möchte!“, richtete sie sich drohend vor ihm auf und starrte ihm direkt in die Augen.

      „Sicher erinnere ich mich daran, wie du genannt werden willst, und zur Not weiß ich ja auch, wo ich deinen Namen ansonsten ablesen kann!“, nickte er in Richtung ihres Venushügels, wo ihr Name, neben ein paar keltischen Symbolen, kunstvoll eintätowiert war.

      Als sie sich danach aber immer noch nicht weiter rührte, schmiss er sie einfach unsanft zur Seite ab und stand auf, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen.

      Als Ole ins Zimmer zurückkam, lag Angela zu seiner Überraschung noch immer so da, wie er sie zurückgelassen hatte. So huschte ihm ein schelmisches Lächeln übers Gesicht, während er sich schwungvoll neben ihr aufs Bett plumpsen ließ. Anders als von ihm erwartet, animierte sie dies jedoch nur zu einem kurzzeitigen, abfälligen Brummen, ehe sie sich zu ihm hindrehte und ihren Kopf mit einem zufriedenen Seufzer auf seiner Brust platzierte.

      Milde lächelnd sah er daraufhin an sich herunter und auf ein Meer aus schwarzen Haaren, dass sich überall auf seinen Oberkörper verteilt hatte, von denen jedoch ein strenger Geruch ausging. „Hui, da muss einer aber nah am Feuer gestanden haben!“, rümpfte er angeekelt seine Nase.

      „Mm, das habe ich, wenn ich nicht gerade darüber gesprungen bin!“, murmelte sie daraufhin verschlafen.

      „So, so! Du meinst also, du musstest letzte Nacht übers Feuer springen?“, verzog er erneut ungläubig sein Gesicht.

      „Sicher, das ist doch Tradition zu Beltane, um sich vor bösen Geistern zu schützen!“, öffneten sich für einen Moment ihre Augen einen Spalt weit, wobei sie ihn wie ein zufriedenes Kätzchen anlächelte.

      „Oh, dann bist du also schon gestern Abend angereist und warst mit den Vollmondfrauen unterwegs!“, riss er besorgt seine Augen auf, weil dies bedeutete, dass Lotta und Anne ebenfalls jeden Moment hier auftauchen konnten.

      „Ole!“, verschwand das zufriedene Lächeln aus ihrem Gesicht, wobei sie sich erneut ein Stück drohend aufrichtete, ehe sie ihn mit ihrem Blick durchbohrte. „Sag mal, bist du eigentlich immer noch so schwer von KP. Das sagte ich doch bereits und dies bedeutet ebenfalls, dass ich die ganze Nacht nicht geschlafen habe! Außerdem wird gleich wieder getanzt und meine Füße schmerzen noch immer von vorhin. Also, halt den Mund und schlaf oder massiere mir die Füße, dann tust du wenigstens etwas Sinnvolles!“.

      „Ähm“, sah er sie verschreckt an. Dennoch konnte er sich die besorgte Frage nicht verkneifen: „Und wo sind dann Lotta und Anne abgeblieben?“.

      „Ach Ole,“, ließ sie sich erschöpft auf seinen Oberkörper zurücksinken, wobei sie hörbar ausschnaufte, ehe sie anfügte: „Die haben sich vorhin verliebt in die Büsche geschlagen und werden sich dort bestimmt gegenseitig die Seele aus dem Leib vögeln! So, nun ist aber Schluss mit den dämlichen Fragen und es wird geschlafen. Du weißt doch sicherlich noch, wie unangenehm ich werden kann, wenn ich nicht das bekomme, was ich möchte!“.

      „Was?“, schreckte Martin aus dem Tiefschlaf gerissen hoch, als sich 2 weiche Lippen auf seine legten.

      „Es ist alles in Ordnung, ich bin es nur, Sophia!“, flüsterte sie ihm daraufhin sanft ins Ohr, bevor sie ihn erneut küsste.

      „Sophia?“, riss Martin überrascht die Augen auf. „Was machst du denn hier! Und wie um alles in der Welt hast du mich hier oben gefunden?“, betrachtete er sie überrascht.

      „Na, indem ich dich gesucht habe!“, lächelte sie ihn glücklich an. „Oder vielmehr, weil Mamá mir vorhin den entscheidenden Hinweis gegeben hat, dass du dich diesem Ort sehr verbunden fühlst“, beugte sie sich zu ihm hinunter und setzte zu einem erneuten Kuss an.

      Unbewusst spitzte er die Lippen, dann jedoch zögerte er, während er seinen Kopf ein Stück zurückzog, weil er an gestern Nachmittag dachte, nachdem sie ihre Mutter erwähnt hatte.

      Doch, bevor er allzu lange über diese delikate Situation nachdenken konnte, legte sie ihm ihren Zeigefinger auf die Lippen und öffnete den Reißverschluss seines Schlafsacks. „Es ist wirklich alles in Ordnung, glaube mir!“, sagte sie erneut in einen beruhigenden Tonfall, ehe sie ungefragt zu ihm in den Schlafsack krabbelte und sich an ihn heran kuschelte. Danach schwieg sie und ließ stattdessen eine Hand sanft über seinen bettwarmen Körper gleiten.

      Währenddessen kämpfte Martin mit sich, um nicht dem innerlichen Druck nachzugeben, lautstark zu protestieren, oder aufzuspringen und wegzurennen. Fühlte er sich doch erneut allzu sehr bedrängt von ihrer forschen Vorgehensweise, so dass er stocksteif vor ihr lag und sie mit großen Augen anstarrte, doch je länger er sie gewähren ließ, umso mehr gewann ein anderes Gefühl in ihm die Oberhand und dieses lange nicht verspürte Gefühl war einfach nur großartig! Die sanften Berührungen ihrer Fingerspitzen und das sanfte Kratzen ihrer Fingernägel auf seiner Haut riefen irgendwann ein so wohliges Kribbeln in ihm hervor, dass er vor Glück erschauderte.

      Als dieses Gefühl jedoch schwächer wurde, da ihre Bewegungen immer mehr ins Stocken gerieten, während ihre Atmung immer flacher und schneller wurde, wurden auch seine Augenlieder immer schwerer, so dass er kurz darauf ebenfalls einschlief.

      Himmel, Erde und Anderswelt

      Anne konnte ihr Glück noch immer nicht fassen und war seit dem Moment völlig euphorisiert, als Lotta sie gefragt hatte, ob sie eine Handfasting mit ihr eingehen wollte. Freudestrahlend hatte sie zugestimmt und war daraufhin ebenfalls, ohne lange zu zögern, über das große Feuer gesprungen, um mit diesem traditionellen Opfer das Wohlwollen der Götter zu erbitten.

      Nach der Zeremonie, bei der sie ihre Verbindung symbolisch mittels eines Knoten besiegelt hatten, hatte sie sich mit Lotta in einer kleinen Bucht zurückgezogen, wo sie sich im schwarzen Sand und in der warmen Brandung leidenschaftlich geliebt hatten.

      Noch immer durchströmte sie ein Gefühl von Verbundenheit zu Lotta wie flüssiges Glück, aber auch zu allen anderen, ob es nun Menschen, Tiere, Pflanzen oder die 4 Naturelemente waren. Sie fühlte sich eins mit ihnen, was ein ebenso wundervolles, wie auch berauschendes Gefühl war.

      Dass es gerade mal 2 Monate her war, seitdem sie zuletzt versucht hatte, sich die Pulsadern aufzuschneiden, kam ihr gerade so unwirklich vor, wie all die anderen Sachen, die seitdem Moment passiert waren, nachdem Lotta sie auf einer Autobahnraststätte bei Neumünster aufgegabelt hatte, an der sie gestrandet war, weil sie zuvor einem ekligen Autofahrer fast einen Finger gebrochen hatte, der sie als Tramperin zuerst freundlich lächelnd mitgenommen hatte, jedoch nur um sie hinterher zu begrapschen.

      Zu diesem Zeitpunkt war sie sowohl physisch wie auch psychisch am Ende. Physisch forderte ihr Sportstudium täglich neue Höchstleistungen von ihr, ebenso wie der Job als Trainerin in einem Fitnessstudio und beides hatten ihre Kräfte mit der Zeit aufgebraucht. Dass diese Form von exzessivem Sport eine verbreitete, wenn auch recht unbekannte Form von Magersucht ist, ist ihr erst vor kurzem bewusst geworden. Denn die körperlichen Ermüdungserscheinungen überdeckten wunderbar ihre psychischen Probleme, die sie mit ihrem Kind Ich hatte, welches sich noch unter der harten Knute ihres Vaters wähnte. Außerdem hatte sie erst durch Lotta erfahren, dass Bisexualität nichts Unnatürliches ist. Im Gegenteil, der glückliche Umstand, dass sowohl Lotta wie auch sie selbst sich in kürzester Zeit in Ole, wie auch ineinander, verliebt hatten,