Ewa A.

1001 Dattelkeks


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widersprach der Marktaufseher.

      »Warum, überhaupt, dürfen Frauen keinen Handel auf dem Markt betreiben? Es ist höchste Zeit, dass diese altbackenen Vorschriften geändert werden.«

      Laut gaben die Männer ihre Entrüstung über diese dreiste Forderung kund.

      Die Brust des Marktaufsehers schwoll an, und in Rage brüllte er auf Shanli hinunter: »Was glaubst du, wer du bist? Meinst du, ein dahergelaufenes, feistes Weib kann die althergebrachten Vorschriften einfach so außer Kraft setzten? Aus gutem Grund wurden die Frauen aus dem Markthandel ausgeschlossen, weil nämlich genau immer das passiert, was jetzt auch geschehen ist. Streit und Zwietracht liegen euch im Blut. Tratsch und Ränkespinnerei sind nicht die Beschäftigungen der Männer, wohl aber die der Weiber. Vor langer Zeit, nachdem man teures Lehrgeld bezahlt hatte, beschloss man diese Vorschrift. Die wird nicht nur in Al Hurgha eingehalten, sondern auch in Hesch Tael, wo der Markt doppelt so groß ist. Sogar in Pallagur hält man daran fest.«

      Plötzlich erklang Hufgetrappel, und das erregte Murmeln der umstehenden Zuschauer wurde stetig lauter. Es waren die riesigen Pferde der Leibgarde des Schahs, denen eine Gasse freigeräumt wurde und die vor ihnen stehen blieben.

      Hastig stand Shanli auf und brachte ihre Kleider in Ordnung. Das fehlte ihr gerade noch, dass sie in diesem Aufzug Schah Parviz vor die Augen treten sollte. Sie hatte ihn hin und wieder aus großer Entfernung gesehen, wenn er durch Al Hurgha ritt, denn sein Palast lag am Ende der Stadt, auf einem Hügel. Wie oft hatte sie sich vorgestellt, er würde von seinem Rappen aufschauen, wenn er durch die Gassen ritt, und sie an ihrem Schlafzimmerfenster bemerken? Eindeutig zu oft. Denn auch jetzt spielte sich der Traum in ihrem Geiste ab.

       Wie eh und je würde Parviz ihr von seinem Pferd aus ein strahlendes Lächeln schenken, das ihr Herz flattern ließ. Natürlich verliebte er sich auf den ersten Blick in sie. Sobald er sie bemerkte, würde er die Zügel seines Rappens anziehen und elegant aus seinem Sattel gleiten. Seine obsidianfarbenen Haare würden ganz langsam, bei jeder einzelnen seiner Bewegungen, im Wind schwingen. Ohne sie einen Moment aus den Augen zu lassen, würde er behände die Kisten hochklettern (die selbstverständlich immer rein zufällig unter ihrem Fenster herumstanden). Und dann, wenn er bei ihr auf dem Fenstersims angelangt war, dann würde er sie stürmisch in die Arme ziehen und …

      »Nenne dem Schah jetzt endlich deinen Namen, du einfältiges Huhn!«, schrie der Marktaufseher in Shanlis Ohr.

      Erschrocken fuhr die junge Frau zusammen und erwachte aus ihrem Tagtraum. Sie fand sich tatsächlich Schah Parviz gegenüber und stellte fest, dass er noch viel attraktiver war, als sie sich vorgestellt hatte. Aber eigentlich überraschte sie das nicht. Groß und stattlich stand er vor ihr.

      Als Parviz Shanlis Geistesabwesenheit wahrnahm, verzogen sich seine vollen Lippen zu einem atemberaubenden Schmunzeln. Dieses verleitete das Mädchen wiederum zu einem leisen Seufzen. Die zimtbraunen Augen des Schahs waren nicht nur wunderschön, sondern strahlten auch wahre Güte aus.

      Hatte er sie schon angesprochen? Wie lange hatte sie so weggetreten da gestanden? War ihr etwa der Sabber aus dem Mund gelaufen? Denn immer, wenn sie von ihm träumte, war am nächsten Morgen ihr Kopfkissen nass!

      Gebannt stierte Shanli auf Parviz' Mund, und weil der Schah so groß war, musste sie den Kopf in den Nacken legen.

      »Nun, verrätst du mir heute noch deinen Namen, oder soll ich morgen noch mal vorbeikommen?«

      Ein hysterisches Kichern entwich Shanli, nachdem sie sich dazu überwinden konnte, dem Schah zu antworten. »Nein, ich verrate ihn Euch, aber Ihr könnt morgen gerne noch mal kommen.«

      »Und?«, fragte Parviz, während seine Stirn sich in Erwartung kräuselte.

      »Und was?«, erwiderte Shanli und beobachtet, wie der Schah zweifelnd zum Marktaufseher blickte.

      Der schüttelte grummelnd den Kopf und schrie der jungen Frau abermals ins Ohr, die immer noch völlig in Parviz' Anblick versunken war.

      »Deinen Namen, Weib!«

      Auf ein Neues zuckte das Mädchen zusammen. »Oh, Shanli, Euer Hoheit. Ich heiße Shanli Farhad.«

      Parviz nickte. »Gut. Und warum hast du hier eine Prügelei angezettelt?«

      Enttäuscht über diese Unterstellung, die nicht richtig war (zumindest nicht ganz), zog Shanli beleidigt den Kopf ein.

      »Ich habe keine Prügelei angezettelt, sondern nur den Idioten dort davon abgehalten, meine Ware zu stehlen. Und ich habe versucht, mein Recht auf den Marktplatz meines Vaters durchzusetzen.«

      Erneut brach ein Streitgespräch aus, denn die Händler wollten die Anschuldigungen nicht auf sich sitzen lassen. Parviz hörte jedem der Männer aufmerksam zu, und erneut verfiel Shanli ins Träumen. Mit leerem Gesichtsausdruck verfolgte sie, wie Parviz von einem zum Nächsten schritt. Nachdem er mit dem Marktaufseher einige Worte gewechselt hatte, wandte er sich wieder ihr zu.

      »Nun, Panli, so wie es aussieht …«

      »Ich heiße Shanli, nicht Panli«, unterbrach das Mädchen den jungen Schah schüchtern.

      Zerstreut schüttelte dieser den Kopf. »Ja, sagte ich doch. Wie dem auch sei, leider kannst du den Marktplatz nicht bekommen. Die Vorschriften dazu sind eindeutig: Keine Frau darf auf dem Markt ihre Ware verkaufen.«

      Traurig schlug Shanli die Augen nieder, denn wenn der Schah ihr dies untersagte, gab es nichts daran zu rütteln. Sie musste dem Markt fernbleiben und auf anderem Wege ihre Backwaren verkaufen. Die Frage war nur, wie? Niemals würde sie genügend Geld einnehmen, um die Kosten decken und sich selbst versorgen zu können.

      Sanft legte Parviz einen Finger unter Shanlis Kinn und hob es an. »Nun hadere nicht, Ramdi.«

      »Shanli!«, flüsterte die junge Frau und war zu tiefst betrübt, dass der Schah sich nicht mal ihren Namen merken wollte.

      »Ja, genau«, ging der Schah ungerührt über seinen Fauxpas hinweg. »Was willst du denn verkaufen?«

      Shanli schniefte und zeigte hinter sich auf den Karren. »Süßwaren.«

      Parviz ließ ihr Kinn los und linste an ihr vorbei auf die Kisten, die mit allerlei Backwaren gefüllt waren. Ein leichtes Grinsen legte sich auf seine Züge, als er Shanli wieder betrachtete. »Wenn ich dich so anschaue, dann können sie doch nur wunderbar schmecken.«

      Die anderen Händler prusteten leise in die Hände, als hätte Parviz sie beleidigt, doch Shanli wusste es besser. In den Augen des jungen Schahs war nämlich kein Spott zu finden, sondern nur offene Freundlichkeit, die ihr Inneres erwärmte.

      Auch Parviz ließ sich von dem leisen, hämischen Gelächter nicht beirren. »Komm heute Nachmittag in den Palast und bring mir von deinem Gebäck. Wenn es meine Mutter und mich begeistern kann, wirst du vielleicht der neue Hoflieferant.«

      Das Gelächter der Männer verstummte abrupt, und Shanli bekam riesige Augen. »Ist das Euer Ernst, Hoheit?«

      Parviz nickte mit einem Schmunzeln. »Natürlich.« Dann drehte er sich um und ging auf seinen Rappen zu. Ein Strahlen machte sich auf Shanlis Gesicht breit, und mit klopfendem Herzen sah sie zu, wie Parviz sich in den Sattel schwang. Er nahm die Zügel in die Hand, und bevor er davonritt, zwinkerte er ihr zu. »Nasche nicht zu viel von deinen Leckereien, Hamdi, das würde nur deiner Schönheit schaden.«

      Voller Verlegenheit begann Shanli, zu kichern. Noch nie hatte ein Mann zu ihr gesagt, dass sie schön war. Selbst dass er ihren Namen schon wieder verunstaltet hatte, machte ihr nichts aus. Denn bald würde sie Hoflieferant werden und jeden Tag in den Palast gehen, um Parviz zu sehen. Ja, sie würde den Schah verwöhnen und ihn mit ihren Süßigkeiten in den Bann ziehen. Ob er sie dabei Hamdi oder Ramdi nannte, das war ihr völlig gleich.

      Kapitel 2

      Gefährliche Kekse

      Shanli war noch nie zuvor in ihrem Leben im Palast gewesen. Schon von