Isabella Kniest

Love's Direction


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Reagiere!

      Sie schlug nochmals zu. Nun war jedoch er es, der abwehrte und ihre offene Deckung benutzte, um sie zu Boden zu bringen, indem er ihr seine rechte Faust in ihren angespannten Bauch pfefferte, und sein rechtes Bein zwischen ihre hakte.

      …

      Von einer Tusse niedergeschlagen zu werden – das hätte noch gefehlt!

      …

      »Scheiß elendiges Drecksweib! Diese Scheiße reicht mir allemal!«

      Er wollte nochmals zuschlagen, da wurde er von jemandem gepackt und zurückgezogen.

      »Hey! Spinnst du?!«, drang ein von weit her anmutendes Geschrei in seine Ohren. »Was machst du denn?!« Falls er sich nicht komplett irrte, gehörte die Stimme zu Franz, der ihn – so schien es jedenfalls, genau konnte er dies aufgrund seines Wutanfalls nicht beurteilen – von hinten fixierte. »Das geht doch nicht!«

      Er wollte sich von ihm losreißen, dadurch wurde Franz’ Griff bedauerlicherweise bloß fester.

      Dies erinnerte ihn einmal mehr daran, weshalb er diesen Typen beim Tode nicht ausstand!

      Franz musste in allem besser sein.

      Mit Karate beispielsweise hatten sie gleichzeitig begonnen. Und wer legte eine Prüfung nach der anderen bravourös ab? Genau. Franz. Und wer angelte sich jedes sympathische, gut aussehende, intelligente, witzige Weib? Genau. Franz. Und wem wurde der Urlaub nächste Woche nicht gestrichen? Genau. Franz!

      Es war zum Kotzen!

      »Verflucht! Die Frau liegt am Boden und du willst noch einmal zuschlagen? Geht’s dir noch gut?!« Sein Kollege drehte ihn zu sich um. »Was ist los mit dir? Willst du dir etwa eine Anzeige wegen Körperverletzung aufbrummen lassen?«

      Diese Worte sowie des Kollegen bestürzter Gesichtsausdruck hatten eine gewisse Wirkung, welche dieses hartnäckige rote Tuch von seinen Augen zog.

      Schwer atmend drehte Tracey sich zur Tusse zurück.

      Nach wie vor lag diese auf dem trockenen Asphaltboden, die Beine halb abgewinkelt aneinandergepresst, die Augen in Schock weit aufgerissen, ihre zierlichen Arme schützend an ihren Oberkörper gedrückt.

      Ein Gefühl, vergleichbar mit dem einer eiskalten Dusche, vernichtete letzte Verwirrtheitszustände und brachte ihn gänzlich zur Besinnung zurück.

      Was zur Hölle hatte er da verbockt?! Er war doch kein Schläger! Noch nie zuvor hatte er einem Menschen Gewalt angetan. Nicht einmal seiner Drecksfotze von Ex, die ihm dreimal fremdgegangen war und ihn wie einen Bittsteller und Außenseiter behandelt hatte!

      »Scheiße«, gelang es ihm hervorzuwürgen.

      »Geht’s dir jetzt besser?«, fragte sein Kollege barsch-entnervt.

      »Ja … ja.« Er brauchte noch einige sich endlos anfühlende Sekunden, bis er seinem sich neu entflammenden Emotionschaos Herr wurde – allen voran nagende Gewissensbisse – und er Franz Instruktionen erteilen konnte. »Kümmer du dich um unseren Fahrgast. Ich regle diese Sache.«

      Sein Kollege sah von diesem Vorschlag nicht eben begeistert aus. »Kann ich dich ernsthaft alleine lassen? Wirst du sie wohl nicht noch einmal angreifen?«

      »Nein, werde ich nicht!«, versprach Tracey und verkniff sich einen frechen Konter, um nicht noch unprofessioneller zu erscheinen.

      »In Ordnung.« Zögerlich und die Stirn gekraust, trat Franz den Rückweg an.

      Tracey setzte sich ebenfalls langsam in Bewegung, geradewegs auf die apathische, ihn angsterfüllt musternde Frau zu.

      »Lassen Sie mich in Ruhe!«, keuchte Letztgenannte und erhob sich unbeholfen.

      Ein zweiter eisig-stechender Adrenalinausstoß stob durch seine Adern.

      Verdammt nein, verdammt nein!

      »Warte!«

      Sie war eben auf den Beinen, da klappte sie ohne Vorwarnung nach vorn.

      Kreislaufkollaps.

      Noch einmal verdammt!

      Er sah bereits, wie sie mit ihrem hübschen Gesicht voran auf die Asphaltfläche schlug. Ehe es dazu kam, vollführte er jedoch einen beherzten Sprung und fing sie auf.

      Sie war leicht wie eine Feder, zierlich wie eine Tänzerin, zerbrechlich wie Kristallglas … Eine Prinzessin … stolz, stark, selbstbewusst – doch hilflos ohne ihren Mann an ihrer Seite …

      Was zum Geier dachte er da?!

      Kopfschüttelnd verdrängte er die verstörenden Gedankenfetzen und ließ die Frau behutsam zurück auf den Boden sinken.

      Ihren Kopf in seinem linken Arm gebettet, strich er ihr die offenen langen feuerroten Haare aus dem Gesicht.

      Das junge Ding war kreidebleich und zu allem Übel nicht ansprechbar.

      Er gab ihr einen sanften Klaps auf die Wange. »Hey, Mädchen. Aufwachen.«

      Sie rührte sich nicht.

      Noch ein Klaps.

      Weiterhin keine Reaktion.

      Er gedachte, sie zum Krankenwagen zu bringen, da hob sie zögerlich die Lider.

      Und seine in Schatten und Kälte liegende Welt blieb abrupt stehen.

      Durch die grellen Strahlen der Sonne mutete das Dunkelblau regelrecht zu glühen an. Es erinnerte ihn an die Farbe des Ozeans: tief, beruhigend, umschließend, hypnotisierend. Er tauchte in sie ein, sank tiefer und tiefer … bis zum Grund – in des Mädchens Seele, empfing dessen wirbelnde Emotionen … Aufgebrachtheit, Unsicherheit, Geborgenheit, Angekommensein.

      Es war unbeschreiblich. Unvergleichlich. Unheimlich.

      Der tollpatschige Versuch des zierlichen Geschöpfs, sich aus seinen Armen zu befreien, riss ihn aus seiner Trance.

      Die empfundenen Emotionen verschwanden allerdings nicht. Weiterhin krallten sie sich an seinen Seelenwänden fest, trübten seine Wahrnehmung.

      »Lassen … Sie mich los«, nuschelte die junge Frau mit einer ungesund klingenden dünnen, aber vor allem eingeschüchterten Stimmlage.

      Gegangen war das vorhin noch überschäumende Temperament – verschwunden alle Kraft und jeglicher Widerstand.

      Sie wirkte gebrochen.

      Es tat ihm im Herzen weh.

      »Lassen … lassen … Sie mich los.«

      »Nein. Nicht so schnell.« Zärtlich schloss er seinen linken Arm um ihre schlanke Taille. »Du warst eben ohnmächtig. Stündest du nun auf, wirst du garantiert nochmals zusammenbrechen.« Seine rechte Hand glitt unter ihre Kniekehlen. »Ich werde dich hochheben, in Ordnung? Im Anschluss daran trage ich dich zum Krankenwagen, um dir eine Infusion zu setzen, die dir deinen Kreislauf stabilisiert. Schling deine Arme um meinen Hals.«

      »Einen Scheißdreck … werde ich tun.« Irgendwie gelang es dieser sturen Pute tatsächlich, sich aus seiner Umarmung zu drehen.

      Sichtlich zittrig, nichtsdestoweniger stolz und erhaben erhob sie sich.

      Und vor ihm tauchten sofort allerlei frisch-vergnügte Horrorszenarien auf, die ihm seinen Herzschlag in die Höhe trieben.

      »Verdammt noch einmal! Wieso seid ihr Weiber andauernd solchermaßen verbissen?! Willst du dir deinen Kopf aufschlagen? Bist du scharf drauf, auf den Asphalt zu knallen und dir eine Gehirnerschütterung zuzuziehen?«

      »Niemand fasst mich an!«, bildete ihre raubauzige Antwort.

      Taumelnd stakste sie zu ihrem grässlichen Wagen, öffnete die von Rostblasen verzierte Fahrertür, ließ sich auf den Sitz plumpsen, drehte sich zur Beifahrerseite und griff nach ihrer Tasche. Falls er es richtig erkannte, kramte sie etwas herum. Plötzlich zog sie ein Handy hervor – und machte ein Foto. Erst von ihm, darauffolgend vom Krankentransportfahrzeug.

      Na