Janina Hoffmann

Hinter seinem Rücken


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Stimmung auf jeden Fall um einiges aufgelockert.“

      „Danke.“ Ich fühlte die Blicke von Nathalie und Torben Brandt auf mir und war auf einmal verlegen. „Ich glaube, das lag nicht zuletzt an deiner Spezialmischung“, gab ich Max gegenüber zu. „Die hatte es in sich.“

      „Ja, die ist nicht schlecht, oder? Soll ich dir noch ein Glas ...“

      „Nein, nein“, lehnte ich schnell ab. „Ich brauche jetzt erst einmal etwas Festes im Magen.“

      „Wie wäre es mit Roastbeef-Sandwich, Hackklößen und einem mit Mozzarella und Tomate gefüllten Wrap?“ fragte Torben Brandt, der sich bereits an dem Büfett bedient hatte, und reichte mir den von ihm gefüllten Teller.

      Als Nathalie und ich Stunden später nach Hause fuhren, hatte ich beste Laune, während Nathalie ungewohnt schweigsam war. Ich hatte mich während des Essens gut mit Torben Brandt unterhalten, den ich zwar für etwas spießig, aber nett hielt, und anschließend mit einigen anderen Gästen geplaudert, die ich flüchtig kannte. Max hatte immer wieder meine Nähe gesucht, und auf sein Drängen hatte ich noch eine Spezialmischung getrunken, die dank meines vollen Magens keinen so starken Effekt wie der erste Drink gehabt hatte. Die Tanzfläche hatte sich wie von selbst gefüllt, als ich Max gebeten hatte, eine CD mit typischer Partymusik aufzulegen, und ich hatte großen Spaß beim Tanzen gehabt, nicht zuletzt wegen Max‛ roboterhaftem Tanzstil. Nathalie hatte uns Gesellschaft geleistet, doch hatte ich das Gefühl gehabt, dass sie nicht so recht bei der Sache war. Nach einer Weile hatte sich sogar Torben Brandt auf die Tanzfläche gewagt, und ich fragte mich, ob das an mir gelegen hatte. Je mehr ich darüber nachdachte, desto sicherer war ich mir, dass das an mir gelegen hatte.

      Ich blickte verstohlen zu Nathalie hinüber, die sich ganz auf das Fahren konzentrierte. Es schneite leicht. Dennoch glaubte ich nicht, dass das der Grund dafür war, dass sie, seit wir uns vor etwa einer Viertelstunde bei Max verabschiedet hatten, kein Wort mehr mit mir gesprochen hatte.

      „Was macht Max eigentlich beruflich?“, fragte ich schließlich, um das unangenehme Schweigen zu unterbrechen.

      „Er ist IT-Spezialist“, antwortete Nathalie sachlich und ergänzte, als hätte ich daran gezweifelt: „Er ist ein sehr, sehr schlauer Kopf.“ Als ich nichts darauf erwiderte, fügte sie hinzu, als müsste sie Max vor mir verteidigen: „Nur weil jemand mit dreißig noch zu Hause wohnt, Spielzeugautos sammelt und etwas ungeschickt tanzt, heißt das nicht, dass derjenige ein Idiot ist, über den man sich lustig machen kann.“

      Verwundert sah ich Nathalie an. So kannte ich sie gar nicht. „Das habe ich doch auch gar nicht behauptet“, rechtfertigte ich mich. „Und ich habe mich nicht über Max lustig gemacht. Ich habe ... mich einfach nur gut amüsiert.“

      Meine Freundin blickte schweigend geradeaus.

      Ich entschied mich für ein offenes Wort. „Du stehst auf Max, richtig? Es stört dich, dass ... er mich ein bisschen hofiert hat.“

      Nathalie schüttelte den Kopf und sah, als wir vor einer roten Ampel hielten, zu mir herüber. „Ach was. Tut mir leid, wenn das, was ich eben gesagt habe, komisch geklungen hat. Ich habe eine anstrengende Woche hinter mir. Ständig so viele Überstunden ... und kein Ende in Sicht. Aber es ist nicht richtig, das an anderen auszulassen. Erst recht nicht an meiner besten Freundin.“

      „Schon gut“, gab ich mich versöhnlich.

      Den Rest der Fahrt über vermieden wir es, über den Abend zu sprechen, und redeten stattdessen über belanglose Themen. Doch als ich etwas später in meinem Bett lag und den Abend Revue passieren ließ, fragte ich mich, ob ich mit meiner Vermutung, dass Nathalie in Max verliebt war, nicht doch Recht hatte.

      An einem Samstag Mitte März hatte ich Max‛ Geburtstagsfeier schon fast wieder vergessen. Ich war an diesem Tag verärgert, da meine Mutter mich schon am frühen Morgen angerufen hatte, obwohl sie, auch wenn sie selbst nur einige Stunden pro Woche in der Buchhaltung eines Warenhauses aushalf, sich doch denken konnte, dass jeder, der werktags zeitig aufstehen musste, froh darüber war, am Wochenende etwas länger schlafen zu können, zumal ich auch oft noch samstags im Küchenstudio sein musste. Die frühe Uhrzeit des Anrufs meiner Mutter war es allerdings nicht allein, die mir meine Laune verdorben hatte, sondern der Grund, weshalb meine Mutter mich anrief. Es war der Grund, der seit ungefähr Weihnachten ihr einziges Gesprächsthema zu sein schien: ihr sechzigster Geburtstag im Mai, den sie groß in einem Gasthaus feiern wollte. Anfangs hatte sie mich mit der Gästeliste und der Essensauswahl genervt, anschließend mit der Gestaltung der Einladungskarte, der sie als dezentem Hinweis für mögliche Geschenkideen eine kleine Wunschliste beifügen wollte. In letzter Zeit hatte sie mich dann fast täglich über den aktuellen Stand der Zu- und Absagen auf dem Laufenden gehalten. Es würde eine große Feier werden, denn es hatten sich bereits fast einhundert Gäste angemeldet, und es war noch mehr als ein Monat Zeit, um zuzusagen.

      Nachdem mich meine Mutter an diesem Morgen über die neuesten Zusagen in Kenntnis gesetzt hatte, hatte sie vielsagend hinzugefügt: „Du kannst auch jemanden mitbringen, wenn du willst, Sandra. Dein Vater und ich würden uns freuen.“ Seit ich mich durch das ständige Fragen meiner Eltern, wann sie meinen angeblichen viel reisenden Verlobten denn endlich kennenlernen würden, vor etwa zwei Jahren dazu gezwungen gesehen hatte, ihnen von dem Aus der von mir erfundenen Beziehung zu berichten, hoffte insbesondere meine Mutter inständig, ich würde bald einen adäquaten Ersatz finden und ihnen diesmal auch persönlich vorstellen.

      „Ja, mal sehen“, hatte ich leicht verschlafen gemurmelt. „Vielleicht bringe ich Nathalie mit, wenn das für euch in Ordnung ist.“

      „Ach, Sandra!“, hatte meine Mutter in einem missmutigen Tonfall erwidert, als hätte ich ein wichtiges Spiel verdorben. „Ich hatte da ehrlich gesagt an eine männliche Begleitung gedacht. Wie sieht das denn aus, wenn du eine Frau an deiner Seite hast. Auf das Gerede kann ich wirklich verzichten.“

      Ich bin eben nicht wie dein Liebling Caroline, die zusammen mit ihrem Mann in einem Labor Medikamente entwickelt, um die Welt zu retten, und nebenbei noch zwei Kinder großzieht, hatte mir auf der Zunge gelegen, doch ich hatte die giftige Bemerkung heruntergeschluckt und stattdessen geheimnisvoll geantwortet: „Lasst euch doch einfach überraschen.“

      „Sandra, soll das etwa heißen ...“

      Es war mühevoll gewesen, das unerfreuliche Telefonat mit meiner Mutter zu beenden. Ich ging es in Gedanken noch einmal durch, insbesondere ihre wissbegierigen Fragen nach einem potenziellen Schwiegersohn am Ende des Gesprächs, während ich meinen Wagen an einer Tankstelle volltankte. Vielleicht sollte ich eine meiner flüchtigen Bekanntschaften aus der Online-Singlebörse zur Geburtstagsfeier meiner Mutter mitbringen. Das wäre sicher eine Überraschung, die niemand so schnell vergessen würde. Ich stellte mir die schockierten Gesichter meiner Eltern, meiner Schwester und ihres Göttergatten Boris, der gewöhnlich zum Lachen in den Keller ging, vor, wenn ich wie selbstverständlich erklärte, dass ich ihnen über meinen Begleiter leider nichts erzählen könne, da ich ihn erst heute zum ersten Mal persönlich getroffen hätte, nachdem mir am Vortag sein Online-Profil in der Singlebörse zugesagt habe.

      „Guten Morgen“, sagte plötzlich eine männliche Stimme neben mir. „Die Welt ist klein.“

      Wo hatte ich diesen Satz kürzlich schon einmal gehört? Ich drehte mich um und sah in das lächelnde Gesicht von Torben Brandt. Torben Brandt, dem Gymnasiallehrer. Wie gut würde das meinem Vater, einem pensionierten Leitenden Regierungsdirektor, gefallen.

      „Guten Morgen“, grüßte ich freundlich zurück und hängte den Zapfhahn zurück an die Zapfsäule. Wenn ich mich recht erinnerte, hatten Torben Brandt und ich uns auf Max‛ Party am Ende geduzt. „Hast du schon gefrühstückt?“, fragte ich ihn. „Ich lade dich ein.“

      Am Ende bestand Torben darauf, die Rechnung in dem kleinen Café in der Nähe der Tankstelle, in dem wir frühstückten, zu bezahlen, doch das war mir egal, denn ich war mir sicher, es würden noch weitere Treffen folgen, bei denen ich mich dafür revanchieren könnte.

      Ich sollte Recht behalten. Torben und ich sahen uns in der