Isabella Kniest

In Your Arms


Скачать книгу

ich leise und blickte zur Pfanne.

      Zwar fühlte ich mich nun ein wenig niedergeschlagen, dafür schien es dem Kellner viel besser zu gehen. Und seltsamerweise half diese Erkenntnis, meine eigenen negativen Empfindungen abzuschwächen.

      »Die Butter ist heiß«, bemerkte er. »Sie können die Eier somit ruhig aufschlagen.«

      »Oh … ja, natürlich.«

      Jetzt wurde es wahrlich kritisch!

      Flott brach ich die Eierschalen auf und ließ das Innere in die Pfanne gleiten.

      »Genügen Ihnen zwei Eier?«

      »Ja, natürlich.«

      Er reichte mir den Salzstreuer. »Bitte.«

      Lächelnd fasste ich danach und blickte in sein wunderschönes Gesicht. »Vielen Dank.«

      …

      Diese Situation war komplett verrückt!

      Da rührte ich gemeinsam mit einem mir völlig fremden Mann eine Eierspeise zusammen und fühlte mich dabei wie zu Hause bei meinen Eltern.

      Diese eigenartige Vertrautheit … diese Verbundenheit …

      War es normal, auf eine solche Weise zu empfinden?

      Ich hegte starke Zweifel.

      An meiner Arbeit fanden Menschen üblicherweise allzeit etwas auszusetzen. Sie besserten mich im Sekundentakt aus, machten mich auf Fehler aufmerksam, kritisierten und schimpften. Darüber hinaus hatte ich in Gegenwart fremder Menschen stets mit starkem Unwohlsein zu kämpfen – nebst mich halb wahnsinnig machender Nervosität. Besonders, wenn ich mit oder neben Personen Arbeiten verrichten musste.

      Aber hier? Hier kochten wir bloß … ohne Druck, ohne Stress, ohne Gezeter … ohne Angst.

      Angst.

      Natürlich!

      Nun wusste ich, was mir seltsam vorkam! Die Versagensangst war verschwunden. Ich hegte keinerlei Bedenken, etwas falsch zu machen.

      Das erste Mal überhaupt.

      Der Kellner reichte mir den Holzkochlöffel. Dankend nahm ich ihn entgegen und rührte die zwei Eier kräftig um.

      Weshalb fühlte ich diese Angst nicht mehr? Lag es an den Leuten, oder am Wetter? Der Schnee hatte mir wohl seit jeher Geborgenheit vermittelt …

      Womöglich lag es doch alleine daran – und an dem Unfall.

      Während ich mir das Gehirn zermarterte, färbte das mit dem Dotter vermengte Eiklar sich weiß.

      Weshalb sollte meine Angst urplötzlich verschwinden? Immerhin plagte ich mich damit seit Jahren herum. Da konnten einige offenbar nette Menschen nichts daran ändern …

      Der Mann stellte einen Teller neben den Herd. »Brot habe ich leider keines, das Sie essen dürfen. Ist das sehr schlimm?«

      Verneinend schüttete ich die Eierspeise auf den Teller. »Überhaupt nicht. Ich esse Eier sehr gerne ohne Beilage.« Ich suchte des Mannes klaren Blick. »Wo darf ich die Pfanne hinstellen.«

      »Warten Sie –« Behutsam nahm er sie mir aus der Hand.

      Im Detail sah dies folgendermaßen aus: Zögerlich, ja nahezu verängstigt trat er zu mir und fasste nach dem Griff, ohne dabei meine Hand zu berühren. Darauffolgend ließ ich los und er machte hektisch zwei Schritte zurück. »Ich wasche sie ab. Essen Sie in der Zwischenzeit.«

      Das war einfach unglaublich …

      »Kann ich nicht noch etwas tun?« Ich wandte mich zu Butter und Salzstreuer. »Soll ich das wegräumen?«

      »Nein, nein.« Ein kräftiges Kopfschütteln seinerseits folgte. »Essen Sie. Sonst wird es kalt.«

      »In Ordnung … Danke.«

      Währenddessen er die Pfanne in die Spüle legte, warf er mir ein schüchternes Lächeln zu – und mein Herz fing wie wahnsinnig zu rasen an.

      Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht mit mir …

      Ich machte mich auf den Weg hinaus – nach wie vor ein schlechtes Gewissen in mir lungernd, ihn mit dem schmutzigen Geschirr alleine zurückgelassen zu haben.

      »Eierspeise?«, rief Walter mir von der Theke zu.

      Nickend steuerte ich ihn an.

      »Und nicht einmal ein Brot?« Stirnrunzelnd musterte er den Teller. »Das ist aber eine ganz schön magere Ausbeute.«

      »Nein, das passt schon.«

      Eben bemerkte ich das Fehlen von Besteck, da tauchte der junge Mann neben mir auf und legte eine silberne Gabel auf den Tresen. »Die haben Sie vergessen.«

      Ich wollte mich bedanken, aber er war längst auf den Weg zurück in die Küche.

      »Jan denkt an alles«, kam es vom Barkeeper.

      Jan.

      Genau.

      So hatte Walter ihn genannt.

      …

      Jan.

      …

      Ein wunderschöner Name … Er klang sanft. Irgendwie weich, zärtlich … wie er Dinge anfasste – behutsam, liebevoll.

      Ich verscheuchte alle wirren Einfälle und fing endlich zu essen an. Beim dritten Happen wurde ich mir erst meines Hungers gewahr. Im Folgenden brauchte ich keine fünf Minuten, um den Teller restlos zu leeren und in die Küche zu tragen.

      Jan war eben dabei, die gewaschene Pfanne wegzuräumen.

      Verwunderung lag auf seinen sanften Zügen. »Sie sind schon fertig?«

      »Ja.« Ich trat zur Spüle.

      »Wollen Sie noch etwas? Haben Sie noch Hunger?«

      Die Wahrheit war: Ja, ich hatte nach wie vor Hunger. Meine Erschöpfung wog dennoch um ein Vielfaches schwerer, sodass ich mich weit mehr nach einem kuscheligen Bett sehnte.

      »Das Einzige, das ich jetzt noch will, ist, heiß duschen und mich ins Bett kuscheln … Der Tag war anstrengend genug gewesen.«

      Er lächelte mich an. »Mir gehts ähnlich.« Zögerlich gesellte er sich zu mir. »Ich werde den Teller noch schnell abwaschen.«

      »Nein, nein. Ich mache das. Sie können gerne gehen.«

      Kopfschüttelnd wie bedachtsam nahm er mir das Geschirr aus der Hand und drehte den Wasserhahn auf.

      Da konnte ich wohl hoch und niederhüpfen, dieser Mann würde nicht nachgeben.

      Schweigend beobachtete ich ihn bei seinem Tun. Es wurde mir regelrecht warm dabei. Dermaßen lieblich, ja rücksichtsvoll, wie er mit dem Geschirr umging, hätte ich ihn am liebsten stundenlang zugesehen.

      Zärtlich griff er nach dem Geschirrtuch, trocknete den Teller ab und räumte ihn nahezu geräuschlos weg. »Geschafft.« Nachdem er das Tuch fürsorglich über den Ofengriff gehängt hatte, drehte er sich zu mir. »Ein weiterer Tag überstanden.«

      Erschrocken ob der Tatsache, ihn ungeniert beobachtet zu haben, räusperte ich mich. »Vielen Dank nochmals.«

      Sein Lächeln wuchs an. Auf eine Art schien seine Schüchternheit abzunehmen. »Keine Ursache.«

      Gemeinsam traten wir in den Essbereich.

      »Dann wünsche ich Ihnen eine gute Nacht.«

      Ein letztes Mal blickte ich in seine hellgrünen klaren Augen. »Das wünsche ich Ihnen ebenfalls.«

      Für den Moment eines Wimpernschlags erweckte Jan den Eindruck, den Speisesaal nicht verlassen zu wollen. Doch ehe ich weiter darüber nachzudenken in der Lage gewesen wäre, drehte er sich um und ging los. Flott schritt er an der Theke vorbei weiter hinaus Richtung Rezeption.

      »Er ist ein