Isabella Kniest

In Your Arms


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geliebt und von meinen Mitmenschen geachtet werden wollte ich. Wozu war mein Leben gut, wenn ich Tag für Tag alleine zurechtkommen musste? Sollte dies wahrhaftig den Sinn des Lebens darstellen? Erkennen zu müssen, im Grunde genommen, alleine zu sein … von niemandem beachtet zu werden? Dass alles, was ich tat und wofür ich kämpfte, letztlich völlig belanglos war … ich mein Leben lang alleine bleiben würde, bis zu meinem Tode?

      Unweigerlich kamen mir die Tränen.

      Dieses schreckliche Gefühl der Trauer nahm tagtäglich zu, wiederum meine Hoffnung schwand. Eine Hoffnung, die einmal unbezwingbar angemutet hatte – damals, als ich nach bestandener Abschlussprüfung aus dem Schulgebäude getreten war.

      Ich war mir so sicher gewesen, ein jedes meiner Ziele erreichen zu können.

      …

      Lediglich drei Wünsche waren es gewesen: Ein eigenes Haus, eine fixe Arbeit mit netten Kollegen und einen mich liebenden rücksichtsvollen Partner.

      Mehr wollte ich nicht. Mehr brauchte ich nicht. Mehr verlangte ich nicht. Ich wünschte mir keine Reichtümer, keinen »hippen« gut bezahlten Job, ein nagelneues Sportcabriolet oder eine Stadtvilla in Wien.

      Lieber begnügte ich mich mit den kleinen Dingen im Leben. Mir reichte eine warme Wohnung und vernünftiges Essen. Und wenn ich mir ab und an ein hübsches Kleid kaufen durfte … ja, was brauchte ich mehr? Keine von uns in diesem Leben angehäuften materiellen Güter konnten wir mit in den Tod nehmen. Positive Eindrücke und Erinnerungen – dies zählte … und nur wenige davon hatte ich bislang erleben dürfen.

      Ich drängte mich nicht gerne in den Mittelpunkt. Bereits deshalb hatte ich mich niemals nach übertrieben verantwortungsvollen Jobangeboten umgesehen oder überdurchschnittlich gut aussehende Jungs angesprochen. Des Weiteren war ich mir über meine eher bescheidenen Talente überaus im Klaren. Es gab nicht viel, das ich wirklich gut konnte. Zwar wusste ich von allem ein klein wenig, aber von nichts gut genug, um damit aufzufallen, daraus Profit zu schlagen oder von Männern im Allgemeinen bemerkt zur werden.

      Seit jeher standen mir meine Unsicherheit, Ängste und Selbstzweifel gehörig im Wege. Immerhin hatten diese mich in eine beinahe fünfjährige Arbeitslosigkeit gedrängt. Ebenso rührte der beschämende Umstand davon her, noch niemals zuvor geküsst worden zu sein.

      Nun, womöglich wäre ich rascher zu einen Job gekommen, wenn ich über einen großen Bekanntenkreis hätte blicken dürfen. Bedauerlicherweise war es mir weder damals noch heute möglich, auf eine solche Option zurückzugreifen. Die einzigen Menschen, die allzeit zu mir standen, waren meine Eltern. Sie glaubten an mich und sie unterstützten mich. Und dafür liebte ich sie bedingungslos.

      Durch das Arbeitsmarktservice hatte ich schließlich den Job in der Buchhaltung erhalten. Obgleich ich mit den Kollegen nicht sonderlich gut zurechtkam – und es im Laufe der Zeit bloß schlimmer zu werden schien – hatte ich auf eine Besserung gehofft – gleichermaßen, wie ich dies von vielen anderen Gegebenheiten meines Lebens erhofft hatte …

      Ich hatte fest daran geglaubt, der Weg aus der durch Mobbing gezeichneten Schulzeit würde irgendwann in ein glückliches Leben münden. Ich hatte vermutet, die Schatten meiner Vergangenheit abschütteln zu können. Ebenso war ich mir sicher gewesen, spätestens mit fünfundzwanzig Jahren in einer glücklichen Beziehung sein zu dürfen, und mit meiner großen Liebe meinen dreißigsten Geburtstag zu verbringen – irgendwo auf einer tropischen Insel … mein Traummann an meiner Seite … die Füße im weißen Sand vergrabend …

      …

      Wie töricht ich gewesen war, anzunehmen, es würde tatsächlich geschehen!

      Als ob es wahre Liebe gab! Als ob es Freundschaft und Verständnis gab!

      Ein brustzusammenziehendes Gefühl nötigte mich, tief einzuatmen.

      Ich musste aufhören, mir über solch dumme Dinge den Kopf zu zerbrechen!

      Doch sämtliche Versuche, mich auf den Schneefall und den Schneepflug vor mir zu konzentrieren, misslangen, und meine Gedanken rutschten abermals in dieselbe Schiene ab.

      Eine Beziehung.

      Weshalb brauchte ich überhaupt eine Beziehung? Weshalb sehnte ich mich nach einer für mich ohnehin in unerreichbarer Ferne legenden Sache?

      Fakt war: Niemand wollte mich! Ich war ein naives Mauerblümchen. Eine Frau, die sich nicht wie eine Frau, sondern wie ein dummer Teenager fühlte. Eine Frau, die zu allem Überfluss wie ein Teenager aussah! Aber das Schlimmste stellte nach wie vor die Tatsache dar, diesen vermaledeiten Wunsch nach einem Partner nicht aus meiner Seele löschen zu können! Dabei war ich mir über mein infantiles Verhalten zur Gänze bewusst.

      Wenn ich darüber nachdachte … Es brauchte mich nicht zu wundern, dass ein jeder sich von mir abwandte. Wer wollte auch jemanden an seiner Seite, der wie ein trotziges Kind nach der großen Liebe quengelte? Wer wollte jemanden an seiner Seite, der zu schüchtern geworden war, um einen Mann anzusprechen? Wer wollte jemanden an seiner Seite, der an Realitätsverlust litt?

      …

      Anna hatte wie immer recht: Ich war unfähig, irgendetwas richtig zu machen. Demzufolge funktionierte es auch mit einem Partner nicht. An etwas anderem konnte es nicht liegen.

      Sonst hätte ich längst jemanden kennengelernt.

      Trauer presste mir die Seele zusammen.

      Gleichgültig wie sehr ich es mir einzureden versuchte, keinen Partner zu brauchen, dieser in die Knie zwingende Seelenschmerz gedachte weiter anzuwachsen.

      Meine Seele schien nach irgendjemandem zu schreien, der mir einen Beweis für die Existenz wahrer Liebe gab.

      Mein Herz wollte es so sehr. Meine Seele verzehrte sich danach.

      Alleine mein Verstand hatte begriffen, welch großen Irrsinn diese peinliche romantische Vorstellung eines liebevollen, mich küssenden und in seinen Armen haltenden Mannes darstellte.

      Und überhaupt: Selbst wenn es einen solchen Mann geben sollte, wie vermochte ich es, diesem zu begegnen, wenn ich nie in Diskotheken und auf Feste ging? Wie sollte ich, ein solch dummes, unscheinbares und flachbrüstiges Ding, einem derartigen Traummann auffallen?

      Ich musste den Kopf schütteln.

      Heutzutage wollten Menschen verreisen, mit ihren Statussymbolen angeben und Spaß haben. Sie wollten tanzen, singen, Party machen – Prioritäten, welchen ich rein gar nichts abgewinnen konnte.

      Anstatt Festivals zu besuchen, mich hoffnungslos zu betrinken und ausschließlich meine eigenen Bedürfnisse ohne Rücksicht auf andere zu befriedigen, wünschte ich mir ein freundliches Miteinander, Respekt und Anstand, lange Spaziergänge im Wald, gemeinsames Zusammensitzen, Reden, sich wortlos in die Augen blicken …

      Die kurz aufflackernden Bremslichter des Schneepflugs vor mir brachten mich zum Schluss, für diese Zeit schlichtweg zu altmodisch zu sein.

      Ich musste mich damit abfinden. Ich passte nicht in diese Welt.

      Irgendwann würde mein Herz dies wohl verstanden haben.

      Hoffentlich dauerte es nicht mehr allzu lange!

      Ein Popsong, welcher an Fingernägel erinnerte, die über eine Schultafel kratzen, veranlasste mich, das Radio abzuschalten.

      Eines hatte ich in den vielen Jahren der Einsamkeit gelernt: Das Leben bestand nicht daraus, Träume zu verwirklichen. Das Leben bestand daraus, Hoffnung und Glauben zu verlieren. Mit Gewalt öffnete es meine Augen, zeigte mir die Realität. Eine Realität aus Rücksichtslosigkeit, Einsamkeit und Gefühlskälte.

      Mein Verstand arbeitete weiter, wollte wieder einmal keine Ruhe mehr geben … Erst das Dorf, welches langsam zwischen den eingeschneiten Wäldern hervortrat, vollbrachte es, meine tristen Gedanken für einen Moment kaltzustellen.

      Wie ein Bild von Thomas Kinkade lag es in einem lang gezogenen Hang – die Häuser durch den starken Schneefall beinahe nicht zu erkennen. Einzig die hell erleuchteten unzähligen