Ewa A.

1001 Dattelkeks


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      »Weißt du was?«, giftete die schlanke Shanli ihn an und stach bei jeder Silbe mit ihrem Finger auf seine Brust ein. »Das ist mir egal. Sieh her!« Blindlings ging die Blondine zurück an den Tisch, griff in den Korb, nahm sich einen Keks heraus, zeigte ihm diesen und stopfte ihn sich danach demonstrativ ganz in den Mund. Mit dicken Hamsterbacken sprudelte sie wütend weiter und verteilte dabei beachtliche Mengen von Kekskrümeln. »Ich esse, so viel ich will. Und es ist mir egal, was die Leute hinter meinem Rücken tuscheln. Sollen sie doch sagen, dass sie froh sind, nicht so dick zu sein, wie ich es bin. Oder dass es für mich schon längst an der Zeit wäre, abzunehmen. Oder dass ich doch zu Hause bleiben soll, weil mein Anblick sie anekle.« Kaum hatte Shanli den letzten Satz ausgesprochen und den Keks hinuntergeschluckt, war ihre Wut hinfort und nur noch ihre Traurigkeit blieb übrig. Ihre dunkelbraunen Augen, die Navid an Ort und Stelle gefangen hielten, füllten sich mit Tränen. Heiser raunte sie: »Es ist mir egal, was du sagst. Denn es gibt nichts mehr, was mich noch verletzen könnte!«

      Das Mädchen wandte sich ab, doch Navid fasste nachihrem Arm. »Shanli, warte! Es tut mir leid.« Langsam drehte sie sich zu ihm um und leise sprach er weiter: »Ich wollte dich nicht beleidigen oder dir wehtun. Ich wollte nur …« Abrupt hörte Navid auf, zu reden, und stierte entgeistert auf Shanlis rechte Wange. Er ließ sie los und murmelte entgeistert: »Oh je, oh je, das ist nicht gut! Das ist gar nicht gut!«

      Erschrocken schrie die Bäckerstochter auf: »Was? Was ist nicht gut? So sag doch! Was stimmt nicht mir?«

      Navid nahm geschwind die Kupferkanne vom Tisch und reichte sie ihr wieder. »Deine Wange sie … sie …«

      Hastig sah Shanli auf das polierte Kupfer und musste beobachten, wie ihre Wange bebte und blubberte, wie kochender Reismehlpudding.

      »Nein. Nein. Nein!«, jammerte sie hysterisch.

      Es wurde schlimmer und schlimmer. Bis es einen Schnalzer gab und ihre Wange wieder die alt gewohnte pralle Rundung hatte. Shanli schaute Hilfe suchend zu Navid. Der allerdings war viel zu sehr geschockt, um etwas anderes sagen zu können als: »Ach, du liebes Bisschen.«

      Seine Augenbrauen rutschten in unterschiedliche Höhen und machten Shanli deutlich, dass ihr Zustand bedenklich war.

      Sie japste gerade »Oh, nein, bitte, bitte nicht!«, als es mehrmals hintereinander schnalzte. Wie Mais zu Popcorn ploppte, so sprang auch ihre linke Wange wieder in ihre alte Form. Waden, Schenkel, Bauch und Brüste, eins nach dem anderen folgte. Alles sprang wieder in seinem alten Umfang aus ihrem schlanken Körper hervor, bis Shanli wieder die mollige Bäckerstochter war.

      Enttäuscht ließ sie ihre Schultern hängen. »Na, wenigstens bin ich noch blond!«

      Navid verzog unglücklich das Gesicht. »Hmm, das würde ich jetzt so … nicht sagen!«

      Mit einem Aufheulen schaute Shanli wieder in die Kupferkanne. Ganz allmählich wurden ihre Wimpern und Augenbraune von außen wieder dunkler, bis sie völlig schwarz waren. Sie schaute auf ihre Haarspitzen, wo das gleiche Spiel stattfand. Langsam stieg die Schwärze an ihren Wellen empor bis zum Scheitel. Einen Moment später war sie wieder ganz die Alte. Schwarzhaarig, dick und unglücklich.

      Niedergeschlagen seufzte die Bäckerstochter auf. Der Traum, Parviz‘ Braut zu werden, war zum Greifen nah gewesen, und den wollte sie sich nicht nehmen lassen. Verflixt! Nein, sie müsste lediglich darauf achten …

      »Du musst mich begleiten!«, sagte Shanli leichthin.

      »Wohin?«, fragte Navid.

      »Du wirst mich in den Palast begleiten. Ich werde das Amulett ständig bei mir tragen, und wenn ich beginne, mich zurückzuverwandeln, werde ich mich wieder schlank und blond wünschen. Ganz einfach.«

      Der Dschinn schüttelte den Kopf. »So einfach ist das nicht. Um deine Wünsche zu erfüllen, muss ich außerhalb des Smaragdes sein.«

      Shanli rieb sich über die Stirn und überlegte. Sie konnte schlecht mit ihm im Schlepptau in den Palast dackeln, und das nicht nur wegen seiner unmöglichen lilafarbenen Pumphose. Sie würden aussehen wie ein Paar. So könnte sie nicht um Parviz werben. Sie könnte Navid als ihren Bruder ausgeben. Aber ob man ihnen das glauben würde? Und was, wenn sie in die engere Auswahl gelangte und er sie dann nicht mehr begleiten dürfte? Nein, nein! Das war keine gute Idee. Wenn er jedoch … Genau, das war die Lösung!

      »Du wirst mich, als meine Schwester, begleiten. Wir beide werden uns als Braut bewerben.«

      »Was?«, rief Navid voller Entsetzen. Ihm stockte der Atem bei Shanlis abstruser Idee. Vehement schüttelte er den Kopf. »Nein! Nie und nimmer werde ich eine Frau und halte um die Hand eines Kerls an! Vergiss es! Was, um Himmels willen, war in diesem Keks drin, dass du solche bescheuerten Ideen hast?!«

      Shanlis Augen wurden schmal, und sie stützte ihre Hände auf die Hüften. Ihr selbstgefälliges Grinsen bereitete Navid Sorgen. Äußerst große Sorgen!

      »Shanli! Ich warne dich! Tu das nicht! Wehe!«, warnte er sie noch mit eiskalten Augen.

      Doch es war zu spät, die Worte verließen bereits ihre Lippen. »Ich wünschte, Navid wäre eine blonde Frau!«

      Kapitel 8

      Unerwarteter Besuch

      Ein Funkensturm toste um Navid, und noch bevor dieser sich gelegt hatte und die Sicht freigab, konnte die Bäckerstochter schon eine weibliche Stimme hören.

      »Shanli, ich drehe dir den Hals um!«

      Die Genannte presste die Lippen aufeinander, um nicht laut loszulachen. Da stand sie, die Pumphosen-Dschinni! Er war nicht mal eine hässliche Frau. Noch immer war er groß und schlank, allerdings hatte er jetzt einen Busen, breitere Hüften und eine Taille. Zugegebenermaßen machte er in der lila Pumphose gar keine üble Figur … als Frau. Das blonde Haar fiel in eleganten Wellen über Navids schmale Schultern. Nur wie er so breitbeinig dastand, das wirkte nicht gerade feminin. Aber … seine Hakennase hatte auch in dem weiblichen Gesicht ihren Reiz. Mit den hohen Wangenknochen und dem schmallippigen Mund zusammen konnte man es durchaus hübsch nennen. Bloß schaute er ziemlich grimmig.

      »Warum hast du das getan?«, keifte die weibliche Ausgabe von Navid.

      »Na, weil du mich immer blond und schlank halten musst, damit Parviz meine Bewerbung annimmt.«

      Die große Frau grummelte. »Du verlangst ganz schön viel. Ich muss ständig auf der Lauer liegen und nicht nur auf dein Äußeres achten, sondern auch auf meins. Und dann noch deine Wünsche erfüllen. Sehr wahrscheinlich halten die Zauber kürzer an, weil es mehrere sind.«

      »Umso wichtiger ist es, dass du dich immer in meiner Nähe aufhältst. Und falls Parviz mich wählt, muss auch in den Prüfungen mein Aussehen erhalten bleiben. Das heißt, du musst ebenso unbedingt erwählt werden, um mit mir gehen zu können.«

      Erschrocken begehrte Navid dagegen auf: »Stopp! Es war bloß die Rede davon gewesen, dass ich deinem doofen Schah meine Hand anbieten, aber nicht, dass ich ihm auch noch schöne Augen machen soll. Ganz zu schweigen von irgendwelchen Prüfungen. Was sind das überhaupt für Prüfungen?«

      »Keine Ahnung, was die sich dort oben im Palast ausgedacht haben. Wahrscheinlich wollen sie schauen, ob man zur Gemahlin des Schahs taugt. Ich vermute, man muss ihnen vortanzen oder einen Krug auf dem Kopf balancieren. Irgend so was in dieser Art.«

      Der weibliche Dschinn schnaubte missbilligend. Das war ein ganz schön hartes Stück Brot, was er da schlucken sollte. Er sollte sich als Frau einem Mann an den Hals werfen, durch die Gegend tanzen, nebenher Wünsche erfüllen und ständig auf der Hut sein, dass der verrückte Plan funktionierte. Das einzig Gute an der Sache war die Erkenntnis, dass ihre Wünsche ihn verändert hatten und sie mit einem Wunsch vielleicht wirklich in der Lage war, ihn von seinem Fluch zu befreien. Wohl oder übel musste er der kleinen Bäckerstochter diesen riesigen Gefallen tun, um sie bei Laune zu halten. Ansonsten würde sie ihn womöglich zurück in den Smaragd schicken und nie wieder herausholen. Das konnte er nicht zulassen. Dennoch sollte