Ewa A.

1001 Dattelkeks


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Kaufleute, Händler und Bauern waren schon da und bauten ihre Stände auf. Es herrschte reges Treiben. Die Luft war geschwängert von dem Geruch des reifen Schafskäses, der jungen Zwiebeln und der frisch gefangenen Fische. Das leise Gackern der Hühner, die zum Verkauf angeboten wurden, vermischte sich mit den Rufen der Händler und den dröhnenden Schreien der Esel, welche die Lasten schleppten.

      Nach allen Richtungen grüßend bahnte sich Shanli einen Weg durch das Getümmel. Sie liebte den Markt, denn er sprühte vor fröhlicher Lebendigkeit. Eine Horde Kinder tobte lautstark an ihr vorüber und brachte sie zum Schmunzeln. Oft nahmen die Händler ihre ganze Familie mit, und während sie die Ware ausluden, kümmerten sich ihre Ehefrauen hinter den Ständen um den Nachwuchs.

      Die Bäckerstochter kam an Tuchhändlern vorbei, die ihre bunten Stoffballen zu gefährlichen Türmen aufeinanderstapelten. Diesen folgten Verkaufsstände, an denen mit Holzgeschirr und Keramik gehandelt wurde. Danach kamen Bauern, die Eier, Käse und Honig unter die Leute bringen wollten. Die Fischer und Fleischer hatten ihre Stände hinter den Olivenbauern, welche ihre grüne und schwarze Ernte, Seifen und Öle feilboten. Dann kamen die Gewürzstände, die ebenso farbenfroh waren wie jene der Tuchhändler. Diese mochte Shanli besonders, denn die unzähligen Gewürzsäcke lagerten offen, vor und auf den Verkaufstischen, sodass man ungehindert einen Blick hineinwerfen konnte. Dunkelrotes Paprikapulver, gelbes Curry, braunes Piment, schwarzer Kümmel, grüne Kardamomkapseln und vieles mehr verströmten einen eigenen herrlichen Duft.

      Vieles erinnerte sie, auf tröstliche Weise, an ihren Vater. Bald gelangte sie zu der Stelle, an der er gewöhnlich seinen Stand aufgebaut hatte.

      Doch zu Shanlis Verblüffung hatte bereits ein anderer Händler diesen Platz bezogen. Es war ein Bäcker, der seine Fladenbrote verkaufen wollte.

      »Seid gegrüßt, Fremder«, sagte Shanli und stellte ihren Karren vor dem Mann ab. »Bestimmt war es ein Versehen, aber Ihr steht hier auf Omids Platz.«

      Der Bäcker warf ihr einen mürrischen Blick zu und verteilte nebenher seine Ware auf dem Tisch. »Nein, das war Omids Platz. Aber nun ist es meiner.«

      »Nein. Ich bin Omids Tochter, das ist nun mein Verkaufsplatz«, herrschte Shanli den Mann an.

      Dieser drehte sich zu ihr um, und unverhohlene Verachtung machte sich auf seiner Miene breit. »Marktplätze können nur von den Söhnen übernommen werden. Niemals von Töchtern.«

      Mit großen Augen sah Shanli den Bäcker an. »Aber mein Vater hatte keinen Sohn, ich verkaufe nun die Backwaren.«

      »Das kannst du von mir aus auch tun«, meinte der Mann hämisch. »Aber nicht auf dem Markt und schon gar nicht auf meinem Platz.« Er wandte ihr den Rücken zu und beschäftigte sich erneut mit dem Ordnen seiner Ware.

      Entrüstet tippte Shanli gegen sein Schulterblatt. »Nein. Das hier ist mein Platz, und du wirst ihn jetzt räumen.«

      Zornig drehte der Bäcker sich zu ihr um. »Falsch, du wirst hier verschwinden. Schlepp dein breiten Hintern und dein freches Maul von meinem Stand fort.«

      Wütend schnaubte Shanli unter der Nase des Mannes: »Ich sag dir, wohin ich meinen breiten Hintern schleppe: vor den Marktaufseher. Der wird dir dann sagen, wo du dein dämliches Gesicht hinschleifen darfst.«

      Mittlerweile hatten die anderen Händler, die um sie herumlagerten, aufgehört, ihre Verkaufsstände aufzubauen und schauten den Streitenden zu. Zu Shanlis Entsetzen kamen einige näher und mischten sich ein.

      »Frauen haben auf dem Markt keinen Stand. Das gab es noch nie!«

      »Soweit kommt es noch, dass Frauen Handel betreiben dürfen.«

      »Als würde irgendjemand von einer wie dir etwas kaufen wollen.«

      »Soll sie ihr Zeug doch lieber selbst fressen. So wie sie aussieht, macht sie das sowieso den ganzen Tag.«

      Im Chor lachten die Männer Shanli aus, hielten sich die Bäuche und zeigten mit dem Finger auf sie.

      Die Wut und der Ärger der jungen Frau wuchsen mit jedem Lacher, denn zu ihres Vaters Zeiten wäre man mit ihr nicht so umgesprungen.

      »Nur, weil ich eine Frau bin, soll ich hier nicht verkaufen dürfen? Ihr habt doch nicht mehr alle Datteln an der Palme!«, schrie sie in die Runde. »Meine Ware ist genauso gut wie eure, wenn nicht noch besser.«

      »Worte eines dummen, fetten Weibs!«

      »Ist es das, wovon du nachts träumst, abgesehen vom Essen?«

      »Verschwinde von hier!«

      »Du hast hier nichts verloren, Weib!«, riefen die Händler durcheinander.

      Doch Shanli wollte nicht klein beigeben und schüttelte störrisch den Kopf. »Ihr könnt mich mal gernhaben! Ich werde einfach stehen bleiben und hier meine Waren verkaufen.«

      »Das wirst du nicht!«, bellte ein Verkäufer, packte Shanlis Wagen und schob ihn weg.

      »Halt, du Dieb! Lass sofort meinen Karren los!« Shanli spurtete dem Mann hinterher und sprang ihm auf den Rücken.

      Der Fladenbrotverkäufer eilte ihr ebenso nach und versuchte, sie von dem Dieb hinunterzureißen, der ging durch das wilde Gezerre schließlich zu Boden. Letztlich purzelten alle drei übereinander.

      Zwischenzeitlich hatte einer der Händler den Marktaufseher geholt, der nun mit stolz geschwellter Brust angetrabt kam.

      »Was ist denn hier los?«, brüllte er auf die Meute nieder, die sich im Staub zu seinen Füßen wälzte.

      Aus den drei Streitenden waren mittlerweile sechs geworden. Während Shanli auf den vermeintlichen Karrendieb einschlug, versuchte einer, diesen außer ihrer Reichweite zubringen, was jener allerdings als Angriff wähnte und sich nun an zwei Fronten wehrte. Der Bäcker, der Shanli um die Taille gepackt hatte, wurde unterdessen von einem anderen zurückgehalten, da es als unsittlich galt, eine fremde Frau anzufassen, geschweige denn, auf ihr zu liegen. Ein anderer Verkäufer wollte Shanli ebenfalls aus dem Getümmel entfernen und zog entschlossen an einem ihrer Fußgelenke. Nichtsdestotrotz fing er sich dafür fortwährend saftige Tritte von ihr ein.

      Da keiner der Balgenden dem Marktaufseher Beachtung schenkte, nickte der seinem Gehilfen zu, welcher umgehend einen Eimer Wasser besorgte.

      Erst als die sechs Streithähne vor Nässe trieften und sich die Augen rieben, kehrte Ruhe ein.

      Mit nassen, verstrubbelten Haaren und geröteten Wangen schaute Shanli grimmig zu dem Marktaufseher auf. »Da seid Ihr ja endlich, Marktaufseher.« Atemlos zeigte sie auf den Fladenbrotverkäufer neben sich. »Der Trottel will mir meinen Platz streitig machen.« Als Nächstes zeigte sie auf den Karrendieb. »Und der Esel hier wollte meine Ware stehlen.«

      Doch sogleich wetterten die Männer dagegen.

      »Sag ihr, dass du mir selbst diesen Platz zugeteilt hast, Marktaufseher.«

      »Stimmt doch gar nicht. Dein Wagen stand im Weg, ich wollte ihn bloß zur Seite schieben«, schrie der andere Shanli an.

      »Welcher Marktplatz? Der von Omid?«, fragte der Marktaufseher und verschaffte sich Gehör.

      »Ja!«, schrie der Bäcker, und Shanli nickte selbstsicher.

      »Ja, Omid war mein Vater. Also geht der Platz an mich über!«

      Der Marktaufseher schüttelte den Kopf. »Nein. Auf dem Markt handeln keine Frauen. Verkauf deine Ware zum Küchenfenster hinaus, wie es die andern Weiber tun.«

      Bestätigendes Gemurmel der Männer trieb Shanli die Zornesröte ins Gesicht. Davon hatte sie noch nie etwas gehört. »Seit wann ist das so? Überall sind hier Frauen hinter den Ständen.«

      Mit stoischer Miene sprach der Marktaufseher: »Ja, aber sie verkaufen nicht. Das Recht auf einen Marktplatz liegt schon immer bei den Männern.«

      Trotzig zogen Shanli ihre Augenbrauen zusammen. »Aber Ihr wisst genau, dass man in den Gassen nichts einnimmt. Die Käufer tummeln sich hier auf dem Markt, wo sie die