Isabella Kniest

In Your Arms


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      Und jetzt?

      Was sollte ich tun? Meine Eltern anrufen und sie fragen, ob sie mir etwas liehen?

      Nein.

      Ihre finanzielle Situation sah nicht unbedingt rosiger aus.

      Ich hatte mich da selbst reingeritten, demzufolge musste ich mich selbst rausholen … Bloß wie?

      Nachdenklich blickte ich mich um.

      »Gibt es eine andere Möglichkeit der Bezahlung?«

      Im selben Moment wurde ich mir meiner – neuerlich – dummen Worte gewahr.

      Herrgott!

      Was konnte er mir denn anbieten? Ratenzahlung vielleicht?

      Es wurde sekündlich schlimmer mit mir …

      Der junge Mann runzelte die Stirn. »Worauf wollen Sie hinaus?«

      Eben wollte ich zu einer, wahrscheinlich wesentlich dummeren Antwort ansetzen – da ertönte eine satte männliche Stimme.

      »Oh! Ein neuer Gast.«

      Ich wandte mich nach rechts. Ein vielleicht ein Meter siebzig großer, ziemlich übergewichtiger älterer Herr trat zu uns. »Sie scheinen etwas besorgt. Kann ich Ihnen behilflich sein?«

      Er wirkte sehr herzlich und aufgeschlossen – allen voran sein entwaffnendes Lächeln.

      Würde er es verstehen, wenn ich ihm meine Lage erklärte?

      …

      Es wurde mir flau im Magen.

      Für gewöhnlich hatte ich Pech, wenn ich andere Menschen um Hilfe bat. Da traf ich auf Personen, welche sich für meinen Schlamassel nicht interessierten, oder mit genügend eigenen Problemen kämpften und mich aus diesem Grunde links liegen ließen.

      Würde es, wie zuvor bei Walter, in dieser Situation anders verlaufen? Durfte ich es wagen? Oder würde der Herr mich hochkant rauswerfen?

      Im Auto Übernachten war nicht eben die Vorstellung eines verlängerten Wochenendes in den Bergen. Andererseits: Welche Alternativen gab es?

      …

      Die Augen des Mannes strahlten mich glücklich an. Sie schienen ungemein verständnisvoll und aufrichtig …

      Ach, was solls!

      Ich kratzte meinen gesamten Mut zusammen und begann zögerlich zu erklären: »Ich habe ein Problem … Nun … Es ist so …«

      Meine Güte! Ich klang so unsicher. Wahrscheinlich vermutete der Mann bereits, ich sei ein völlig hilfloser und unfähiger Mensch …

      »Ich war auf den Weg zu meinen Eltern. Sie wohnen vier Dörfer weiter –«

      Ein zärtliches Berühren meines linken Oberarmes durch seine Hand brachte mich dazu, innezuhalten.

      »Kommen Sie mit. Besprechen wir das am besten in meinem Büro.«

      Mit aller Kraft hielt ich mich davon ab, zurück zu stolpern.

      Ich ertrug es nicht, wenn Personen mir zu nahe kamen. Dazu zählten bereits ein einfaches Berühren meines Arms oder ein unverbindliches Händeschütteln – selbst dann, wenn ich, wie heute, einen langen Mantel und Handschuhe trug.

      All meiner Aufregung zum Trotz begann mein Verstand die Situation blitzschnell zu werten. Und keinen Augenblick später brachte er eine Frage hervor: Weshalb wollte der Herr in seinem Büro, und nicht hier mit mir sprechen? Schließlich wusste er nicht, in welcher Lage ich mich befand.

      …

      Wollte er womöglich etwas ganz Spezielles von mir?

      Beruhige dich!, ermahnte ich mich. Du bist einfach zu übervorsichtig. Viel mehr, als im Auto zu übernachten, kann bei der Sache nicht rauskommen … also, versuche dich ein wenig zurückzuhalten.

      Lautlos seufzend nickte ich dem Mann zu.

      Ich folgte ihm durch einen langen, mit Holz verkleideten Korridor, auf dessen Wänden Knüpfbilder von verschneiten Häusern und Wildtieren hingen. Ein altrosa Teppichboden verschluckte sämtliche Geräusche unserer Schritte und unterstrich die heimelige Atmosphäre.

      »Da wären wir.« Dort, wo der Flur einen Knick nach links machte, befand sich eine nachgedunkelte Holztür. Diese mündete in ein mittelgroßes mit Vollholzmöbeln, Holzstuck und schweren dunkelroten Vorhängen eingerichtetes Zimmer. Ein behaglicher Duft von ebendiesen Möbeln vermischt mit Vanille hing in der Luft, und ein in verschiedenen Brauntönen gehaltener Teppich schmückte den Boden.

      »Hier bitte.« Er zeigte auf einen von zwei Holzstühlen, auf dessen Rückenlehnen Edelweißblüten eingeschnitzt worden waren. »Setzen Sie sich.«

      Dankend ließ ich mich nieder.

      »Sie scheinen mir ziemlich verzweifelt«, entgegnete der dickliche Mann besorgt, während er sich mir gegenüber auf einen gewaltigen Ledersessel setzte. »Haben Sie Schwierigkeiten?«

      Mein Herzschlag beschleunigte sich.

      »Wie? Was –«

      Woher konnte er das wissen?

      »Tut mir leid …« Er vollführte beruhigende Handgesten. »Ich falle schon wieder mit der Tür ins Haus, nicht?«

      »Äh, also –«

      »Es tut mir wirklich leid. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.« Einige Augenblicke lang hielt er die Lider geschlossen. »Es ist bloß so … ich erkenne, wenn Menschen bedrückt sind … Darum mein Vorschlag, hier mit Ihnen darüber zu sprechen.«

      Spätestens jetzt war ich vollends meiner Worte beraubt.

      Strahlte ich meine Verzweiflung etwa dermaßen heftig aus?

      …

      Wollten Mitmenschen deshalb nichts mit mir zu tun haben? Hatte das daran Schuld? Machte sich deshalb ein jeder lustig über mich?

      Kälte erfasste mich.

      Wollte etwa deshalb kein Mann mit mir zusammen sein?

      …

      »Also«, riss der Herr mich aus meinen Grübeleien. »Wenn Sie darüber sprechen möchten – nur raus damit.«

      »Ich … nun –«

      Meine finanziellen Sorgen konnte ich nicht irgendeinem fremden Menschen anvertrauen! Damit gab ich mich höchstens der Lächerlichkeit preis – etwas, das mir in der Vergangenheit unzählige Male widerfahren war und ich aus exakt diesem Grunde zwingend verhindern wollte.

      Andererseits – was hatte ich noch großartig zu verlieren, außer einen Stolz, welchen ich ohnehin längst verloren hatte?

      Des freundlichen Herren wärmeausstrahlende Augen nahmen mir einen Teil meiner Verunsicherung.

      »Ich bin gänzlich pleite«, gab ich seufzend zu und nahm meine Uschanka ab. »Ich habe meine Kreditkarte zu Hause vergessen und mein Konto ist blank. Darüber hinaus trage ich nur fünfzig Euro bei mir – mein Tankgeld für diesen Monat.«

      Stumm nickend hörte er mir angestrengt zu. Erkennen konnte ich dies an seinen leicht zusammengezogenen Augenbrauen und der in Falten gelegten Stirn.

      »Und jetzt ist die Straße gesperrt, und ich komme nicht zu meinen Eltern. Sie hatten mich eingeladen – wollten unbedingt, dass ich sie besuche.«

      »Und dann musste der Schneesturm aufkommen«, warf er nachdenklich ein.

      »Ja, genau so siehts aus.« Ich legte meine Hände um die Kopfbedeckung in meinem Schoß. »Ich kann Ihnen bloß vorschlagen, meine Eltern anzurufen, damit sie mir das Geld vorstrecken … Ich habe wirklich nichts mit.«

      Abermals nickte er.

      Meine Eltern wollte ich damit am wenigsten belasten, aber irgendwie musste ich das Hotelzimmer schließlich bezahlen. Was blieb mir da anderes