Isabella Kniest

Love's Direction


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      Er schlug ihre verkackte Hand zur Seite, wich zurück und taxierte sie giftig. »Fass gefälligst mein verschissenes Haar nicht an! Das tut weh, du grober Klotz!«

      Sie schürzte die Lippen. »Aber sie sind wahnsinnig kuschelig.« Dies gesprochen sekkierte sie sein Haupt mit beiden Händen, woraufhin er vom Barhocker glitt, drei Schritte nach hinten stolperte und die Arme in einer abwehrenden Geste von sich streckte. »Steffi, hör auf, oder bei Gott, ich vergesse mich.«

      Seine Kopfhaut war ausgesprochen empfindlich – eine erogene Zone, die von keinem Menschen außer seiner Partnerin berührt werden durfte!

      »Mann! Du Spaßbremse!« Seine fläzige Freundin zog eine beleidigte Schnute, welche große Ähnlichkeiten mit der eines ungezogenen Hosenscheißers aufwies. »Komm einfach vorbei. Es haben sich viele Leute angemeldet. Außerdem habe ich mich mordsmäßig gequält, um der Süßen das Date schmackhaft zu machen.«

      O Gott!

      Steffi hatte sie ebenfalls genötigt?

      »Wie lange hast du sie terrorisiert?«

      Mit dem rechten Zeigefinger malte sie Kreise auf den Holztresen – unschuldiger Dackelblick mit eingeschlossen. »Gefühlte hundertmal.«

      »Und tatsächlich?«

      Sie zuckte die Schultern. »Zwanzig?«

      »Himmel! Steffi!« Zögerlich setzte er sich wieder zu ihr. »Weshalb willst du andauernd Singles zusammenbringen?«

      Etwas ihn Hühnerhaut Auslösendes huschte über ihre Make-up beladenen Züge. »Ich ertrage es schlichtweg nicht, wenn Menschen einsam sind. Darum beiße in den sauren Apfel – womöglich ist er doch süßer als vermutet.«

      Er atmete hörbar durch.

      Warum durchwegs er? Wann würde seine verfickte Unglückssträhne ein Ende finden?

      …

      Andersrum hatte Steffi nicht ganz unrecht. Ein wenig Abwechslung schadete grundsätzlich nie – sofern es dadurch keine durchgeknallten Ex-Lover auf ihn abzusehen begannen.

      »Saurer Apfel, ja?«

      Hoffnung ließ sie erstrahlen. »Glaub mir, sie wird dir bestimmt gefallen.«

      Was sie nicht sagte!

      Eine abrupt über ihn hereinbrechende böse Vorahnung ließ ihn unweigerlich erzittern. »Das hat aber hoffentlich nichts mit unserem letzten intimen Gespräch zu tun?«

      Sie winkte ab. »Überhaupt nicht. Außerdem hatte sie vor acht Jahren eine Beziehung – wie vorhin erwähnt. Jungfrau kann sie somit nicht mehr sein, oder?«

      Na, wenigstens etwas … andersrum gesehen wäre eine Jungfrau wesentlich besser als eine weitere Dorfmatratze …

      Ach verdammt!

      »Und das Essen ist wirklich kostenlos?«

      Er musste auf seine Finanzen achten. Sollte er eine Haftstrafe abbüßen müssen, zählte jeder Cent, um die Wohnung weiterhin halten zu können sowie keine Schulden anzubauen.

      »Ja. Alles gratis.«

      »Wer finanziert das?«

      »Ein Freund eines Freundes, dessen Freund ein Jubiläum zu feiern hat.«

      Tracey zog die Augenbrauen hoch. »Welches Jubiläum?«

      »Der Gasthof von dem Freund eines Freundes dessen Freund … wird zehn.«

      »Aha« Er blickte zu den Whiskeyflaschen zurück. »Wie schön für ihn.«

      Noch ein erfolgreicher Drecksack, dem offenkundig alles in die Wiege gelegt wurde …

      »Komm schon!«, quengelte sie. »Sag Ja. Ich bin mir tausendprozentig sicher, es wird ein lustiger Abend werden.«

      Er stieß einen lauten, resignierten Seufzer aus.

      Wahrscheinlich würde Steffi ihn noch drei weitere Stunden quälen … da war es wohl besser, dem Blind-Date zuzustimmen. Ein einmaliges Gespräch mit einer hübschen Frau konnte niemals dergestalt nervenaufreibend sein, wie das Gejammer einer gefrusteten Steffi. Zumindest hoffte er dies, währenddessen er seiner penetranten Freundin zögerlich zustimmte.

      »Super!« Sie verpasste ihn noch einen Klaps auf die Schulter und trank ihren Spritzer mit einem Zug aus. »Du wirst garantiert viel Spaß haben!« Sie rutschte vom Barhocker, verabschiedete sich herzlich bis besorgniserregend einschleimend und zog glücklich strahlend von dannen.

      Und Tracey fühlte sich sekündlich unwohler.

      Hoffentlich hatte er sich nicht eben einen Apfel vom Baum der Erkenntnis andrehen lassen.

      5. Blind-Date

      Das Blind-Date fand an einem Freitagabend statt.

      Ein paar Kilometer abseits von Klagenfurt lenkte Tracey seinen in die Jahre gekommenen Ford in einen mit eindeutig zu vielen Schlaglöchern versehenen, kaum zehn Meter vom Gasthof entfernten Parkplatz. Von Steffi hatte er sich sagen lassen, dass der Besitzer das vormalige Bauernhaus billigst ersteigert und anschließend flott und kostengünstig renoviert hätte. Tracey selbst hatte von diesem Wirtshaus noch nie zuvor gehört.

      Wie auch immer, zum Glück hatte er den Schuppen auf Anhieb gefunden. Durch eine verschissene kalte Februarnacht zu irren, war nicht unbedingt seine Idealvorstellung eines gemütlichen Abends.

      Tracey fuhr bis ans Ende des schätzungsweise zweihundert Quadratmeter großen Abstellplatzes, schaltete den Motor ab und öffnete die stets klemmende Fahrertür, indem er den Verschlusshebel anzog und gleichzeitig benebst seinem linken Oberarm kräftig gegen die Plastikverkleidung drückte. Mit einem durch Mark und Bein jagenden quietschenden Geräusch öffnete sich die rostige Tür und er schwang sich aus dem Sitz.

      Bissige nach Hausbrand und Feuchtigkeit riechende Kälte wehte ihm entgegen. Äußerst kraftvoll schlug er die Tür zu und fluchte einige Male, ehe es ihm gelungen war, das kaputte Schloss halbwegs vernünftig zuzusperren.

      Das Ding ärgerte ihn bereits seit einer geraumen Weile – und seiner nunmehrigen Situation nach zu urteilen würde es dies wohl noch länger tun dürfen.

      Angenervt setzte er sich in Bewegung.

      Dabei hatte er die schäbige, zerbeulte, rot lackierte Karre gern gegen einen Neuwagen eintauschen wollen.

      Das konnte er sich wohl in die Haare schmieren.

      Nein.

      Alles konnte er sich in die Haare schmieren: einen Urlaub, eine Beziehung, ein geregeltes Leben …

      Speziell nachdem er angeklagt worden wäre.

      Wahrscheinlich würde er sich die nächsten zehn Jahre durch Billigjobs über Wasser halten müssen. Denn Fakt war: Wer gab einen Vorbestraften Arbeit?

      Frust, Hoffnungslosigkeit sowie diese elendige verschissene Kälte brachten seine Augen zum Brennen. Schniefend setzte er über zwei Stufen, streifte seine Schuhe an einer ovalen Türmatte ab und öffnete die mächtige, lasierte, im matten Schein der Eingangsbeleuchtung schwarz schimmernde Holztür.

      Er trat ein in ein behagliches Vorzimmer.

      Die typische feuchte Wärme eines Gasthofs unterlegt mit dem köstlichen Geruch von deftigem Essen, allen voran Sauerkraut, Wildbraten und Suppen, umschmeichelte ihn wie eine liebeshungrige Katze und entlockte seinem Magen ein ordentliches Knurren. Ebenso sanft drang ihm dumpfes Stimmenwirrarr dutzender Gäste in die Ohren.

      Dunkles durch aufwendige Schnitzereien veredeltes Vollholzmobiliar, eine Holzstuckdecke sowie rostrote Fliesen bildeten das rustikale Interieur und ließen den Einrichtungsstil des restlichen Gasthofs erahnen. Eine dunkelblaue bauchige, nicht unbedingt zum altbäuerlichen Ambiente passende Vase in der linken Ecke des Vorzimmers lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich.

      Er musste sich eingestehen,