Ewa A.

1001 Dattelkeks


Скачать книгу

nicht mehr mein Problem. Ich schenke ihn dir.«

      Verdutzt blinzelte Shanli und streifte sich andächtig das Schmuckstück über. »Ist das dein Ernst? Er … er ist wunderschön, Navid. Ich kann das nicht annehmen!« Mit einem zaghaften Schmunzeln suchte sie den Blick ihres Dschinns, der fast schon verlegen wirkte. »Vielen Dank. So etwas … Kostbares hat mir noch nie jemand geschenkt. Ich werde ihn in Ehren halten, das verspreche ich dir.«

      Die weibliche Navid grummelte: »Keine Ursache.«

      Es war schon lange her, dass sich jemand bei ihm für etwas bedankt hatte, und noch länger, dass er irgendjemandem ein Geschenk gemacht hatte. Auch wenn ihm dieser Armreif nichts mehr bedeutete, wie einst, als er nach Ruhm und Reichtum strebte, so gab ihm Shanli jedoch das Gefühl, etwas Wichtiges verschenkt zu haben. Und das war – ein gutes Gefühl. Er konnte sich nicht mehr erinnern, wann er das letzte Mal mit sich selbst im Reinen gewesen war. Sein Dasein war im Grunde nur noch von Langeweile, Unglück, Reue und Bitterkeit erfüllt gewesen. Seit Shanli ihn allerdings aus dem Smaragd geholt hatte, hatten diese Empfindungen keinen Platz mehr gefunden. Und verrückter Weise, hatte sein Herz einen Schlag ausgesetzt, als sie eben zum ersten Mal seinen Namen ausgesprochen hatte. Bisher hatte sie ihn nämlich mit allem Möglichen betitelt, von »Kamelkopf« bis »Pumphosen-Dschinn«. Vielleicht bildete er sich dies jedoch auch nur ein? Ja, gewiss brachte ihn lediglich ihre dazugewonnene Schönheit durcheinander, die gerade mal wieder im Treibsand verschwand.

      »Shanli, du musst die Wünsche aussprechen.«

      Erschrocken schaute sie auf Navids breite Armspange, die nun ihr Handgelenk zierte. Ihre Wange bebte bereits, und so sprach die Bäckerstochter die Wünsche aus, welche sie blond und schlank hielten.

      Sie hatten den größten Teil der Strecke zurückgelegt, als ihnen zwei Männer entgegenkamen. Deren Blicke glühten voller Bewunderung für die beiden Blondinen. Shanli und Navid versuchten, schweigsam an ihnen vorbeizuhuschen. Die Männer versperrten ihnen jedoch den Weg.

      »Wo kommt ihr zwei Hübschen denn her?«

      »Wollt ihr etwa auch in den Palast und, wie all die anderen, um den Schah werben?«

      »Was?«, fragte Shanli verwundert.

      Ein Wildfremder machte ihr, mitten auf der Straße, einfach so ein Kompliment? Das war ja vielleicht nett gemeint, aber sein Ton bereitet ihr irgendwie Unwohlsein.

      Während Shanli vor den zwei Fremden ängstlich zurückwich, blieb Navid stehen. Auf seiner Stirn stand überdeutlich »Komm mir bloß nicht zu nah« geschrieben. Allerdings konnten die Männer die Botschaft wohl nicht entziffern. Sie rückten noch dichter an die Mädchen heran.

      »Ihr solltet besser um uns werben.«

      »Wir sind zwar nicht so reich, aber können euch auf andere Weise ebenso beglücken.«

      Navids Lippen verzogen sich voller Verachtung, was sein Gegenüber entweder nicht wahrnehmen wollte oder als Zeichen von unterdrückter Leidenschaft deutete. Denn verwegen strebte der Fremde an, eine von Navids Wellen spielerisch um seinen Finger zu wickeln. Doch der Dschinn packte die Grabscher und bog sie ganz allmählich in eine unnatürliche Haltung. Der Mann ging in die Knie und jaulte zugleich vor Schmerz auf. In seinen weit geöffneten Augen leuchtete Verwunderung.

      Navid beugte sich drohend über ihn. »Das, mit dem du mich beglücken willst, kannst du behalten, denn das hab ich selbst. Also spar dir deine blöden Sprüche!«

      Der andere Mann, welcher ursprünglich Shanli nachgestellt hatte, eilte seinem Freund zur Hilfe. Er griff nach Navids Arm und fuhr ihn derb an: »He, was fällt dir ein? Lass ihn los, du verrücktes Weib!«

      Da Navid mit der einen Hand noch immer den frechen Kerl am Boden hielt, stopfte er dem neuen Angreifer lediglich zwei Finger in die Nase. Seine nun weiblich langen Fingernägel bohrten sich tief in dessen Nasenwände, sodass dieser laut aufschrie. Grob zerrte Navid ihn zu sich heran, mit einem Ausdruck, der wütender nicht sein konnte.

      »Was hast du gesagt? Willst du mich womöglich schlagen? Ihr beiden solltet wirklich lernen, euch zu benehmen! Verhält man sich so zwei Frauen gegenüber?«

      Shanli stellte verdattert fest, dass Navid wirklich eine Antwort zu erwarten schien, denn den einen rüttelte er an der Nase durch, und dem anderen verbog er noch stärker die Finger.

      Im Chor gestanden die zwei Männer hastig ein: »Nein, nein! Aua!«

      Das reichte Navid offenbar nicht, weil er sie prompt fragte: »Werdet ihr das noch mal tun?«

      Erneut übte er Druck auf die beiden Knilche aus, in deren Gesicht langsam ein Ausdruck von Panik wuchs. Shanli wunderte sich zuerst, wieso dem so war, aber als sie bemerkte, wie sich Navids Gestalt veränderte, konnte es sie den zwei Männern nicht verübeln. Es war ein beängstigender Anblick, wie in Navids hübschem Frauengesicht ein Bart zum Vorschein kam, die Brauen buschiger wurden und die weichen Züge zunehmend an Härte gewannen.

      »Nein! Nie wieder!«

      »Auf keinen Fall!«, schrien die Männer hysterisch und versuchten, sich zu befreien. Kaum hatte Navid die Finger und Nasenlöcher freigegeben, stürmten die Rüpel davon, ohne sich nochmals umzudrehen.

      Shanli schluckte geschockt, während Navid voller Abscheu seine Hand an seinem der Kleid abwischte.

      »Igitt, das ist ja ekelhaft. Das nächste Mal schnappe ich ihn besser am Kragen als an der Nase.«

      »Ja, das solltest du. Und ich sollte dich wieder zur Frau wünschen.«

      Das tat Shanli dann auch gleich, und so setzten sie ihren Weg fort.

      Navid schüttelte derweil grübelnd den Kopf. »Unglaublich, was manche Männer glauben, sich erlauben zu können.«

      »Mmh, du hast ja keine Ahnung, was ich mir sonst anhören muss«, entgegnete Shanli.

      Navid schaute sie von der Seite an. »Schlimmer als das?«

      »Naja, sie wollten mich zwar nie anfassen oder in irgendeiner Weise bedrängen, aber dafür … durfte ich mir ihre netten Kommentare anhören, zu meiner Figur.« Betreten blickte Shanli kurz zu ihm hinüber.

      Navid wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er erinnerte sich daran, dass er mit seinen Gemeinheiten über Shanlis Unförmigkeit ebenfalls nicht hinterm Berg gehalten hatte, sondern gleich damit über sie hergefallen war, und das auf vielerlei Weise. Selbst als sie bewusstlos am Boden gelegen hatte, war ihm eine Unflätigkeit über die Lippen gekommen.

      Betroffen flüsterte Navid: »Tut mir leid, Shanli.« Und er bemerkte, dass er sich sowohl für seine eigenen Beleidigungen als auch die der anderen entschuldigte.

      Shanli grinste, und dennoch war ihr anzusehen, dass ihr ganz und gar nicht danach zumute war. »Ach, was soll's! Ich bin es gewohnt.«

      Dieser Satz hallte in Navid fort, schmerzte ihm auf der Seele und machte ihn obendrein zornig. Warum achteten die Menschen bei ihrem Gegenüber immer zuerst auf das Äußere? Wieso lernten sie denjenigen nicht erst kennen, bevor sie sich ihre Meinung bildeten? Und warum glaubten sie, demjenigen noch ihre verletzenden Gedanken unter die Nase reiben zu müssen? Hatten wir alle es denn nicht schwer genug, auf die eine oder andere Weise? Sah nicht jeder seine eigenen Makel selbst jeden Tag und vielleicht noch viel schlimmer, als sie in Wirklichkeit waren? Ja, er wusste, warum die Menschen diese gemeinen Dinge taten und warum er selbst es getan hatte. Auch in seinem früheren Leben als Mensch. Er hatte es getan, aus dem traurigen Grund, sich auf diese Weise besser fühlen zu können als der andere.

      Der Dschinn und die Bäckerstochter gelangten am Palast an. Auch an diesem Tag warteten bereits viele Mädchen vor den Toren, in der Hoffnung, Parviz' Gattin werden zu können. Ein großer farbenfroher, gackernder Pulk von jungen Frauen tummelte sich aufgeregt vor dem Eingang. Manche von ihnen schienen sogar vor Ort genächtigt zu haben. Einige trugen Banner bei sich, worauf sie ihre Liebe zu Parviz bezeugten oder den Willen, ihm einen Sohn zu gebären.

      »Was geht denn hier vor sich?« Navids Erstaunen war maßlos. »Wegen eines einzigen Kerls