Isabella Kniest

In Your Arms


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tun? Sie wusste, wie mein Leben verlief und wie wichtig mir meine Unabhängigkeit war. An meiner Situation konnte sie ebenso wenig etwas ändern wie ich selbst. Was brachte es da, dieses Thema erneut bis ins kleinste Detail durchzukauen? Darüber hinaus hätte ihr eine solche Diskussion im günstigsten Falle weiteren Kummer bereitet.

      »Hast du genügend Geld mit?«

      Manchmal schien sie Gedanken lesen zu können. »Ja … ja, keine Sorge.«

      »Wirklich?«

      Mir wurde es heiß. »Ja … es ist alles in Ordnung. Ich rufe dich an, sobald ich mich auf den Weg mache, okay?«

      »Ist gut.« Erneut hörte ich sie leise aufseufzen. »Aber wenn du doch Hilfe brauchst, dann ruf mich an.«

      »Danke … das mache ich, versprochen.«

      »Na gut.«

      …

      Sie war sich meiner Flunkerei bewusst geworden.

      Ich fühlte mich hundsmiserabel deswegen.

      »… Dann schlaf gut. Und pass auf dich auf.«

      »Mach ich.« Ich rieb mir über die rechte Schläfe – die Gewissensbisse wollten dadurch aber in keiner Weise abnehmen. »Gute Nacht. Und grüß Papa von mir.«

      »Ich werde es ihm ausrichten … Gute Nacht, Schätzchen.«

      Ausatmend legte ich den Hörer auf die Gabel.

      »Eine besorgte Mutter?«, vermutete Michi.

      Mit warmen Wangen nickte ich ihm zu.

      Es war klar gewesen, dass er mitgehört hatte … So etwas Peinliches!

      »So sind Mütter eben.«

      Er kicherte. »Ja, aber besser so, als andersrum.«

      »Da hast du recht.« Ich trat zu meinem Koffer. »Ich werde einmal in mein Zimmer gehen und meine Sachen auspacken. Und dann werde ich mich noch kurz zu Walter setzen.«

      »Mach das.« Michi fasste nach einem Buch und hielt es hoch. »Und ich werde mir diesen Thriller hier zu Gemüte führen.«

      Sein glückseliger Anblick brachte mir ein Lächeln ins Gesicht zurück. »Darfst du das denn?«

      Er nickte eifrig. »Ja, wenn es ruhig ist und wir nichts zu tun haben, dürfen wir auch mal ein wenig lanzeln.«

      …

      Von daher rührten die wissenden Blicke vorhin!

      »Na, dann viel Spaß mit der Geschichte.« Ich hob den Trolley auf und trug ihn über die Holztreppe hoch in den ersten Stock. Oben angekommen, stellte ich ihn zurück auf den Boden, fasste nach dem Griff und zog ihn hinter mir her.

      Der Korridor hatte große Ähnlichkeit mit dem in Erdgeschoss. Lediglich die mit Ölfarben gemalten Bilder, welche Jäger mit ihren geschossenen Trophäen, darunter Steinböcke, Hirsche und Gämse zeigten, brachten die typisch österreichische Atmosphäre nochmals besser zur Geltung.

      Mein Zimmer lag ungefähr in der Mitte, von einer mächtigen Vollholztür versperrt. Ich schloss auf und trat ein. Ein behaglicher Duft von Holz und Zimt stieg mir in die Nase. Mein Blick glitt durch den schätzungsweise fünfzehn Quadratmeter großen Raum. Das Doppelbett befand sich auf der rechten Seite, gegenüber davon stand ein Schrank. Vor mir, unter dem quadratischen zweiflügeligen Kastenfenster mit den altrosa Vorhängen und dem Store mit Blumenmuster, erstreckte sich eine kurze Kommode, auf der eine Duftlampe stand. Der Boden war mit einem naturfarbenen Teppich ausgelegt worden, welcher sich bereits unter meinen Stiefeln unbeschreiblich weich anfühlte.

      Um diesen nicht zu beschmutzen, zog ich mir zu allererst die Schuhe aus. Ich entledigte mich des Mantels und der Handschuhe und begann sodann, den Koffer auszupacken. Mit den Hygieneartikeln in der Hand schritt ich an der Kommode vorbei in das kleine hellgelb verflieste Bad. Es beinhaltete eine Dusche, ein WC und ein winziges Waschbecken mit einem vielleicht sechzig mal sechzig Zentimeter großen Spiegel an der Wand.

      Niedlich war kein Ausdruck.

      Ich musste gestehen, so wohl wie ich mich hier fühlte, fühlte ich mich nicht einmal in meiner kleinen Vorstadtwohnung mit den vielen Laubbäumen und den im Sommer blühenden Stauden drumherum.

      …

      Um ehrlich zu sein, hatte ich mich dort noch nie sonderlich wohlgefühlt. Das lag zum einen an der viel befahrenen Straße und zum anderen an den Mietern.

      Was will die Angeberin hier?

      Kannst du dir die Miete überhaupt leisten?

      Ich sage es dir das letzte Mal: Wenn du an der Reihe bist mit dem Stufenwischen, dann muss das pünktlich erledigt werden, oder es wird der Hausverwaltung gemeldet – und dann verlierst du die Wohnung schneller, als du schauen kannst.

      Kopfschüttelnd versuchte ich, die Gedanken loszuwerden.

      Weshalb mussten Menschen stets solchermaßen kalt sein? Was hatte ich ihnen getan? Was hatten sie davon, andere runter zu machen? Wieso konnte die Gesellschaft nicht freundlich miteinander umgehen?

      Seufzend trat ich zum Waschbecken und wusch mir die Hände, dann machte ich mit dem Ausräumen weiter.

      Dir so nah

      Christina liegt neben mir, an meinen Körper gekuschelt. Ihr sanfter Atem kitzelt in meinem Nacken, entfesselt mir immerzu ein kribbeliges Gefühl im Bauch.

      Wie schön die Nacht gewesen war! Unvergleichlich. In Worte nicht zu kleiden.

      Niemals hätte ich vermutet, ihr noch am selben Tage solchermaßen nahe kommen zu dürfen – speziell einer Jungfrau nicht.

      »Es war wunderschön«, höre ich sie hauchen. »Unfasslich schön. So habe ich es mir immer erträumt.«

      Ich lege die Hände auf Christinas meinen Oberkörper geschlungene Arme. »… Es war unglaublich.« Ihr Bein, welches zärtlichst über meines reibt, bringt mein Herz wie wild zum Klopfen. »Am liebsten würde ich nie mehr aufstehen.«

      Ein von Glücksgefühlen und Dankbarkeit genährtes Kichern dringt aus ihrem Mund in meine Ohren. »Hier gemeinsam liegen, bis ans Ende der Zeit.«

      Welch wundervolle Vorstellung!

      Christinas Magenknurren lässt mich auflachen. »Wie es scheint, hat der Hunger bedauerlicherweise ein Wörtchen mitzureden.«

      »Ja«, seufzt sie. »Unseligerweise.«

      Ich drehe mich zu ihr um. »Willst du frühstücken?«

      Jäh färben ihre Wangen sich dunkelrot, zugleich senkt sie den strahlenden Blick. »Lieber würde ich dich noch einmal spüren.«

      Heiße Erregung stürmt mir durch den Leib. »Meinst du wirklich?« Behutsam fahre ich ihr durchs samtweiche Haar. »Es hat dir wehgetan. Meinst du nicht, wir sollten etwas warten, bis wir erneut …«

      Beträchtlich beschämter schmiegt sie sich an meinen nackten Körper. »Entscheide du …«

      Liebend gerne hätte ich Christinas Wunsch erfüllt. Doch irgendetwas sagt mir, mich ein wenig in Geduld zu üben.

      »Gehen wir erst frühstücken und sehen dann weiter, einverstanden?«

      Nickend richtet sie sich auf. Hellbraune, leicht gewellte Strähnen fallen ihr über die Brüste. Es ist ein unbeschreiblicher Anblick – der schönste Anblick überhaupt.

      »Du bist wunderschön.« Ich schenke ihr einen nicht enden wollenden Kuss. »Meine Traumfrau.«

      Alsbald ich meine Stirn auf ihre gelegt habe, wispert Christina: »Das klingt nun vielleicht etwas zu naiv … aber du bist wahrhaftig all das, was ich mir jemals wünschte. Es mutet mir an, dich bereits mein gesamtes Leben lang zu kennen.«