Isabella Kniest

In Your Arms


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dieser aus warmer Schurwolle. Dazu trug ich gefütterte Stiefel, eine warme Uschanka und ein dickes Kleid.

      Vor Frau Kälte lag somit noch einiges an Arbeit, bis sie mich vollends in ihre tödliche Umarmung nehmen konnte …

      Meine Beklemmung hinunterschluckend kuschelte ich mich in den Sitz und betete weiter.

      Träumereien

      Wenn sie geht, dann bewegt sie sich nicht bloß – dann küsst sie den Boden mit ihren Füßen. Wenn sie lacht, lächelt die gesamte Welt zurück. Wenn sie spricht, hält das Universum den Atem an, um ihr zu lauschen.

      Ich kann es noch immer kaum glauben. Sie hat Ja gesagt! Sie will mit mir ausgehen! Nächsten Samstag!

      Ich schließe die Wohnungstür und lehne mich mit nach wie vor rasendem Herzen an diese. Seit heute Morgen, als ich endlich den Mut aufbrachte, Christina zu fragen, klopft es wie verrückt.

      Sie hat mich nicht zurückgewiesen. Sie hat sich sogar ungemein gefreut! Wie ihr Antlitz erstrahlte. Wie sie mich musterte …

      Sie ist die schönste Frau, welcher ich jemals begegnet bin.

      Und nun darf ich dieses wunderschöne Wesen zum Essen ausführen! Ich, dieser schüchterne Mann, welcher von Frauen üblicherweise kaum bemerkt wird, oder eine Zurückweisung nach der anderen erhält.

      Langsam schreite ich durch meine Zwei-Zimmer-Wohnung. Die Februarsonne schickt ihre mit jedem Tag an Kraft zunehmenden Strahlen durch das hellgelb gestrichene Wohnzimmer. Sie tastet sich vor, durch die mit Blumenmuster verzierten weiß leuchtenden Gardinen, gleitet über die ebenso weiße Stoffcouch, dem quadratischen Ahorntisch, weiter über den hellen Parkettboden, um meine selbstgemalten auf der gegenüberliegenden Wand hängenden Landschaftsbilder zu beleuchten.

      Ich liebe es, zu malen. Vor allem Wasser und Bäume, saftiges Gras und lang gezogene Hügel vor einem opulenten, mit Schleierwolken geschmückten dunkelblauen Himmel.

      Womöglich würde ich eines Tages Christina malen dürfen. Ihre wunderschönen in der Sonne glänzenden goldenen Haare, die großen blauen, mich interessiert musternden Augen, gekleidet in einem dunkelgrünen, bodenlangen, tailliert geschnittenen Kleid – im Tau benetzten glitzernden Gras sitzend, umgeben von Abertausenden bunten Blumen …

      Seufzend lege ich die Kleidung ab, stelle mich unter die Dusche und überlege mir, was ich mit Christina unternehmen werde.

      Kino? Ein romantisches Essen in einem edlen Restaurant? Ein langer Spaziergang im verschneiten Park?

      Es gibt so viele wunderschöne Möglichkeiten!

      Während ich meinen Körper einseife, entscheide ich mich für einen Spaziergang im Park. Bestimmt würde ihr dies zusagen. Schließlich vernahm ich des Öfteren, wie sie über ausgedehnte Spaziergänge sprach.

      Mit ihr eingehakt durch die verschneite Winterlandschaft flanieren … Welch wundervolle Vorstellung! Sie näher zu mir ziehen, wenn es sie fröstelt … ihr so lange in die Augen blicken, bis unsere Lippen sich berühren …

      Ich schließe die Lider und träume weiter – von zarten Küssen und lieblichen Umarmungen.

      Kapitel 2 – Sehnsüchtige Träume

      Kleine bauschige, schneeweiße Wölkchen zieren einen hoffnungsvollen dunkelblauen Aprilhimmel. Bäume tragen ihre üppige rosa und weiße Blütenpracht selbstbewusst zur Schau. Vereinzelte Blütenblätter tanzen verspielt-fröhlich durch die süßlich duftende Frühlingsluft und lassen sich zärtlich auf das satte dunkelgrüne Gras nieder.

      Inmitten dieser prachtvollen, verschwenderischen Schönheit steht ihre zierliche Gestalt. Ein kurzes Kleid schmückt ihren betörenden Leib – so weiß wie die uns umgebenden abertausenden Apfelblüten. Das goldene Haar umrahmt ihr engelsgleiches Gesicht. Dunkelblaue in meine Seele zu blicken vermögende Iriden, so strahlend wie der Himmel über uns, lassen mein Herz höherschlagen.

      Ich fasse nach ihrer behandschuhten Hand. Rosa Lippen treffen auf meine. Meine Finger vergraben sich in ihr Haar. Ein süßer Seufzer bringt mein Herz zum Rasen. Behutsam leite ich sie zu Boden – keine Sekunde von ihr ablassend –

      »Jan?«

      Er schreckte hoch – und schlug sich den Kopf an der Dunstabzugshaube.

      In drei Teufels Namen.

      Tina beäugte ihn besorgt. »Hast du dich verletzt?«

      »Nein … nein.« Kopfschüttelnd fuhr er sich durchs Haar. »… es geht schon.«

      »Wo warst du mit deinen Gedanken? Ich habe dich fünfmal gerufen.« In ihren Händen hielt sie einen Stoß schmutziges Geschirr.

      »Ich äh … stell die Teller gleich –« Sein Blick huschte über hochgetürmte Fleisch- und Suppenteller, Kaffeetassen, Pfannen und Unmengen Besteck, das längst abgewaschen gehörte.

      »Genau darüber wollte ich mit dir sprechen«, kam es leicht genervt aus ihrem Mund. »Ich habe keinen Platz mehr zum Hinstellen. Und langsam fallen mir die Hände ab.«

      Eine Welle Adrenalin brachte sein Herz zum Pumpen. »Tut mir leid. Ich bin heute nicht sonderlich gut drauf.« Hastig griff er nach zwei großen Pfannen und ließ diese in das mit stark schäumendem Geschirrspülmittel versetzte warme Wasser des Edelstahlspülbeckens gleiten.

      Er musste seine Träumereien auf heute Abend verschieben, ehe er sich in ernsthafte Schwierigkeiten brachte …

      Für seine Ohren wie gewöhnlich einen Tick zu laut, stellte Tina die Teller auf den frei gewordenen Platz. »Das wären die Letzten.«

      Mit geübten Händen fing er an, die größere der zwei Pfannen zu schrubben. »Haben die Gäste sich in ihre Zimmer begeben?«

      »Nein, die machen einen Spaziergang.« Es folgte eine Kunstpause, in welcher Jan sich bereits gut vorstellen konnte, wie Tina ihr hübsches Gesicht verzog. »Bei dem scheußlichen Wetter! Unglaublich.«

      Unvermittelt huschte ihm ein sanftes Lächeln über die Lippen.

      Sie hatte den Schnee noch nie sonderlich viel Positives abgewinnen können.

      »Wie verrückt muss man sein, jetzt freiwillig vor die Tür zu treten?« Dies sagte sie in einem Ton, als würde draußen der Tod auf eine jede arme Seele warten, die sich bei einem solchen Wetter hinauswagte.

      Neue schmerzhaft scheppernde Geräusche brachten Jan beinahe dazu, die Ohren zuzuhalten. Darauf folgte ein Türenknallen der Küchenkästen, worauf er seiner Kollegin mit dem frechen roten Kurzhaarschnitt einen schnellen Blick zuwarf.

      Unerheblich wie oft er es in seinem Leben zu ignorieren versucht hatte, der ruppige Umgang mit Gegenständen tat ihm ohne Ausnahme in der Seele weh. Selbst, wenn solch robuste Alltagsgegenstände wie Pfannen oder loses Besteck weggeräumt wurden.

      Es war ein blitzartiger silberner Schmerz, der von seiner Brust aus durch seinen Magen rauschte und in Beinen und Armen ein abruptes Ende fand.

      Jan verlor niemals ein Wort darüber.

      Zu schwer wog die Furcht, auf eine ähnliche Weise gehänselt zu werden, wie von seinen einstigen Schulkollegen.

      …

      In ferner Vergangenheit und in einer unbedachten Minute hatte er einen seiner guten Freunde und Klassenkameraden gebeten, das Wasserglas nicht solcherweise laut auf den Tisch zurückzustellen – erstens, weil es ihm stets in den Ohren wehtat und zweitens, weil ihm das Glas leidtat.

      Hätte er dieses zweite Argument niemals laut ausgesprochen!

      Ab diesem Zeitpunkt hatte er seine ohnedies spärlichen Freunde verloren, und war zu allem Übel angesehene Zielscheibe für Neckereien der eigenen und der Parallelklasse geworden.

      »Der