Ewa A.

1001 Dattelkeks


Скачать книгу

was Ihr verlangt.«

      »Du blutest. Wie schlimm ist es, mein Sohn? Muss ich den Hakim rufen?«, fragte Aazar besorgt.

      »Nein, ich denke nicht«, wehrte Parviz undeutlich ab, denn er prüfte mit seiner Zunge, ob seine Zähne Schaden davongetragen hatten.

      Nach wie vor kauerte Shanli in unterwürfiger Haltung am Boden und traute sich gerade noch, Luft zu holen.

      Lange nicht mehr so freundlich wie zuvor, hörte sie Parviz sprechen: »Ohne Zweifel sind deine Süßigkeiten die besten, die ich jemals gegessen habe. Allerdings sind sie auch die gefährlichsten. Es wird wohl besser sein, ich verschone meine Zähne vor deinem Backwerk.«

      Shanlis Herz wollte aus ihrer Brust springen, so trommelte es. Wieso hatte sie dieses elende Schalenstückchen nicht in dem Mandelmehl entdeckt? Warum musste der Schah ausgerechnet diese Marzipankugel wählen? Sie hatte ihre einzige Chance verspielt, durch eine seltendämliche Unachtsamkeit.

      Vorsichtig sah Shanli auf und musste Parviz mürrisches Gesicht ertragen. Und eh Shanli sich‘s versah, purzelten ihr die Worte aus dem Mund: »Bitte, Euer Hoheit, gewährt mir eine zweite Chance. Ich verspreche Euch, nie wieder, wird eine Nuss- oder Mandelschale in meinen Süßwaren zu finden sein. Beim Grab meines kürzlich verstorbenen Vaters schwöre ich Euch, dass ich Euch eine Delikatesse kredenzen werde, die Euch alles vergessen lassen wird.«

      Heimlich sagte sich Shanli, dass sie diesen Schwur leichter erfüllen könnte, als vermutet, denn schließlich vergaß der schöne Parviz ja alle Nase lang ihren Namen.

      Der Schah schnaufte resignierend. »Na gut. Du sollst deine zweite Chance haben. Komme wieder, wenn du diese Delikatesse zubereitet hast. Aber wehe dir, Shanli, sollte ich erneut mein Blut schmecken, dann will ich dich nie wieder in meinem Palast sehen.«

      Betrübt verzog sich Shanlis Gesicht. »Ja, Schah, Parviz. Ich werde an nichts anderes mehr denken.«

      Warum erinnerte er sich auf einmal an ihren Namen? Sie konnte nach ihrem Versprechen nur hoffen, dass der Schah einen Zufallstreffer gelandet hatte.

      Shanli stand auf und rückwärts laufend entfernte sie sich von dem Herrscherpaar, in einer andauernden Verbeugung.

      Erst als sie den Iwan verlassen hatte, richtete sie sich wieder auf und konnte frei atmen. Was hatte sie da nur angestellt?

      Aazar betrachtete ihren Sohn, der der Bäckerstochter hinterherschaute. Parviz war ein stattlicher Mann geworden und erwies sich immer wieder als weiser und gütiger Herrscher. Was jedoch ein Ding der Unmöglichkeit war, war sein Vergnügen daran, jedem weiblichen Wesen den Kopf zu verdrehen. Wie er es eben wieder mit dieser unförmigen Bäckerstochter getan hatte. Parviz genoss in vollen Zügen die zum Teil kopflose Bewunderung der Frauen. Ja, er wusste sehr genau um sein Aussehen und seine Macht, die er über die Weiber hatte. Selbst die alten Dienerinnen fingen zu kichern an, wenn er sie in die Mangel nahm.

      Oft genug hatte sie ihrem Sohn gesagt, dass diese Spielereien eines Schahs nicht würdig wären. Doch auf diesem Ohr schien Parviz taub zu sein. Sie war es leid, ihm Vorträge zu halten. Mit seinen fünfundzwanzig Jahren war er alt genug, bald selbst einen Sohn zu haben. Ja, sollte sich doch sein Eheweib um dieses Problem kümmern. Er bräuchte nur eine Frau, die ihm den Verstand raubt, sodass er nicht mehr das Bedürfnis hatte, andere Weiber in zerstreute Hühner zu verwandeln. Dennoch musste die Braut gewissen Anforderungen entsprechen und auf Leib und Seele geprüft werden. Nur, wo sollte sie diese eine spezielle Frau für ihren Sohn finden?

      »Parviz, ich denke, es ist an der Zeit, dass du dir eine Braut suchst«, sprach Aazar unvermittelt das Thema an.

      Verblüfft schaute der Schah auf. »Mutter, wie kommst du denn jetzt auf diese Idee?«

      »Weil du dieser Bäckerstochter wie ein verliebter Gockel hinterherstarrst und langsam für einen Nachfolger sorgen solltest.«

      Parviz setzte sich auf. Sein Gesicht zeigte grimmige Unentschlossenheit. »Und wen sollte ich deiner Meinung nach heiraten? Die Bäckerstochter?«

      »Eine, die du liebst, die dir eine treu ergebene Ehefrau und zugleich eine pflichtbewussten Herrscherin sein kann. Sie muss mehreren Ansprüchen genügen.«

      Hoffnungslos schüttelte der Schah den Kopf. »Und wo soll ich diese Frau finden?«

      Aazar grinste hinterhältig. »Nicht du wirst sie finden, sondern sie dich. Wir werden im ganzen Land verkünden, dass du eine Braut suchst. Jede Frau kann um dich werben. Aber du wählst dann nur jene aus, die dir gefallen. Und ich werde diese Auswahl einigen Prüfungen unterziehen. Die Gewinnerin erfüllt dann, so Allah will, alle Anforderungen, die wir stellen.«

      Parviz schmunzelte. »Eine großartige Idee, Mutter. Lass sofort die Nachricht verkünden: ›Schah Parviz sucht eine Braut!‹«

      Kapitel 3

      Walfänger gesucht

      »Shanli, Shanli! Wach auf!«

      Ein Poltern an der Haustür ließ die junge Bäckerstochter zu sich kommen. Verschlafen rieb sich Shanli die Augen. Bis spät in die Nacht hatte sie in der Küche gestanden und sich an der Zubereitung der neuen Süßigkeit versucht, die den Schah alles vergessen lassen sollte. Das lange Arbeiten hatte sich jedoch gelohnt, denn sie hatte ein süßes Konfekt hergestellt, welches einem im Munde sacht dahinschmolz, während sich die verschiedenen Aromen der Zutaten auf wunderbare Weise entfalteten. Mit Honig und Sesamsaat in den Haaren war sie schließlich vollkommen erledigt ins Bett gefallen, wo sie noch immer lag, obwohl die Sonne bereits fast ihren Höchststand erreicht hatte.

      Gemächlich quälte sich Shanli aus ihrem Nachtlager und legte sich eine Decke um ihre Schultern. Mit einem herzhaften Gähnen öffnete sie ihre Fensterläden, um zu schauen, wer der Verursacher des Radaus war. Das gleißende Sonnenlicht ließ sie ihre Augen zusammenkneifen.

      Es waren Golroo und Taliman, die vor ihrer Tür standen.

      »Guten Morgen. Einen Moment, ich komme gleich hinunter«, rief sie dem älteren Ehepaar zu und machte sich auf den Weg ins Untergeschoss. Dies bestand nur aus einem Raum, der zugleich Backstube und Küche war. Die meiste Zeit des Tages verbrachte sie dort. Das Obergeschoss bestand aus zwei Zimmern, die ihren Eltern und ihr von jeher als Schlafzimmer gedient hatten.

      Kaum hatte sie die Haustür geöffnet, fielen Golroo und Taliman aufgeregt über sie her.

      »Shanli, hast du die Neuigkeit schon gehört? Du musst dich bewerben. Alle Mädchen sind bereits auf den Weg in den Palast.«

      Verständnislos schüttelte Shanli den Kopf. »Wo muss ich mich bewerben? Warum gehen alle Mädchen in den Palast?«

      Strahlend verkündete Golroo, was sie in Erfahrung gebracht hatte. »Heute Morgen verkündeten der Ausrufer des Palastes, dass der Schah eine Braut suche und alle unberührten Jungfern des Reiches um ihn werben könnten.«

      »Was? Alle?«, fragte Shanli baff.

      Begeistert nickte Taliman. »Ja, ja. Das ist deine Gelegenheit, Shanli. Nach dem gestrigen Zwischenfall auf dem Markt weiß jeder, dass der Schah einen Narren an dir gefressen hat. Du musst noch heute in den Palast und ihm deine Hand anbieten.«

      Erschrocken schaute Shanli zwischen den alten Eheleuten hin und her. »Der Schah hat höchstens einen Narren an meinen Keksen gefressen, aber nicht an mir.« Leise nuschelte vor sich hin. »Und das hat ihn schon fast einen Zahn gekostet und mich meinen Kopf.«

      »Unsinn. Die Männer erzählten, dass er dich eine Schönheit nannte und dir zuzwinkerte«, rief Golroo entzückt.

      Taliman fuhr seine Frau an: »Was redest du da, Weib? Unser Schah ist ein feiner Mann, ein kluger Herrscher. Er hält nicht nach Vergänglichem wie Schönheit Ausschau, sondern nach viel wichtigeren Dingen. Die auserwählten Bewerberinnen müssen sich nämlich noch einer Prüfung unterziehen.« Mit einem liebevollen Lächeln wandte er sich an Shanli. »Er hat deinen Mut und dein goldenes Herz erkannt, Mädchen. Und deswegen wirst du sogleich auf den Hügel hinauflaufen und ihm