Ewa A.

1001 Dattelkeks


Скачать книгу

      Es war nicht zu übersehen, dass Manizeh ganz und gar nicht damit einverstanden war, dass der Schah ihr keine Sonderstellung einräumte, sondern sie, wie alle anderen auch, warten musste. Allerdings hatte sie nicht selbst in der Schlange gestanden, sondern das brünette Mädchen dafür engagiert, das nun zur Seite trat. Tatsächlich wäre es als Nächstes an der Reihe gewesen. Die Prinzessin nickte lediglich mit einem einseitigen, arroganten Augenbrauenzucken. Kein Wort kam über ihre starren Lippen.

      Parviz machte den Weg für sie frei. »Nun denn, kommt herein, Prinzessin, es wird mir eine Ehre sein, eure Bewerbung anzunehmen.«

      Die Tür schloss sich hinter ihnen, und ein genervtes Raunen und Stöhnen ging durch die Reihe der Wartenden.

      »Uäh! Das ist er? Diesem Schmiernippel soll ich … Ich will gar nicht daran denken!«, würgte Navid hervor und sah aus, als würde er sich gleich übergeben.

      Shanli seufzte wohlig. »Ja. Ist er nicht fantastisch? Groß, stark und gerecht.«

      Navid schwieg mit vielsagender Miene.

      Bald darauf schwebte Prinzessin Manizeh ungerührt mit ihrem Kommando wieder davon, und bald durften auch Shanli und Navid ins Audienzzimmer. Da sie sich als Schwestern vorstellten und beide dem Schah ihre Hand anbieten wollten, ließ man sie gemeinsam vorsprechen.

      Wie schon tags zuvor, saß Parviz mit dem Wesir und einem Schreiber vor Shanli. Bloß Aazar, die Mutter des Schahs, war nicht anwesend.

      Parviz strahlte sofort über das ganze Gesicht, als die zwei Mädchen den Iwan betraten.

      »Welch ein doppelt schöner Anblick! Kommt näher, ihr zwei hübschen Schmetterlinge. Ihr seid wahrlich eine außergewöhnliche Wohltat für meine Augen!«

      Während Shanli ins Kichern verfiel, verkrampfte sich Navids Gesicht zu einem unglücklichen Lächeln. Leise konnte die Bäckerstochter ihren Dschinn neben sich lästern hören. »Schleimer!«

      Die zwei schlanken Blondinen ließen sich vor dem Thronsessel des Schahs ehrerbietig nieder. Die Bäckerstochter hielt den Kopf gesenkt und strich verlegen über ihr blaues Seidenkleid. Die vielen Glitzersteine, die in den Stoff eingearbeitet waren, brachten ihre ganze Gestalt zum Funkeln, was Parviz nicht entging. Mit einem betörenden Schmunzeln betrachtete er das Mädchen und dann dessen Schwester. Die beiden sahen sich zwar von den Gesichtszügen nicht ähnlich und ihr Gebaren war ebenfalls sehr unterschiedlich, doch beide hatten seidige Locken, die ihn an die sonnengereiften Ähren auf dem Feld erinnerten. Er liebte blonde Frauen, denn sie waren eine Seltenheit in seinem Reich. Vor allem wenn sie noch, wie die eine, grüne Augen hatten. Wie Smaragde leuchteten sie ihm aus dem anmutigen Gesicht des Mädchens entgegen, das ihn seinerseits ernst beobachtete. Die hübsche junge Frau schien dem Schah nicht hochnäsig zu sein, wie die Prinzessin, sondern lediglich erwartungsvoll, vielleicht sogar skeptisch.

      »Ihr seid Schwestern? Stimmt das?«, fragte er freundlich.

      Die Kleinere antwortete mit einem schüchternen Lächeln. »Ja, Euer Hoheit.«

      »Wer von euch ist die Ältere?«, wollte Parviz wissen und bekam sogleich Antwort von der Größeren. »Ich, Schah Parviz.«

      Aus ihrer Stimme tönte keinerlei Furcht, eher Trotz. Das war außergewöhnlich und sehr interessant. Normalerweise benahmen sich die Mädchen so, wie die jüngere Schwester: Sie kicherten und himmelten ihn schüchtern an. Aber diese grünäugige Schönheit tat weder das eine noch das andere.

      »Deine Augen sind fürwahr funkelnde Edelsteine, mein Herz.«

      Entsetzt sah Shanli auf. Da brat ihr doch einer 'nen Storch! Jetzt verdrehte der Dschinn dem Schah den Kopf! So eine Frechheit!

      Navid kicherte indessen ein unglückliches: »Hehehe, ja.« Mit einem Blinzeln erhob er auf gezierte Weise seine Hand, um neckisch abzuwinken. »Ihr seid mit ja einer, Schah Parviz.«

      »Oho, das hoffe ich doch«, schäkerte Parviz mit ihm weiter, und Shanli konnte nicht anders, als die Augen zu verdrehen.

      Dies traute sie sich jedoch nur, weil Parviz es nicht sehen konnte, da sie erneut ihr Haupt gesenkt hatte.

      Der Schah grinste breit. »Ihr zwei süßen Täubchen seid also gekommen, um euch als Bräute zu bewerben?«

      Shanli hauchte und Navid knurrte: »Ja.«

      Parviz' Blick wanderte zurück zu Shanli. Auch sie gefiel ihm. Denn sie hatte nicht nur ein reizendes Gesicht und eine wohlgestaltete Figur, sondern auch eine ebenmäßige Haut, die wie goldener Samt schimmerte. Es juckte den Schah förmlich in den Fingern, zu erfahren, ob sie sich auch so anfühlte.

      »Das Schicksal muss es wirklich gut mit mir meinen, wenn zwei solch schöne Schwestern um meine Gunst buhlen. Wie ist dein Name, kleine Perle?«

      Verlegen strahlte Shanli Parviz an, der sie nicht aus den Augen ließ.

      »Shanli, Herr.«

      Der Schah grübelte laut vor sich hin. »Shanli. Shanli?«

      Die Bäckerstocher konnte es nicht fassen, erinnerte Parviz sich wirklich an sie. Sie konnte ihre Unruhe nur mühsam verbergen, am liebsten hätte sie ihm mitten ins Gesicht geschrien, dass sie diese Shanli war, die ihm … mit einem Keks fast den Zahn abgebrochen hätte. Nein, das zuzugeben, wäre wirklich eine zu dusslige Idee.

      Parviz wandte sich schließlich an den Wesir. »Shanli, der Name kommt mir bekannt vor. Haben wir nicht ein Stachelschwein im Palastgarten, das Shanli heißt?«

      Der Riesenschnauzer des Wesirs zuckte. »Möglich, Herr. Allerdings hieß so auch die Zuckerbäckerin, die Ihr zu Euch bestellt hattet.«

      »Nein! Die hieß doch Panli. Oder Ramdi? Na, egal!« Er schüttelte den Kopf und widmete dann dem Dschinn seine Aufmerksamkeit, der ihn mit großen Augen anglotzte.

      »Und du mein kostbares Juwel. Wie darf ich dich nennen?«

      »Navida, wenn es sein muss. Vielleicht habt Ihr ja einen Esel, der so heißt, dann könnt Ihr Euch den Namen besser merken«, erwiderte der Dschinn zynisch.

      Parviz' Lachen hallte laut durch die Halle. »Du bist köstlich, Kleines. Ich mag Frauen mit Humor.«

      »Was hab ich doch für ein Glück!«, flötete Navid voller Sarkasmus, den jedoch bloß Shanli heraushören konnte.

      Parviz grinste, als vollbringe er eine Wohltätigkeit. »Ja, wohl war. Nun – ich nehme eure Anträge an. In zwei Tagen werde ich ein Fest ausrichten, bei dem ich die Bewerberinnen näher kennenlernen will. Ich würde mich freuen, wenn ihr meine Einladung annehmt und gegen Abend im Palast erscheint.«

      Shanlis Magen hüpfte im Kreis, und sie musste ihre Lippen zusammenpressen, um nicht laut vor Freude zu jubeln. Navid dagegen hatte keine Probleme mit dem Sprechen und meinte fast schon zu überschwänglich: »Oh, wie wundervoll! Natürlich feiern wir mit Euch, Hoheit. Es gibt nichts, was wir lieber tun würden.«

      Außer vielleicht, dir einen Tritt in den hoheitlichen Hintern zu verpassen, führte Navid in Gedanken fort.

      Plötzlich stammelte Shanli aufgeregt: »Wir … wir sollten Eure Zeit nicht länger in Anspruch nehmen, Herr. Wir werden uns pünktlich zum Fest einfinden.«

      Parviz entließ sie mit einem Nicken, und Shanli erhob sich. Mit tief gebeugtem Kopf verbarg sie ihre Hände hinter dem Rücken und lief rücklings zum Ausgang. Navid tat es ihr gleich, denn auch er hatte bemerkt, dass allmählich die Rückverwandlung einsetzte.

      Die Bäckerstochter war heilfroh, die Audienz mit Erfolg bewältigt zu haben. Vor der Tür wünschte sie sich umgehend den Dschinn und sich selbst wieder in Form.

      Navid begriff unterdessen, dass Shanli von dem Schah völlig eingenommen war. Niemals würde er gegen diese Vernarrtheit ankommen, die von ihr Besitz ergriffen hatte. Die sonst so schlagfertige Bäckerstochter, die ihre Krallen und haarigen Reißzähne wie ein Raubtier ausfahren konnte, wurde in der Gegenwart des schleimspurlegenden Schahs zu einem rammdösigen Kätzchen, das nicht mehr knurren, sondern höchstens