Janina Hoffmann

Hinter seinem Rücken


Скачать книгу

um allen Gästen eine Sitzmöglichkeit zu bieten. Ferner stand an der Seite des vorderen Raums, an der geöffneten Trennwand und zwischen den beiden Tischen mit dem Büfett, auf einer Kommode ein Fernseher und daneben eine Musikanlage, die angesichts der restlichen unmodernen Einrichtung fehl am Platz wirkte. Die Sitzmöbel, vielleicht auch die Kommode, waren so weit verrückt worden, um in der Mitte des großen Raumes eine ausreichende Tanzfläche zu schaffen. Die Wände waren mit diversen Geweihen und Bildern, die Jagdszenen zeigten, geschmückt.

      „Mein Vater ist leidenschaftlicher Jäger“, teilte uns Max mit. „Deshalb sind wir so eingerichtet. Aber für mich ist das nichts. Obwohl die Braten, die meine Mutter aus den erlegten Tieren zubereitet, fantastisch schmecken. Sie hat übrigens alle Snacks für das Büfett zubereitet. Sie hätte für die Party auch etwas Richtiges gekocht, aber ich wollte nur Kleinigkeiten, weil es sonst so umständlich mit dem Essen ist.“

      „Hier, Max, dein Geschenk“, wechselte Nathalie das Thema. „Von Sandra und mir. Ich bin so gespannt, was du sagst!“

      Ich konnte die Aufregung meiner besten Freundin nicht nachvollziehen und hatte so langsam den Eindruck, sie könnte in diesen Max verschossen sein.

      Der nahm das kleine Geschenk entgegen, löste vorsichtig das Geschenkband und wickelte es aus, wobei er darauf achtete, das bunte Geschenkpapier möglichst wenig zu beschädigen. Zum Vorschein kam ein Karton.

      „Mach auf! Ich kann es kaum erwarten, dein Gesicht zu sehen!“, drängte Nathalie.

      Max hob den Deckel des Kartons ab, und darin befanden sich ... drei kleine bunte Metallautos. Das konnte doch nicht Nathalies Ernst sein.

      „Und?“, wollte sie wissen. „Hast du die schon? Ich habe neulich stundenlang auf einem Flohmarkt gesucht, bis ich die zusammenhatte!“

      „Nein, ich ...“ Max schien vollkommen überwältigt und nahm vorsichtig einen grünen Miniwagen aus dem Karton, um ihn näher zu betrachten. „Wow, die sind ... einfach fantastisch. Die fehlten mir tatsächlich noch in meiner Sammlung. Ich danke dir.“

      „Die Autos sind von Sandra und mir“, stellte meine korrekte Freundin richtig. „Ich habe sie nur ausgesucht, weil ich dich besser kenne und weiß, dass du sie sammelst.“

      Die Türklingel unterbrach das Gespräch. Max deponierte den Karton samt Verpackung sorgfältig in einem Schrankfach, in dem sich anscheinend schon weitere Geschenke befanden, bevor er im Flur verschwand.

      Kurz darauf kehrte unser Gastgeber mit einem sportlich wirkenden, dunkelhaarigen Mann zurück, der in Jeans und Jeanshemd gekleidet war und den etwa einen Meter siebzig großen Max um fast einen Kopf überragte. Von allen anwesenden Männern schien der neue Gast der attraktivste zu sein, doch er mischte sich unter die Anwesenden und war schnell in ein Gespräch vertieft, bevor ich Gelegenheit hatte, seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken.

      Nathalie und ich standen etwas verloren herum. Das bemerkte anscheinend auch Max. „Darf ich euch meine Spezialmischung anbieten?“, sprach er uns an. „Um warm zu werden, meine ich.“

      „Das ist lieb von dir, Max, aber ich muss noch fahren“, lehnte Nathalie freundlich ab. „Wenn du eine Cola für mich hättest?“

      „Na klar.“ Er sah zu mir. „Und für dich die Spezialmischung? Du wirst es nicht bereuen, das verspreche ich dir.“

      Ich wollte nicht unhöflich wirken und nickte daher. Dabei hatte ich seit dem Mittag nichts mehr gegessen und war mir nicht sicher, ob es eine gute Idee war, den Abend mit einem alkoholischen Cocktail zu beginnen. Unser Gastgeber holte die gewünschten Getränke aus einem Fach in einem der beiden Wohnzimmerschränke, das zur Bar umfunktioniert worden war, und kehrte mit zwei gefüllten Gläsern zu uns zurück.

      Mir fiel auf, dass sich die anderen Gäste einfach selbst bedienten, und ich fühlte mich ein wenig wie eine unbeholfene Außenseiterin. Wieder kam mir in den Sinn, dass ich den Abend nicht auf dieser Party hatte verbringen wollen. Max blieb bei Nathalie und mir erwartungsvoll stehen, als ich den ersten Schluck von dem orangefarbenen Getränk nahm. Es schmeckte fruchtig, nicht zu süß und kaum nach Alkohol.

      „Na, was sagst du?“, wollte Max von mir wissen. „Der Drink ist ‛ne Wucht, oder? Habe ich selbst kreiert.“

      „Ja.“ Ich nickte und nahm noch einen Schluck. „Ist dir gelungen.“

      Max begann ein Gespräch mit Nathalie über seine Autosammlung. Ich hatte Mühe, der Unterhaltung, die mich sowieso nicht sonderlich interessierte, zu folgen, und trank hauptsächlich aus Langeweile immer wieder aus meinem Glas, bis es leer war. Ich gab es auf, dem Gespräch neben mir zu lauschen, und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Wahrscheinlich waren nun alle Gäste eingetroffen. Da wurde es doch Zeit, dass jemand die Musikanlage in Betrieb nahm.

      Ich stellte mein Glas in einem Schrankfach ab und bahnte mir meinen Weg durch die Menschengrüppchen zur Musikanlage. Nacheinander nahm ich einige CDs, die ordentlich in einem Turm untergebracht waren, in die Hand und sah sie mir an. Die obersten enthielten Schlager und Volksmusik und gehörten vermutlich Max‛ Eltern. Weiter unten wurde es schon interessanter. Es war sogar eine CD meiner Lieblingsband dabei. Ich legte die CD ein, drehte die Lautstärke hoch und drückte „Play“. Eine Sekunde später dröhnte Hardrock durch die beiden Lautsprecher, und alle Augen waren für einen kurzen Moment auf mich gerichtet. Meine Musikwahl stieß anscheinend auf allgemeines Wohlgefallen. Einige der Anwesenden begannen wie ich, automatisch im Rhythmus der Musik mitzuwippen, doch ich war die Einzige, die kurze Zeit später tatsächlich ausgelassen tanzte.

      Ich war ganz in die Musik vertieft und erschrak beinahe, als die Lautstärke nach einigen Songs durch Max gedrosselt wurde, der verkündete, dass das Büfett nun eröffnet sei. Daraufhin bewegten sich alle zu den beiden Tischen, auf denen diverse Snacks standen. Ich hielt es ebenfalls für eine gute Idee, etwas zu essen, da sich mein Kopf so unangenehm leicht anfühlte. Unter den Wartenden befand sich auch der attraktive Dunkelhaarige, der mich sogleich ansprach. „Eine gute Musikwahl.“

      „Ja, finde ich auch“, gab ich zurück und musste lachen.

      Der Mann lächelte. „Ich bin Torben Brandt.“

      „Sandra Jordan. Hallo.“ Ich gab ihm die Hand. Seine Hand war schlank, trocken und warm.

      „Sandra. Ein schöner Name.“

      „Finden Sie? Da sind Sie aber der Erste, der dieser Ansicht ist.“ Ich merkte, dass mir erneut ein Lachen die Kehle heraufkroch. Ich musste dringend etwas essen. Was war nur in diesem verdammten Drink gewesen?

      „Ich kenne Max vom Squash. Und Sie?“

      „Keine Ahnung.“ Mir fiel beim besten Willen nicht ein, wo ich Max zum ersten Mal gesehen hatte. „Jedenfalls nicht vom Squash.“ Diese Bemerkung schien mir sehr komisch zu sein, und ich konnte ein ausgelassenes Lachen nicht unterdrücken.

      Dem Mann gefiel meine heitere Art anscheinend, und er lachte ebenfalls. Vielleicht machte er sich auch insgeheim über mich lustig.

      „Torben!“, hörte ich plötzlich Nathalies Stimme neben mir. „Schön, dich hier zu treffen!“

      „Hallo Nathalie“, grüßte mein Gesprächspartner zurück. „Die Welt ist klein.“

      „Ihr kennt euch?“, fragte ich verdutzt, obwohl es ja offensichtlich war.

      Der Mann öffnete den Mund, um zu antworten, doch Nathalie kam ihm zuvor. „Ja, von einem Schulprojekt.“

      Von einem Schulprojekt? Dann hatte der Kerl etwa Kinder im Schulalter? Ich geriet doch immer an den Falschen. Sofort war meine gute Laune dahin.

      „Ich bin Gymnasiallehrer“, erklärte Torben Brandt zu meiner Erleichterung. „Wir hatten vor einigen Wochen die Polizei für Gastvorträge an unsere Schule geladen. Es ging um Gewaltprävention und Aufklärung über Drogen. Das war ein wichtiges Projekt und ist bei den Schülern sehr gut angekommen.“

      „Das freut mich.“ Nathalie war sichtlich geschmeichelt. „Für mich war ...“

      „Na,