Ewa A.

1001 Dattelkeks


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seufzte. War er sauer? Wollte der kleine Wichtigtuer etwa nicht mehr herauskommen? Konnte er sich da drin womöglich festhalten?

      Die Bäckerstochter nahm den Smaragd in die Hand und schüttelte ihn. »Komm raus! Los mach schon, du Drückeberger, du hast lange genug auf der faulen Haut gelegen«, brüllte sie den Stein an.

      Abermals geschah nichts. Shanli versuchte, sich an das zu erinnern, was sie getan hatte, als sie den Dschinn herbeigerufen hatte. Niedergeschlagen hatte sie sich ins Bett fallen lassen. Sich in Selbstmitleid geaalt und an ihren Vater gedacht, dann hatte sie den Smaragd aus seinem Versteck geholt. Sie hatte ihn in den Händen gehalten, fest umschlossen. Und … ja, sie hatte ihn gerieben, während sie die Sätze laut ausgesprochen hatte.

      Aufatmend entschloss sich Shanli, es gleich noch mal zu probieren, und diesmal würde sie den Smaragd reiben.

      Getan, gesagt.

      »Ich wünschte … ich wünschte … ich wünschte«, und schon ging ein Ruck durch den Smaragd, und Navid, der Dschinn, stand, in seiner üblichen Haltung mit verschränkten Armen, wieder vor ihr. Seinen Kopf hatte er leicht in den Nacken gelegt, und von oben herab (was keine Kunst war, da er sie um einen guten Kopf überragte) schaute er sie an.

      »Na, welchen Wunsch hat unser Schwabbelchen denn jetzt schon wieder?«

      Kapitel 6

      Wer will schon kleine Kekse?

      »Hör zu, du aufgeblasener Kamelkopf, ich heiße Shanli. Du kannst mich gern weiter beschimpfen, aber du wirst dennoch meine Wünsche erfüllen müssen.« Ein schadenfrohes Grinsen breitete sich auf dem Gesicht der Bäckerstochter aus, als ihr etwas einfiel. »Vielleicht wünsche ich mir sogar, dass du die Stimme verlierst, damit ich mir dein Geschwätz nicht länger anhören muss.«

      Navids Brauen rückten zusammen und offenbarten, wie verärgert er über ihre Drohung war. »Das kannst du gerne versuchen. Aber ich denke, dass der Fluch nicht zulassen wird, dass an mir Veränderungen vollzogen werden.«

      Navid musterte seine neue Herrin aufmerksam. Vielleicht wäre es jedoch klug, herauszufinden, ob das überhaupt möglich war. Denn wenn ihr Wunsch, ihn stummzuhalten, nicht gelingen würde, bräuchte er gar nicht erst in Erwägung zu ziehen, sie zu überreden, ihn von seinem Fluch zu befreien. Allerdings wäre die kleine, moppelige Shanli vielleicht die Erste, die er mit seinem Charme dazu überreden könnte. Viele Verehrer hatte das Mädchen bestimmt nicht, so rund und frech, wie es war. Mmmh, ihr Honig um den Mund zu schmieren, bis sie ihm hörig war, würde ein hartes Stück Arbeit werden. Denn mit ihrer drallen Figur entsprach sie nicht wirklich dem Bild seiner Traumfrau. Zwar hatte sie, trotz der feisten Wangen, hübsche Züge, aber dennoch war es ein Mondgesicht. Sogar ein kleines Doppelkinn hatte sie. Konnte er sich wirklich dazu überwinden, Begehren zu heucheln? Aber hatte er eine andere Wahl, wenn er sich von dem Fluch befreien wollte?

      Die kleine Shanli unumwunden danach zu fragen, konnte er sich sparen, das wusste er aus bitteren Erfahrungen. Mehr als einmal hatte er es auf diese Weise versucht. Einige Besitzer des Smaragdes hatte er gebeten, ihn mit einem Wunsch von dem Fluch zu befreien. Doch stets hatte er von den Frauen und Männern eine Absage oder fortwährend Ausreden gehört. Letztendlich hieß es immer: Erfülle mir nur noch diesen Wunsch, dann schauen wir weiter. Aber dazu war es nie gekommen, denn entweder griff der Besitzer ständig zu dieser Antwort, bis er starb, oder der Smaragd wurde ihm gestohlen, was noch öfters vorkam. Nein, er würde diese einmalige Chance, die sich ihm hier bot, nicht verschenken.

      Also blieb ihm nichts anderes übrig, wenn er seine Freiheit wollte, als mit Shanli vorliebzunehmen. Er musste die Sache jedoch mit Bedacht angehen, nicht zu hastig, denn sonst würde sie Verdacht schöpfen. Sein Anliegen durfte er ihr gegenüber erst dann erwähnen, wenn er sie sicher in der Tasche hatte. Er musste ihr Vertrauen gewinnen und darauf achten, dass das Amulett, an welches er gebunden war, in ihrem Besitz blieb. Wer weiß, wem er sonst in die Hände fallen würde? Ja, je mehr er darüber nachdachte: Shanli war perfekt, um sein Anliegen zu erfüllen.

      Mit schmalen Augen betrachtete die Bäckerstochter den Dschinn, der ihr plötzlich entgegenschmunzelte.

      »Aber bitte, tu dir keinen Zwang an, wünsch es dir!«

      Bedächtig schüttelte Shanli den Kopf, denn Navids Herausforderung kam ihr seltsam vor. »Nein, das hebe ich mir für später auf, wenn es mir mit dir zu bunt wird.«

      »Wie du meinst«, erwiderte Navid mit einem leisen Lächeln.

      Shanlis Misstrauen gegenüber dem Dschinn wuchs. Ihr Magen begann nämlich, zu schlingern, das war ein deutliches Zeichen, auf das sie hören sollte. Irgendetwas hatte er vor, doch was? Womöglich war er gar kein harmloser Dschinn, sondern ein bösartiger? Sie sollte auf der Hut sein.

      »Gehen wir hinunter in die Küche. Mal schauen, wie gut du darin bist, meine Wünsche zu erfüllen«, sagte Shanli und öffnete die Tür.

      Allerdings blieb sie daneben stehen und wartete. Die Bäckerstochter wollte dem Dschinn nicht unbedacht den Rücken zuwenden, sondern behielt ihn kritisch im Auge.

      Navid ging auf sie zu und verharrte vor ihr. »Vergiss das Amulett nicht.«

      Shanli hob die Faust und ließ den Smaragd an der Kette herunterfallen, sodass er ihn wild hin- und herschwingen sehen konnte. »Keine Angst, ich behalte es schön bei mir.«

      »Das solltest du auch. Und ich rate dir, es gut unter den Kleidern zu verstecken.«

      »Gut!«, nickte Shanli ernst. Mit Abstand folgte sie Navid in die Küche.

      Als Navid der Unordnung ansichtig wurde, die dort herrschte, kräuselte sich seine Stirn. »Und ich liege auf der faulen Haut, häh?«

      »Was?!«, fuhr Shanli ihn an. »Es war schon spät gestern Nacht, und heute Morgen musste ich zeitig in den Palast.«

      Mit einem zweifelnden Gesichtsausdruck drehte Navid sich zu ihr um. »Und dann hattest du keine Zeit mehr, weil …?«

      »Ich einen furzenden Dschinn aus seinem Gefängnis befreien musste?!«, keifte Shanli angriffslustig zurück.

      »Moment, ja?! Für das Furzen kann ich nichts. Anscheinend hatte die Hexe, die mich verflucht hat, einen seltsamen Sinn für Humor.«

      »Klar!«, erwiderte Shanli und machte mit dem ironischen Unterton deutlich, dass sie ihm nicht glauben wollte.

      Doch Navid ließ sich nicht reizen, sondern überging ihre Spitze und meinte lediglich: »Wenn du eine saubere Küche willst, solltest du deinen Wunsch aussprechen.«

      Shanli nickte, und nach einem Atemzug formulierte sie ihr Anliegen. »Ich wünsche, dass meine Küche sauber und aufgeräumt ist.«

      »Das sind eigentlich gleich zwei Wünsche, aber … das dürfte kein Problem sein«, erwiderte Navid.

      Er wippte kurz mit dem Kopf, und in einem Schauer von Sternen reinigten sich die Töpfe, Kannen, Schüsseln und Löffel von selbst, um gleich darauf zurück an ihre angestammten Plätze zu schweben. Die Nuss- und Eierschalen kreiselten über den Boden und hopsten schließlich, wie kleine Frösche, in einen Holzeimer hinein. Das verschüttete Mehl, alle verstreuten Sesamkörner und jegliche Krümel erhoben sich zeitgleich in die Luft. Wie Bänder flogen sie in kunstvolle Bögen und Spiralen durch den Raum und landeten ebenfalls im Eimer. Der Dielenboden, die Regale, der alte Holztisch und die Stühle waren mit einem mal so sauber wie noch nie zuvor. Die Küche war innerhalb kürzester Zeit blitzsauber.

      »Wow«, flüsterte Shanli voller Erstaunen und drehte sich im Kreis. »Das ist unglaublich.«

      Ein schiefes Grinsen erschien auf Navids Gesicht. »Nein, das war eher eine meiner leichtesten Übungen.«

      Shanli geriet ins Grübeln. »Hast du jemals meinem Vater Wünsche erfüllt?«

      Eine von Navids Brauen hob sich in arroganter Weise. »Dann würden wir vermutlich nicht hier, in dieser armseligen Hütte, stehen. Denkst du nicht?«

      »Er