Ewa A.

1001 Dattelkeks


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Aazar sie mit stoischer Miene beäugten, prustete der Schreiber leicht vor sich hin.

      Parviz jedoch lächelte sie gutmütig an. »Oh, Shari, wie kommst du denn dazu?«

      Verwirrt blickte Shanli zu ihm auf. »Nun Ihr … ich dachte … Ihr wart so freundlich zu mir, und ich dachte, dass …«

      »Nein, mein Herz!«, unterbrach Parviz sie sanft. Er beugte sich ihr entgegen. »Du hast zwar ein hübsches Gesicht und bist so süß und rund wie deine leckeren Kekse, aber ich kann dich nicht zur Frau nehmen. Das verstehst du doch sicher?«

      Er schien wirklich eine Antwort von ihr zu erwarten, weswegen Shanli stumm nickte.

      »Schau mich an, Pavi, mein Eheweib muss genauso strahlend schön sein wie ich. Aber weißt du was? Ich mache dir einen Vorschlag. Nimm einfach ab, und dann kommst du noch mal. Es wäre wirklich einfach, sich in dich zu verlieben.«

      Fassungslos starrte sie ihn an. War das sein Ernst? Wie sollte sie so schnell abnehmen? Der war ja witzig! Was sollte sie dazu sagen?

      Shanlis Kopf schien leer gefegt zu sein, und so holperten die Worte wie von selbst über ihre Lippen. »Wollt Ihr jetzt von meinem Backwerk probieren?«

      »Nein, danke. Momentan bin ich sehr beschäftigt, wie du siehst. Ich werde nach dir rufen lassen, sobald ich Zeit habe.«

      Shanli schluckte. Das war hart. Sie hatte nicht nur eine Absage bekommen, sondern gleich zwei. Ihr waren schon einige Demütigungen widerfahren, aber diese war die schlimmste. Sie verwandelte ihr Inneres in eine brennende Leere. Ihre Beine waren auf einmal so schwer wie Blei. Überhaupt fühlt sich ihr Körper an, als wäre er eine Last. Wie sehr sie ihn hasste, wie sehr sie sich hasste!

      Mit Müh und Not schaffte es Shanli, sich zu erheben. Sie war noch zu schockiert, als dass sie Tränen vergießen konnte. Ihr Kiefer verkrampfte sich, weil sie die Zähne fest zusammenbiss. Sie zog sich mit einer Verbeugung aus dem Saal zurück.

      Draußen vor der Tür traf sie wieder auf Simin, deren Augen stumm um eine Antwort baten. Shanlis Verneinen war nicht mehr als ein kurzes Zucken ihres Kopfes. Eilig flüchtete sie aus dem Palast. Floh vor Scham und Schande, in jeglicher Hinsicht abgewiesen worden zu sein.

      Sie rannte den Hügel hinunter, durch die engen Gassen Al Hurghas. Und es schien als wolle das Leben sie bestrafen, denn der Händler, der ihr den Platz auf dem Markt streitig gemacht hatte, trat ihr mit einem Kumpan in den Weg.

      »Schau an, Omids Tochter. Die ist gut zu Fuß, obwohl sie so fett ist. Willst du womöglich abnehmen?«, verhöhnte der Händler sie laut.

      Der andere Mann feixte. »Vielleicht will sie sich wie all die anderen Weiber als Braut des Schahs bewerben?«

      Erschrocken warf sie dem Mann einen Blick aus den Augenwinkeln zu. Dies reichte den Männern wohl als Antwort aus, denn sie schlugen sich vor Lachen gegenseitig auf den Rücken.

      »Welcher Mann würde die als Frau wollen?«

      »Ein Walfänger vielleicht!«

      So schnell Shanli konnte, rannte sie nach Hause, doch das Gelächter verfolgte sie und hallte in ihren Ohren fort.

      Kapitel 4

      Smaragdgrüne Flammen

      Golroo und Taliman fingen Shanli im Hof ab.

      »Und? Was hat er gesagt?«, fragte Taliman sogleich.

      Golroo schimpfte: »Wie kannst du so was fragen? Siehst du nicht, wie elend sie aussieht.« Sie legte Shanli den Arm auf die Schulter. »Was hat der Schah gesagt?«

      Niedergeschlagen murmelte die Bäckerstochter: »Dass er eine schöne Ehefrau an seiner Seite braucht.«

      Talimans Brauen zogen sich zusammen. »Oh, das ist aber nicht ganz das, was wir erwartet haben.«

      »Nein, nicht ganz«, pflichtete Shanli ihm unglücklich bei. »Er schickte alle fort, die ihm nicht hübsch genug waren. Auch Nisra, die Metzgerstochter.«

      Golroo nickte verärgert. »Wegen ihrer Nase wahrscheinlich.«

      »Ja, die ist recht ungewöhnlich, mit ihrem Buckel«, sagte Taliman.

      »Sie ist das gutherzigste Mädchen, das ich kenne. Nisra würde alles für einen tun.« Shanli wurde wütend. »Und Bitu, die gewöhnlich immer ein Lächeln auf den Lippen trägt und immer ein offenes Ohr für einen hat, wurde aus dem gleichen Grund wie ich abgewiesen: weil sie zu dick ist!«

      »Ja, natürlich«, empörte sich Golroo. »Sie ist ja noch dicker als du!«

      Taliman fuhr seine Frau an: »Na, jetzt übertreib mal nicht so! Bitu ist gar nicht so dick wie Shanli!«

      Wäre ihr nicht zum Heulen zumute gewesen, hätte sie über die zwei Alten gelacht. Aber momentan war ihr überhaupt nicht danach. Viel lieber wollte sie sich nur noch in ihr Bett verkriechen, sich die Decke über den Kopf ziehen und es nie wieder verlassen.

      Shanli beschloss, dass das die beste Idee des Tages war, und verabschiedete sich von dem Ehepaar. Mit hängenden Schultern schlurfte sie heim. Sie verschloss die Eingangstür ihres Hauses, schlüpfte aus ihren Schuhen und ließ den Korb, der die unberührten Süßigkeiten enthielt, an Ort und Stelle fallen. Die Küche sah noch immer wie ein Schlachtfeld aus, was Shanli seufzen ließ. Überall standen verklebte Schüsseln und lagen benutzte Rührlöffel herum, die sie an ihre vergebene Mühe erinnerten. Nuss- und Eierschalen lagen zum Teil auf dem Boden. Spuren von Mehl und Sesam zogen sich durch den ganzen Raum.

      In der Nacht war sie zu müde gewesen, um aufzuräumen, und am Morgen konnte sie nicht schnell genug zum Palast gelangen. Und für was? Um auf ganzer Linie zu versagen. Sie war weder Hoflieferantin geworden noch in die Brautauswahl gelangt. Wie hatte sie nur glauben können, eins dieser Ziele zu erreichen?

      Tränen kullerten über Shanlis Wangen. Sie brachte nicht mehr die Kraft auf, Ordnung zu schaffen. Ausgelaugt bis auf die Knochen, schien das Bett sie magisch anzuziehen.

      In ihrem Schlafzimmer ließ sie sich sofort auf die Matratze fallen und rollte sich zu einer Kugel zusammen. Mit dem Kissen unter dem Kopf, das den wohlvertrauten Geruch ihres Zuhauses in sich trug, kamen Erinnerungen an ihre Kindheit.

      Wie glücklich sie gewesen war, ohne es zu ahnen. An ihre Mutter erinnerte sie sich nur vage. Denn diese war gestorben, als sie fünf Jahre alt gewesen war. Aber umso mehr Platz nahm ihr Vater in ihren Gedanken ein. Vor ihren Augen formten sich Bilder, als er ihr zeigte, wie man Eischnee besonders steif schlug. Oder als sie beim Gewürzhändler die Säcke nach neuen Aromen durchschnüffelten. Oder wie sie stundenlang Mandeln aus den nassen Häuten flutschen ließen und sich dabei scheckig lachten, weil die Kerne durch die ganze Küche hopsten. Sogar dann noch, als es ihm immer schlechter ging und er sich nicht mehr allein auf den Beinen halten konnte, hatte er es genossen, mit ihr die kleinen Arbeiten zu verrichten, die die Süßbäckerei mit sich brachte. Wie sehr sie sein Lachen vermisste!

      Lange bevor seine letzte Stunde geschlagen hatte, sagte er ihr voraus, dass er bald sterben würde. Zuerst hatte sie seine Aussagen als grundlose Ängste abgetan und ihm widersprochen. Aber dann, als er nicht mehr gesund wurde, sondern immer schwächer und kränklicher, begriff sie, dass er sein Ende spürte. Ab jenem Zeitpunkt war ihr jeder Tag, den sie mit ihm verbringen durfte, wie ein Geschenk vorgekommen. Omid hatte sie gut vorbereitet auf seinen Tod, denn er hatte gewusst, dass es für sie nicht leicht werden würde. Nachts hatte sie sich lautlos in den Schlaf geweint, um ihm tagsüber ein Lächeln schenken zu können. Doch nun, wo er nicht mehr hier war und alles, wofür er sein Leben lang hart gearbeitet hatte, unterzugehen drohte, schmerzte sie seine Abwesenheit stärker als je zuvor.

      Sie hatte nicht nur sich enttäuscht, sondern auch ihren Vater. Ohne die Einnahmen vom Markt würde sie bald keine Zutaten mehr kaufen können. Das Wenige, was der Verkauf über das Küchenfenster einbringen würde, könnte nie und nimmer die Ausgaben für die teuren Gewürze oder Mandelkerne decken. Bald wären ihre Vorräte aufgebraucht, und dann musste sie Zutaten minderer Güte kaufen, was sich unweigerlich