Christian Jesch

Renaissance 2.0


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irritiert.

      "Wie darf ich das verstehen?" Er blickte die anderen Anwesenden fragend an.

      "So, wie ich es gesagt habe."

      "Können Sie mir genauere Informationen über sich geben oder sind Sie dazu nicht berechtigt?", erkundigte sich der Kommandant jetzt ohne Umschweife. Dieses Mal lag es an Jikav, verständnislos dreinzublicken.

      "Wie kommen Sie darauf, ich wäre nicht berechtigt über mich zu sprechen?"

      "Ihr Unterlagen sind mit einem Passwort gesperrt. Daher habe ich vermutet, dass Sie eventuell zum Geheimdienst oder einer anderen Organisation gehören."

      "Nein", war die gleichgültige Antwort. "Wollen sie mich nun mitnehmen oder kann ich weiter?" Der Kommandant war unschlüssig, was er mit dem Jungen machen sollte. Allem Anschein nach hatte er nichts verbrochen. Dass seine Daten aber nicht zugänglich waren, ließ ihn einfach nicht los. Einige Sekunden lang überdachte er seine Optionen, bis er dann schließlich einen Entschluss fasste.

      "Wir bringen Sie zunächst einmal in die Geheimdienstzentrale. Die werden dann entscheiden, was mit Ihnen geschieht. Ich hoffe, Sie sind damit einverstanden."

      "Ist mir ziemlich egal. Nur lassen Sie mich möglichst in Ruhe", ergab sich Jikav seinem neuen Schicksal.

      "Für den Flug dort hin, kann ich Ihnen dies garantieren. Starten. Wir fliegen nach Danvor und übergeben den Mann dem Geheimdienst. Kümmern Sie sich um ihn."

      Der Patrouillenhover stieg wieder auf und wendete sich in südöstlicher Richtung. Die Strecke zu dem unbekannten Punkt zurückzulegen, würde knappe drei Stunden dauern. Während dieser Zeit saß der Kommandant nachdenklich in seinem Kommandostuhl. Die Art und Weise des Jungen, die Tatsache, dass er sich nicht widersetzt hatte, die Gleichgültigkeit, all das ließ ihn einfach nicht los. Die Teilnahmslosigkeit ließ darauf schließen, dass diese Person mit ihrem Leben abgeschlossen hatte. Als würde er nicht mehr lange haben. Wer war er und was hatte er mit der Zerstörung von Nuhåven zu tun? Warum war er da gewesen? War es vielleicht sein Auftrag gewesen, die Biosphäre zu vernichten? Immer neue Theorien wurden vom Kommandanten entwickelt und dann wieder verworfen. Alles ergab keinen Sinn. Schließlich gab er es auf. Sollte sich doch der Geheimdienst in Danvor darum kümmern. Wenn er jedoch eine vollkommen unbedeutende Person war, würde er den Standort nie mehr lebend verlassen. Danvor war die geheimste Basis der ProTeq und lag im sogenannten unentdeckten Land. Ein trostloses Gebiet ohne Vegetation, ohne Wasser ohne alles. Die Hölle war dagegen ein paradiesischer Ort. Wenn er nicht einige Jahre dort als Wachposten gedient hätte, wäre ihm die Lage ebenso unbekannt, wie allen anderen.

      Bereits mehrere Kilometer vor dem Erreichen wurden sie von einem anderen Hover aufgebracht und zur Landung gezwungen. Nach einigem Hin und Her und jeder Menge Erklärungen, übernahm dieser Jikav und verschwand dann im Himmel, wo er unsichtbar wurde. Der Kommandant staunte nicht schlecht, als sich das riesige Luftgefährt in Nichts auflöste. Das musste die neue Tarnvorrichtung sein, von der er hinter vorgehaltener Hand Gerüchte gehört hatte.

      Eine gute dreiviertel Stunde später setzte der Hover des Geheimdienstes zur Landung an. Als Jikav den Flieger verließ, schlug ihm heißer Wind ins Gesicht, der heftig Sand aufwirbelte. Dieser Platz war wirklich von allem verlassen. Vermutlich sogar von der Hoffnung. Wenig interessiert schaute sich der Junge um und versuchte so viel wie möglich von seinem neuen Domizil in sich aufzunehmen. Ein riesiges, sandbraunes Stahlbetongebäude, das lediglich zwei Stockwerke besaß, sich dafür aber scheinbar über hunderte von Quadratmeter erstreckte, war der Mittelpunkt der Anlage. Fenster konnte er keine entdecken. Vermutlich eine gute Entscheidung, da die Sonne dank der fehlenden Ozonschicht hier noch unerbittlicher zu brennen schien, als in anderen Teilen des Landes. Einer der Besatzungsmitglieder deutete mit dem Arm auf einen bestimmten Bereich des Gebäudekomplexes und forderte den Junge auf, sich dort hinzubegeben, was Jikav auch tat. Ein zweiter Mann der Besatzung folgte dem Jungen auf seinem Weg und übergab ihn und einen dünnen Aktenordner an zwei weitere Personen, die hinter der Stahltür stand, die sich öffnete. Der Agent warf einen kurzen Blick in die Papiere, schaute den Mann von der Besatzung fragend an, welcher mit den Achseln zuckte, und wendete sich dann zum Gehen. Jikav lief vollkommen emotionslos hinterher. Schließlich erreichten die sie das vermutliche Herzstück des Komplexes. Dort stand eine athletisch gebaute Frau, die ihn erwartungsvoll entgegenschaute. Die schulterlangen Haare waren zu einer strengen Frisur gearbeitet. Stahlgraue Augen, die kurz unter ihrem Pony lagen, durchbohrten ihn. Ihre Lippen waren voll, doch der Mund zeigte eindeutig Härte.

      "Dein Name ist Jikav", stellte die Frau unvermittelt fest, nachdem sie den Jungen gemustert hatte. "Warum hat man dich hergebracht?"

      "Meine Akte ist gesperrt."

      "Und das ist alles?", forschte die Kommandantin weiter nach.

      "Was weiß ich. Ist mir auch egal."

      "Es scheint dich nicht großartig zu interessieren, was hier passiert. Woran liegt das? Solltest du eventuell hier herkommen? War das dein Auftrag?"

      "Warum fragen Sie mich? Ich habe nicht den Daumen rausgehalten, damit Ihre Piloten mich mitnehmen. Ich weiß nur, dass der Kommandant des anderen Hover wohl ein Interesse an mir hat, weil meine Daten gesperrt sind. Vielleicht schauen sie da mal rein und überlegen dann, was ich hier soll."

      "Das werde ich." Die Frau drehte sich um und ging zu einem der vielen Terminals in dem Raum. Es dauerte nur Sekunden, da hatte sie seine Akte gefunden. Erneut erschien auf dem Bildschirm das bereits bekannte: Jikav, Passwort erforderlich. Dieses Mal folgten den drei Worten aber noch eine Buchstaben-Zahlen-Kombination. Die Kommandantin rief ein weiteres Programm auf, das sie mit einem Passwort freischaltete, um dann die Buchstaben und Zahlen dort einzugeben. Ein leises, bewunderndes Hmmm entwich ihr, als sie die Sicherheitsstufe sah. In einem dritten Programm suchte sie nun unter der Sicherheitsstufe nach den entsprechenden Passwörtern, um sein Dossier freizuschalten. Dann nahm sie sich alle Zeit, die sie benötigte, um den Inhalt komplett durchzulesen.

      "Interessant, Jikav. Sie sind ja geradezu eine Persönlichkeit. Nur wissen Sie wahrscheinlich gar nichts davon. Das ist schade. So leid es mir tut, aber Sie werden wohl den Rest Ihres Lebens hier verbringen müssen. Dies ist eine geheime Basis, von deren Existenz nichts nach draußen dringen darf. Deswegen kann ich Sie nicht mehr gehen lassen. Aber aufgrund ihrer Herkunft und Vergangenheit wäre das sowieso nicht möglich gewesen. Vielleicht finden wir eine Verwendung für Sie. Möglicherweise können wir sogar Ihr Interesse wecken, für uns zu arbeiten. Das wäre ein grandioser Erfolg für uns und würde Ihnen auf gar keinen Fall zum Nachteil gereichen."

      "Kann sein", kommentierte Jikav ihren Begeisterungsausbruch. "Kann ich jetzt endlich irgendwo untergebracht werden. Das hier langweilt mich." Jikav drehte sich um und machte sich auf den Weg zur Tür, wobei er ein fast unmerkliches Lächeln auf dem Gesicht hatte, während er die Emotionen der Kommandantin scannte. Die Frau hatte ihm einen entscheidenden Hinweis gegeben. Die Daten, welche die ProTeq über ihn unter Verschluss hielten, beinhalteten allem Anschein nach auch Informationen über seine Herkunft, wer er wirklich war. Irgendwie musste er die Frau unter seine Kontrolle bekommen, damit sie ihm diese Informationen zur Verfügung stellte. Er würde sie in den nächsten Tagen weiter beobachten. Ihr Gehirnmuster hatte er bereits abgespeichert, sodass er sie auch auf große Entfernungen überwachen konnte. Es würde mit Sicherheit nicht lange dauern, die Kommandantin auf seine Seite zu bekommen, wenn er nur ein wenig bei ihren Gefühlen die richtigen Schrauben stellte. Sobald er wusste, woher er gekommen war, würden seine Zweifel über Tandra und ihn endlich beseitigt. Und sollte sie dann immer noch seine Schwester sein… Jikav stockte bei diesem Gedanken. Wenn sich herausstellte, dass Riém doch nicht gelogen hatte, würde ihn das sein Leben lang verfolgen. Denn bislang hatte er noch keine Alternative gefunden, den Schmerz über ihren Verlust zu bekämpfen und zu besiegen. Tandra war alles, was er je wollte.

      Kapitel 12

      Tandra hatte sich, wie es ihr Kaziir empfohlen hatte, hingelegt. Das war auch dringend notwendig gewesen, wie sich schnell herausstellte. Die junge Renegatin hatte sich kaum in das Bett begeben, da war sie auch schon eingeschlafen. Wilde Träume jagten durch ihr Unterbewusstsein. Teile von Akeḿ manifestierten sich in sehr genauen Abläufen. Jachwey tauchte immer