Isabella Kniest

In Your Arms


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      Eben erst hatte ich meinen Standpunkt ohne zu zögern darlegen können. Und nun wollte mir nicht einmal mehr ein einziges beruhigendes Wort einfallen …

      Was war heute bloß los?

      Ein Blick Richtung Esstische brachte mir den erlösenden Einfall.

      Vielleicht sollte ich mir selbst einen schnellen Nachtimbiss zusammenrühren? Dann brauchte niemand mehr für mich zu kochen. Und der Kellner – das vermutete ich jedenfalls aufgrund der schwarzen Hose und des schneeweißen Hemds, welche der schüchterne Mann trug – musste nicht noch längere Zeit nach geeigneten Begriffen suchen, um dieser peinlichen Situation die Schärfe zu nehmen.

      »Ich kann mir selbst schnell etwas machen«, schlug ich nach weiteren endlosen Sekunden vor. »Sie müssen sich nicht bemühen.«

      »Um Himmels willen!« Schockiert schüttelte er vehement den Kopf. »Das geht nicht! Sie sind hier Gast! … Ich … ich werde sofort nachschauen, was wir noch dahaben.« Und damit rauschte er davon.

      O nein … nein, nein, nein.

      Weder hatte ich ihn über meine Nahrungsmittelunverträglichkeit in Kenntnis setzen können, geschweige denn ihn darüber aufklären, dass ich gar kein Gast, sondern eine Mitarbeiterin war!

      Eine prickelige Erkenntnis jagte mir durch den Leib.

      Ich drehte mich zu Walter. »Er wird nicht extra kochen, oder? … Das will ich nicht. Das ist unnötig. Außerdem –« Ich stockte.

      Üblicherweise sprach ich nicht gerne über meine gesundheitlichen Probleme. Besonders nicht mit fremden Leuten. Da fühlte ich mich stets wie eine nach Mitleid verlangende alte Frau.

      …

      Mein mich neugierig taxierender Lebensretter verscheuchte sämtliche Sorgen.

      »Ich meine … ich vertrage einige Lebensmittel schlecht bis überhaupt nicht. Wenn er mir nun etwas bringt, das ich nicht essen darf …« Ich räusperte mich. »Es wäre fürchterlich, wenn er umsonst kocht.«

      Walter antwortete mit einem überraschten »Oh« und glitt dabei vom Barhocker. »Dann werde ich ihm das schnell ausrichten.«

      Er ging los.

      …

      »Warte, ich komme mit!« Ich jagte ihm nach. »Dann kann ich ihm gleich erklären, was ich essen darf und was nicht.«

      Sonst ergab dies alles erst recht keinen Sinn mehr!

      …

      Mir wurde es sekündlich unwohler.

      Verflixt und zugenäht!

      Diese blöden Hemmungen!

      »Gute Idee!« Walter grinste mich an. »Du denkst wenigstens mit.«

      Ob seiner Äußerung es mir unmöglich ein sanftes Schmunzeln zu unterbinden, folgte ich ihm durch den lang gezogenen Raum bis zum schmalen an der linken Seite gelegenen Durchgang, welcher Speisesaal und Küche miteinander verband.

      Nun wusste ich wenigstens, wohin ich mich morgen Früh zu begeben hatte …

      »Jan?« Walter trat in die Küche. »Wo bist du?«

      Ein mir das Wasser im Munde zusammenlaufender köstlicher Geruch wehte mir entgegen.

      Schluckend blickte ich mich um. Die Küche war gar nicht so groß, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Vielleicht an die fünfunddreißig Quadratmeter. Dafür wurde jeder Zentimeter ausgenutzt. Die sich von der linken bis zur rechten Seite durchziehende Anrichte präsentierte sich in glänzender Edelstahloptik. Ziemlich in der Mitte der Räumlichkeit stand ein von allen vier Seiten benutzbarer Edelstahltisch, über welchem unzählige Schöpfer, Messer und andere Kochutensilien hingen – ungeduldig darauf wartend, benutzt zu werden. Keinen Meter vor uns befand sich eine weitere schmale, quer stehende Anrichte, auf der aller Wahrscheinlichkeit nach Desserts zubereitet wurden. Dies bewiesen die oberhalb hängenden Kuchenformen sowie der auf der Arbeitsplatte abkühlende goldbraune Striezel.

      Damit wäre auch geklärt, von woher der köstliche Geruch stammte.

      Jäh tauchte der junge Mann hinter der länglichen Anrichte hervor. In seinen Händen hielt er eine ovale Schüssel.

      »Brauchst du etwas Bestimmtes?« Des Jünglings Augen blickten ebenso fragend, wie seine Stimme klang. Es war unmöglich zu beschreiben, wie niedlich er dadurch anmutete.

      Alsbald er mich bemerkte, verschwand dieser Ausdruck jedoch blitzartig und Befangenheit erschien. »Ich … ich bin gleich so weit.« Zögerlich stellte er die Eisenschüssel auf die Anrichte, den Blick gesenkt. »Ich muss bloß etwas zusammenrühren.«

      »Erstens.« Walters strenge Stimmlage entfesselte mir einen leichten Adrenalinausstoß. »Seit wann kochst du? Zweitens, wo ist der Chefkoch überhaupt? Und drittens, bevor du anfängst, solltest du erst mit Lisa reden.«

      Diese vielen Fragen brachten den jungen Mann gänzlich aus dem Konzept. Nach Erwiderungen ringend hielt er sich krampfhaft an der hingestellten Schüssel fest. »Der Koch …? Der ist fertig für heute … Wahrscheinlich befindet er sich bereits in seinem Zimmer und schläft … Deshalb dachte ich, schnell eine Kleinigkeit zusammen zu rühren.«

      Er tat mir furchtbar leid. Wie erschrocken er aussah … War er etwa derart schüchtern?

      Walters herzliches Lachen erklang. »Du und deine Unsicherheit! Also wirklich, Jan!« Bedächtig schüttelte der Schneepflugfahrer den Kopf. »So gut musst du mich jetzt aber schon kennen, dass das keine Kritik sein sollte.« Mein Retter wandte sich mir zu. »Er hat ständig Angst, etwas falsch zu machen, weißt du?«

      Ich blinzelte.

      Dann ging es ihm ja ähnlich wie mir!

      Walter legte seine Hand auf meine Schulter. »Lisa hat Allergien, hat sie gesagt. Also solltest du dich mit ihr mal kurz unterhalten.« Er straffte die Gestalt. »So … und ich gehe jetzt zu meinem Bier zurück, sonst wird es noch warm.« Verschwörerisch zwinkerte er mir zu und verschwand in den Speisesaal.

      Ganz lustig.

      War das ein Scherz? Wollte er etwa …? Dachte er, ich hätte Interesse an dem Kellner?

      Unangenehme Wärme kroch mir ins Gesicht.

      O nein!

      Nicht auch noch das!

      Ich ertrug es nicht, vor anderen Menschen rot anzulaufen – insbesondere nicht vor mir gänzlich unbekannten Personen.

      …

      Was musste mir heute eigentlich noch widerfahren?

      …

      »Sie haben Allergien?«, brachte der junge Mann, welcher nebenbei erwähnt, ebenfalls ziemlich verstört wirke, entsetzt hervor. »Das ist ja furchtbar … Was dürfen Sie denn nicht essen?«

      Krampfhaft versuchte ich, meiner stechenden Nervosität Herr zu werden. »Nun … sagen wir eher, was darf ich essen.« Ich drehte mich zum Striezel. »Ist der aus Weizenmehl?«

      »Ja.«

      Natürlich … was auch sonst?

      Gedanklich seufzte ich. »Nun … den darf ich dann schon einmal nicht essen.«

      »Ach du … Dabei wollte ich Ihnen ein Stück von diesem geben … mit Vanillepudding und Schokosoße.«

      Bei dieser Vorstellung fing mein Magen lautstark zu knurren an. Das wiederum machte diese ohnedies fürchterlich beschämende Situation nochmals prekärer.

      »Das klingt ja herrlich«, erwiderte ich eine Spur lauter, um meine Magengeräusche zu übertönen. »Nur leider darf ich auch keine Milchprodukte.«

      Dabei liebte ich Pudding!

      In der Zeit vor meinen Allergien hatte ich Milchprodukte für mein Leben gern verspeist. Speziell Joghurt, Milchshakes und Kakao.

      Der stetig verzweifelter