Isabella Kniest

In Your Arms


Скачать книгу

Gesicht geschleudert hatte –

      »Jan, träumst du schon wieder?« Tinas Stimme zerriss jegliche Erinnerungen und entfesselte in ihm einen mittelschweren Adrenalinausstoß.

      »N … nein.« Mit zitternden Händen setzte er den Abwasch fort. »Nein.«

      Was war heute denn los mit ihm?

      Hatte er etwa einen Moralischen? Oder lag es tatsächlich bloß am stürmischen Wetter, welches das Feuer der Sehnsucht nach der wahren Liebe in ihm schürte?

      Die Eine

      Wir lustwandeln durch die vereiste, tief verschneite Winterlandschaft. Die über und über mit Schnee beladenen Zweige neigen sich bedrohlich unter der Last der weißen Pracht. Doch die Stärke, welche in ihren zarten Adern fließt, lässt sie gegen die unbeugsamen Kräfte der Erdanziehung bestehen.

      Die mit Christina um die Wette strahlende Sonne und ein paar den Frühling sehnlichst herbeisingende Vögel begleiten uns auf unserem romantischen Spaziergang durch die lang gezogene Allee.

      Ich ziehe Christina näher zu mir.

      Wie schön das Empfinden, sie endlich bei mir zu wissen. Wenngleich ich mir noch immer nicht über ihrer Gefühle zu mir gewahr bin.

      Mag sie mich?

      Liebt sie mich?

      Ein scheuer Blick, ein unsicheres Lächeln, errötende Wangen.

      Sie ist so schön. So schön wie eine Göttin. So schön wie ein Engel des Herrn.

      »Solcherweise lange habe ich gehofft, du würdest mich ansprechen«, fängt sie zögerlich und mit zusehends heißer werdenden Wangen zu erzählen an. »Aber irgendwann gab ich es auf … Und dann, aus heiterem Himmel, fragst du mich das, was ich mir sehnlichst wünschte.«

      Mein Herz beginnt zu rasen.

      Kann es die Möglichkeit sein? Waren ihre langen Blicke doch keine Einbildung gewesen?

      »Ich … ich habe nichts davon geahnt.« Mein Arm zieht sie noch näher zu mir. »Ich dachte, du hättest kein Interesse.«

      Verwunderung spiegelt sich in ihrem betörenden Angesicht wider. »Aber nein!« Ich spüre, wie sie ihren Arm um den meinen schlingt. »Jeden Tag dachte ich ›Heute spricht er mich an. Heute wird er etwas sagen.‹ –« Sie senkt das Haupt. »Aber nie kam es dazu.« Dies verlautet, finden ihre wunderschönen blauen Augen wieder die meinen. »Bis letzten Dienstag.« Ein gewaltiges Lächeln lässt ihr Seelenlicht erstrahlen. »Zuallererst dachte ich, ich würde träumen. Es war surreal.«

      »Mein Gott … Christina … wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dich bereits vor einem halben Jahr angesprochen.«

      Wir bleiben stehen.

      Sie dreht sich gänzlich zu mir und fasst nach meinen Händen.

      »Ich war unsicher«, gebe ich schweren Herzens zu. »… bisher erhielt ich ausnahmslos Absagen. Ich fürchtete mich unwahrscheinlich davor, auch von dir weggestoßen zu werden.«

      Sie schüttelt den Kopf. »Niemals hätte ich dich weggestoßen.«

      Langsam lehne ich mich zu ihr. Ihre rosa Lippen erinnern an frisch aufgeblühte zärtlich duftende Rosen in der heißen Junisonne, welche der zu hart gewordenen Welt ihre jugendliche, durch naive Hoffnung und Tatendrang bestehende Schönheit stolz präsentieren.

      »Selbst dann nicht, wenn ich dich küsse?«

      Sie erzittert.

      »Geht es dir zu schnell?« Ich suche ihren Blick. »Sag mir, wenn es dir unbehaglich wird.«

      Ein beinahe unmerkliches Kopfschütteln folgt. »Ich bin lediglich etwas … verunsichert. Zwar hatte ich Verabredungen … aber noch nie hat jemand mich zu küssen versucht.«

      Hitze erfasst mich. »Noch nie?«

      Kummer huscht über ihr bildhübsches Angesicht. »Noch nie.«

      »Darf ich dich küssen? Lässt du mich es dir zeigen, wie schön es sich anfühlen kann?«

      Christinas unaussprechlich scheues Nicken lässt meinen Worten Taten folgen.

      Ein neues Zittern ergreift Besitz von ihr. Meine rechte Hand legt sich um ihre Taille, meine linke auf ihren Hinterkopf. Sachte, unaussprechlich sachte lasse ich meine Lippen über ihre tanzen. Ein nahezu unhörbares Seufzen verlässt ihren Mund, gleichzeitig schlingen ihre Arme sich um meinen Oberkörper. Ich verliere mich in den durch ihre weichen, süßschmeckenden Lippen hervorgerufenen prickelnden unkontrollierbar durch meine Seele stürmenden Gefühlen, gestatte mir, mich in ihre zarten Arme fallen und von ihrem blumig pudrigen Parfum jegliche Zweifel nehmen zu lassen.

      Sie ist es.

      Ich weiß es.

      Sie ist diejenige, welche.

      Kapitel 3 – Eine Rettung und ein Herzenswunsch

      Finsternis hatte sich über die verschneite Landschaft gelegt.

      Als ich vor zehn Minuten meine Seitenscheibe von einer dicken Schneeschicht befreit hatte, hatte ich mich davon bezeugen dürfen, wie wenig die sinkenden Temperaturen dem starken Schneefall ausmachten.

      Drei Stunden.

      Drei geschlagene Stunden wartete ich nun auf Hilfe! Doch niemand war vorbeigefahren. Keine einzige Menschenseele.

      Zitternd drückte ich mich tiefer in den Sitz.

      Ich steckte ganz schön in der Klemme.

      Wenn wahrhaftig niemand mehr vorbei kam, was sollte ich dann tun? Bei dem Wetter sich zu Fuß auf den Weg zu machen, wäre einem Selbstmord gleichzusetzen. Die letzte Ortschaft lag über zehn Kilometer weit entfernt. Und die Nächste tauchte ebenfalls erst in ungefähr zehn Kilometern auf.

      Ich richtete meine Brille.

      Wie es aussah, musste ich weiterhin untätig in meinem erkalteten Wagen auf Hilfe warten –

      Zwei Lichtstrahlen verdrängten meine Überlegungen. Da wo sie die Dunkelheit durchschnitten, enthüllten sie mir allmählich kritische Ausmaße annehmendes Schneegestöber.

      Ein Auto, schoss es mir durch den Kopf. Das muss ein Auto sein!

      Hektisch und mit rasendem Puls riss ich die Wagentür auf und stolperte hinaus.

      Ungefähr vierzig Meter von mir entfernt erblickte ich ein von Schneeflocken umwehtes Fahrzeug.

      Das konnte meine Rettung sein!

      Gleichermaßen wie Erleichterung sich in meiner Seele ausbreitete, tauchte meine vertraute Menschenscheue auf.

      Der schiere Gedanke daran, einer wildfremden Person meine missliche Lage zu erklären, bescherte mir einen heftigen Adrenalinausstoß.

      Ich ordnete mich zur Ruhe.

      Es brachte nichts, vor Panik durchzudrehen. Ohne Hilfe war ich verloren. Das war Fakt. Demzufolge blieb mir gar nichts anderes übrig, als meine Schüchternheit auf die Seite zu schieben, meine Arme nach oben zu reißen und zu winken.

      Hoffentlich sah mich der Fahrer … er musste mich einfach sehen!

      Nach einigen Momenten erkannte ich eine Schaufel, welche pulvrige Massen an Schnee auf die Seite schob.

      Ein Schneepflug.

      Während ich weiterhin wie verrückt mit den Armen schwenkte, setzte ich einen Schritt Richtung Straße.

      Das Fahrzeug drosselte die Geschwindigkeit.

      Oh, Gott sei Dank!

      Dafür beschleunigte mein Herzschlag sich nochmals um gut fünfzig Prozent.

      Würde