Thomas Niggenaber

Barbaren am Rande des Nervenzusammenbruchs


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Geschwindigkeit vorankämen, würden sie ihr Ziel erst am nächsten Morgen erreichen.

      »Dann lasst uns halt eine kurze Pause einlegen«, entschied er dennoch. »Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, wenn die metallenen Beinkleider des Paladins Rost ansetzen.«

      Sie zügelten ihre Pferde und während Storne und Teophus gemächlich von deren Rücken stiegen, sprang Hohlefried erstaunlich behände von seinem Gaul herunter. Danach entschwand er mit einer beachtlichen Geschwindigkeit zwischen den dicht stehenden Bäumen, die den Pfad durch den Wald säumten.

      »Wie schafft er es, sich so flink zu bewegen?«, wunderte sich Storne, während er die Pferde an einer kleinen Birke in der Nähe festband. »Behindert ihn seine Rüstung denn gar nicht?«

      Der Erzmagier ließ sich auf einen umgestürzten Baumstamm am Wegesrand nieder. »Natürlich nicht, er spürt sie noch nicht mal – er ist ein Paladin. Ritter und Paladine können sich mühelos in Rüstungen bewegen, deren Gewicht jedes andere humanoide Wesen in die Knie zwingen würde. Diese Fähigkeiten hat ihnen die Natur verliehen. Wie Ihr sicherlich wisst, sind die Naturgesetze Archainos vielgestaltig und sehr individuell. Deshalb sehen Amazonen ja auch immer gut aus, wächst uns Magiern schon in frühester Jugend ein langer Bart und verliert eine holde Jungfrau nie ihre Unschuld, egal wie oft und mit wem sie es schon getrieben hat.«

      »Und wir Barbaren frieren darum nie in unserem Lendenschurz und unsere Körper sind immer muskulös und braun gebrannt«, fügte der König hinzu. Er setzte sich neben den Magier. »Wir nennen das alles aber nicht Naturgesetze sondern Isso.«

      »Hallo?«, ertönte die Stimme des Paladins durch die Bäume. »Ich wollte nur Bescheid sagen, dass es noch etwas dauern könnte. Ich habe gerade festgestellt, dass ich auch meine Heckklappe mal kurz öffnen muss!«

      »Bitte keine weiteren Details!«, rief Teophus zurück. Seine Verstimmung über diese weitere Verzögerung konnte er nicht verbergen. »Wegen dem werden wir uns dem Gegner womöglich noch im Dunkeln stellen müssen«, sagte er dann leise. »Bei einem Kampf gegen einen Vampir ist das ganz bestimmt nicht von Vorteil.«

      Storne winkte ab. »Das wird sich so oder so nicht vermeiden lassen. Dort, wo wir hingehen, scheint ohnehin niemals die Sonne. Die Ruinen und der Friedhof liegen in ewiger Finsternis, dort ist es immer Nacht – seltsam, aber Isso.«

      Der Weißhaarige strich sich mit der Rechten über seinen langen Bart. »Interessant, wenngleich für unser Vorhaben nicht sehr hilfreich. Dennoch sollten wir es vermeiden, unnötig Zeit zu verschwenden. Immerhin geht es um das Wohlergehen meiner Nichte.«

      »Glaubt Ihr wirklich, dass sie noch unter den Lebenden weilt?« Die Skepsis in Stornes Frage war nicht zu überhören.

      Der Erzmagier antwortete nicht sofort. Stattdessen holte er noch einmal Sielruds Kette mit dem Rubin daran aus seinem Gewand hervor. Mit beiden Händen umschloss er das Schmuckstück, dann schloss er seine Augen.

      »Ich kann ihre Lebensenergie noch spüren«, murmelte er, während sich seine Augäpfel unter den geschlossenen Lidern deutlich sichtbar hin und herbewegten. »Der Vampirlord hat sie noch nicht zu einer Untoten gemacht. Wahrscheinlich hat er sie irgendwo eingesperrt, zusammen mit den anderen Mädchen, die er vielleicht auch noch nicht verwandelt hat.«

      »Warum sollte er so etwas tun?«, fragte ihn Storne. »Wozu braucht er Gefangene?«

      »Als Nahrungsquelle.« Teophus sah den Barbaren mit traurigen Augen an und ein leichter Schauder durchfuhr seinen Körper. »Manchmal halten sich Vampire ein paar willenlose Opfer wie Vieh, an dem sie ihren Durst jederzeit stillen können. Wenn sie nur geringe Mengen ihres Blutes trinken, sterben diese armen Kreaturen nicht und eine Verwandlung findet nicht statt. Nach einer Weile regeneriert sich ihr Lebenssaft und der Vampir kann sie erneut zur Ader lassen. Ich habe von Fällen gehört, in denen Menschen über Jahrzehnte hinweg unter dem Bann eines Blutsaugers gestanden und ihm als Futterspender gedient haben.«

      »Abscheulich!«, befand Storne. »Blut ist zum Vergießen da, nicht zum Verzehren.«

      Ein lautes Keuchen und Ächzen, das plötzlich aus dem Wald zu ihnen drang, erregte seine Aufmerksamkeit. Er sah den Magier fragend an und gemeinsam dachten sie einen Augenblick lang schweigend über die Ursache dieser Geräusche nach. Dass es für den Paladin ganz normal war, solche Laute bei der Verrichtung seines Geschäftes von sich zu geben, hielten beide für durchaus denkbar.

      Erst ein gellender Hilfeschrei überzeugte sie davon, dass der junge Krieger bei seinem Stuhlgang in irgendeine Bedrängnis geraten war. Während Storne nun geschwind seine gewaltige, zweischneidige Streitaxt vom Sattel nahm, holte Teophus seinen Stab und den Zweihänder des Paladins. Dann eilten sie dem jungen Krieger zu Hilfe.

      Erst nach einigen Metern entdeckten sie diesen hinter einem großen Wacholderbusch inmitten hoher Eichen. In ein grobes Netz aus Schlingpflanzen verheddert, erwehrte er sich verzweifelt zweier Gegner, die ihn scheinbar als Jagdbeute betrachteten. Wild und ungestüm drangen die dürren, grünhäutigen Zweibeiner, die gerade mal einen Meter groß waren, dabei auf den gepanzerten Jungspund ein. Einem von ihnen hielt Hohlefried die Handgelenke fest, damit dieser nicht mit seinem Beil auf ihn einprügeln konnte. Der andere grüne Bursche hockte derweil auf dem Rücken des Paladins und drosch mit einem Holzknüppel auf dessen Helm ein.

      Offensichtlich hatten die Angreifer ihrem Opfer noch nicht einmal die Zeit gelassen, die metallene Klappe vor seinem Gesäß zu schließen. Auch sein Unterzeug hatte Hohlefried nicht mehr hochziehen können. Mit entblößtem Gesäß musste er sich deshalb gegen die beiden Gestalten verteidigen.

      Noch bevor Storne und Teophus ihn aus dieser Bredouille befreien konnten, brachen drei weitere Kreaturen aus dem Unterholz hervor.

      »Goblins!«, stellte der Magier überflüssigerweise fest.

      Auch der Barbar hatte die Wesen schon längst anhand ihrer langen, spitzen Ohren und ihrer ebenso langen und spitzen Nasen identifiziert. Dass Goblins allgemein für ihre Feigheit und Scheu bekannt waren, merkte man diesen wüsten, mit Tierfellen bekleideten Radaubrüdern allerdings nicht an. Mit Krummsäbeln bewaffnet und laut schreiend stürmten sie heran.

      »Die übernehme ich!«, entschied Storne. »Helft Ihr dem Paladin.«

      Erfreut darüber, sich endlich wieder seiner Lieblingsbeschäftigung widmen zu können, schwang er fröhlich seine Axt hin und her. Nur einen Atemzug später lag der erste Goblin enthauptet darnieder und ein zweiter schaute erstaunt seinen Armen hinterher, die in einem hohen Bogen durch den Wald flogen. Bevor er sich wieder aus diesem übermächtigen Staunen lösen konnte, amputierte ihm Storne noch geschwind beide Beine mit einem einzigen Axthieb.

      Dem Boden nun ein gutes Stück näher sah der Goblin hilflos zu, wie der Barbar den dritten Angreifer mit einem senkrechten Hieb in zwei Hälften zerteilte. Danach verließ das Leben den grünen Kerl ebenso schnell, wie es der größte Teil seines Blutes tat.

      Der Magier kümmerte sich zwischenzeitlich um die zwei Quälgeister, die es auf Hohlefried abgesehen hatten. Mit der kristallbesetzten Spitze seines Stabes zeigte er auf die beiden Grünhäute, die daraufhin in die Lüfte entschwebten, als würden sie von unsichtbaren Händen emporgehoben. Jammernd und zappelnd stiegen sie höher und höher, bis sie nur noch als kleine Punkte am Himmel zu erkennen waren. Ihr Jammern verwandelte sich in panisches Kreischen, als Teophus den Stab zur Seite schwenkte und sie im freien Fall ihrem unvermeidlichen Ende entgegenrasten. Erst ihr heftiger Aufprall, der ihnen sämtliche Knochen in ihren dürren Leibern zertrümmerte, ließ diesen Lärm verstummen.

      Nun war es an Hohlefried, seinen Wert im Kampf zu beweisen. Gerade als Teophus ihn aus dem Netz befreit und ihm sein Schwert überreicht hatte, tauchten zwei weitere Goblins aus dem Gebüsch zu seiner Linken auf. Überaus geschickt parierte er den von oben geführten Schlag, den einer der Kerle mit seinem Knüppel ausführte. Zeitgleich trat er dem anderen Angreifer mit seinem metallbeschlagenen Stiefel ins Gesicht, sodass dieser mit blutender, augenscheinlich gebrochener Nase nach hinten taumelte und zu Boden ging. Dies verschaffte dem Paladin ausreichend Zeit, sich weiter mit dem ersten Gegner zu beschäftigen.

      Zwei weitere Attacken des