Isabella Kniest

In Your Arms


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Anblick, der mir das Herz zum wiederholten Male zusammenkrampfte.

      Ich zählte mich wahrlich nicht zu den Romantikern, jedoch mit meiner großen Liebe durch eine derartige bezaubernde Winterlandschaft spazieren – diese Vorstellung trug ich seit Kindesbeinen an in meinem Herzen.

      …

      Wieso tauchten diese vermaledeiten Bilder bloß andauernd auf?! Sie waren es schließlich, die mir mein Herz zerrissen!

      Ich war keine sechzehn mehr. Selbst, wenn ich mich solchermaßen dumm fühlte – ich war dreißig Jahre alt! Ich war erwachsen! Dieser Umstand alleine sollte mir zu verstehen geben, dass eine Zeit, in welcher ich wie ein verliebter Teenager durch die Gegend herumstolzieren hätte können, endgültig vorübergezogen war.

      Gegangen war die Chance auf Küsse im Park, sorgenfreie Ausflüge, mit Liebe und Glück gefüllte Sommerferien oder Spontanurlaube.

      In meinem Alter sollte man solche Dinge längst erlebt haben. Da sollte man einige Jahre zusammen gelebt, womöglich sogar ein Haus gekauft haben. Da gründete man eine Familie. Da hatte man sich ein Leben aufgebaut.

      Ergo: Sollte ich noch irgendwann einmal irgendjemanden antreffen, der sich überwand und mit mir abgab, wäre die Zeit des kindischen Verliebtseins ohnehin nicht mehr möglich. Sie war still und heimlich an mir vorübergezogen. Ich hatte sie verpasst.

      Wie sagten meine Arbeitskolleginnen? »Es ist deine Schuld, wenn du dir nicht früher einen Mann geangelt hast. Jetzt bleibst du allein.«

      Der Schneepflugfahrer leitete mich durch die lieblich geschmückten Blockhütten hinauf zu einer sanft erleuchteten Pension.

      Ich stellte meinen Wagen in einer halb ausgeschaufelten Parklücke ab und stieg aus.

      »Ich weiß gar nicht, wie sehr ich Ihnen danken soll«, entgegnete ich erschöpft, dafür wenigstens die schmerzenden Überlegungen zu verdrängen vermögend.

      Der Mann präsentierte mir ein verschmitztes Lächeln. »Sie können mich zu einem kleinen Bier einladen.« Er nickte zur Pension. »Das Edelweiß hat ein eigen gebrautes köstlich schmeckendes Weißbier.«

      Diesen Gefallen tat ich ihm gern.

      Kichernd bejahte ich. »Einverstanden … Ich muss bloß meinen kleinen Trolley aus dem Kofferraum heben, dann kanns losgehen.«

      »Soll ich Ihnen behilflich sein?«

      »Nein, nein.« Kopfschüttelnd öffnete ich die Heckklappe. »Er ist ganz leicht. Ich brauche nicht sehr viel Gepäck.«

      »Dann sind Sie aber eine große Ausnahme unter dem weiblichen Geschlecht.«

      Glucksend hob ich den weißen Rollkoffer heraus und schloss die Klappe. »Danke für das Kompliment.«

      …

      Ich erschrak.

      Seit wann gelang es mir, auf eine solchermaßen lockere und ungezwungene Art mit einer mir völlig fremden Person zu sprechen? Üblicherweise überwogen meine Selbstzweifel, sodass ich eine Aussage wie diese bestenfalls mit einem kurzen Lächeln beantwortet hätte.

      Wahrscheinlich hatte meine Aufgekratztheit Schuld daran. Der Beinahe-Unfall, die drei Stunden des bangen Wartens auf Hilfe – da konnte man schon ein wenig durcheinandergeraten.

      Ein raues Lachen seinerseits erklang. »Gern geschehen.« Er streckte mir die Hand entgegen. »Ich heiße übrigens Walter. Wenn es dir recht ist, können wir uns gern Duzen … das tun hier eigentlich alle.«

      Hochzüngelnde leichte Ängste unterdrückend ergriff ich seine Hand. »Gerne. Und ich bin Liza. Freut mich.«

      »Wie?« Er schien verwirrt. »So einen Namen habe ich aber noch nie gehört.«

      »Äh … du kannst mich auch gerne Lisa nennen, wenn es für dich einfacher ist.« Ich zog meine Hand zurück. »Das tun sowieso die meisten.«

      »Das klingt gut.« Seine Lippen zeigten mir ein Lächeln. »Na, dann komm mal mit, Lisa.«

      An meinem Namen war bisher ein jeder verzweifelt. Und, wie in Walters Fall, hatte ich damit kein Problem. Weh tat es allerdings, wenn man mich hänselte oder mir irgendwelche selbst ausgedachten Spitznamen gab.

      Wie Kitty …

      Walter öffnete mir die schwere Holztür. »Nur herein in die gute Stube.« Alsbald er zur Rezeption blickte, an der ein junger, elegant gekleideter schwarzhaariger Mann stand, verwandelte sein Lächeln sich in ein breites Grinsen. »Michi! Sieh mal, wen ich mitgebracht habe.«

      Während ich meine Stiefel abklopfte, baute meine Menschenscheue sich abermals auf.

      Schluckend trat ich zu den beiden.

      »Das ist Lisa«, stellte Walter mich vor. »Sie braucht ein Zimmer, solange die Straße gesperrt ist.« Er sah zu mir. »Ich gehe schon mal zur Bar. Komm einfach nach, wenn du dein Zimmer reserviert hast.«

      »In Ordnung.« Ich lächelte meine Unsicherheit weg, stellte den Trolley neben mich hin, griff in meine Handtasche und holte nach einigem Suchen mein Portemonnaie hervor. »Wie viel kostet denn ein Einzelzimmer?«

      »Fünfundvierzig Euro plus zwanzig Euro Single-Aufschlag.«

      Verflixt und zugenäht!

      Das kam mir ganz schön teuer.

      »Das ist etwas viel … Gibt es vielleicht ein Einzelzimmer? Irgendwo eines im hintersten Eck, oder so?«

      Der Mann wirkte entsetzt. »Nein, tut mir leid. Wir bieten nur Doppelzimmer an.«

      Und ich wollte mich für meine unbedachte Äußerung liebend gerne selbst ohrfeigen.

      Weshalb musste meine Nervosität und Unsicherheit mir durchwegs Steine in den Weg legen? Weshalb brachte mein Gehirn solch dumme Erwiderungen hervor?

      Wo blieb die Schlagfertigkeit und Redegewandtheit, wenn ich sie brauchte?

      »Ist es möglich, mit Kreditkarte zu zahlen?«

      Der Rezeptionist bejahte. »Sehr gerne.«

      Ich war kein Freund bargeldloser Bezahlung. Allein meine Musikeinkäufe, welche ich ausnahmslos online abwickelte, hatten mich dazu gedrängt, ein solches Zahlungsmittel beantragen zu lassen.

      Als sie mich in den darauffolgenden Jahren aus einer großen Anzahl heikler Situationen gerettet hatte – wie zu niedrig geschätzte Tankkosten oder Geldknappheit ausgelöst durch Nachzahlungen der Stromrechnung – war sie mir jedoch zu einem unabdingbaren Freund im Kampf des Lebens einer jungen Frau geworden.

      Ich zog die graue Karte hervor und reichte sie dem jungen Mann. »Bitte sehr.«

      Eben wollte er sie in das POS-Gerät stecken, da beäugte er sie nochmals kritisch. Er räusperte sich. »Tut mir leid, aber diese Karte ist abgelaufen.«

      Mir wurde es heiß und kalt und schwindlig zugleich.

      Bitte, was?!

      »Zeigen Sie mal.« Ich nahm sie zurück und blickte auf das Datum: Zwölf zweitausendsechzehn.

      Grundgütiger!

      »O nein …« Leicht panisch durchsuchte ich die gesamte Brieftasche. »Nein … Nein. Das kann nicht wahr sein!«

      Bittere Verzweiflung ummantelte mich.

      Ich suchte die Handtasche vollständig ab sowie sämtliche Manteltaschen.

      Nichts.

      Resigniert blickte ich in die dunklen Augen des Rezeptionisten. »Ich … Ich habe die neue Karte dann wohl zu Hause auf meinem Bürotisch liegen gelassen.«

      Der Mann nickte verständnisvoll. »Sie können auch gerne mit einer Bankomatkarte bezahlen.«

      O nein!

      Diese Option kam für mich ebenso wenig infrage. Aus dem einfachen Grund: Mein Konto war leer.

      »Das geht zur Zeit