Ewa A.

1001 Dattelkeks


Скачать книгу

Gesicht gab Navid sich geschlagen. »Na gut. Ich tu dir den Gefallen und werde dir helfen, was ich jedoch nicht müsste. Du sollst wissen, dass es mich wahrlich Überwindung kostet, so hinaus auf die Straße zu gehen und einem Kerl nachzustellen.«

      Shanli schmunzelte überheblich. »Oh, wie großzügig von dir. Allerdings hätte ich mir bei einer Weigerung auch einen Liebestrank von dir wünschen können, den ich dir dann heimlich eingeflößt hätte. Dann hättest du dich von ganz allein Schah Parviz an den Hals geworfen, mein Lieber. Und weißt du was? Ich glaube, es wäre dir dann egal gewesen, ob du ein Mann oder eine Frau bist.«

      Navid wurde bleich vor Wut. Diese elende Natter machte es einem auch wirklich schwer, sie nur ein kleines Bisschen zu mögen. Sie reizte ihn bis aufs Blut.

      »Glaub mir, du willst keinen Dschinn als Feind haben, der dir deine Wünsche erfüllen soll. Ehrlich gesagt habe ich oft den Hang zur Übertreibung. Also bitte, wünsch dich nur schlank. Wir werden sehen, wie schlank du werden kannst.«

      Nun grinste Navid, während Shanli das Gesicht fast auseinanderfiel.

      Unwillig maulte sie: »Ist ja gut. Waffenstillstand!«

      Just in dem Augenblick wurde an die Haustür geklopft, und man hörte Golroo und Taliman rufen.

      »Shanli, mein Kind? Alles in Ordnung bei dir?«

      »Wir hörten dein Gebrüll. Ist da jemand bei dir?«

      »Oh! Äh …« Panisch schauten Shanli zu Navid, der ratlos mit den Schultern zuckte. Fieberhaft überlegte das Mädchen, was sie ihren Nachbarn erzählen sollte. Es abzustreiten, würde die zwei Alten vielleicht noch misstrauisch und neugieriger machen, weshalb sie beschloss, die Flucht nach vorne anzutreten.

      »Ja!«, rief sie zögerlich und ging auf die Tür zu.

      Trotz Navids warnendem »Nein!« öffnete Shanli weit genug, damit das Ehepaar die blonde Dschinni sehen konnte.

      Shanli lächelte verkrampft. »Meine liebe Cousine hat mich mit einem Besuch überrascht. Navida, komm doch mal her. Das sind meine Nachbarn Golroo und Taliman.«

      Verwundert musterten die zwei Alten die schlanke Blondine, die mit mürrischer Miene auf sie zukam. Shanli räusperte sich laut und stierte Navid auffordernd an, denn sein Gang war unverkennbar der eines jungen selbstsicheren Mannes und nicht der eines schüchternen Mädchens. Doch der weibliche Dschinn gönnte ihr lediglich ein genervtes Brummen, ging an ihr vorüber und begrüßte die beiden Alten respektvoll.

      Nach dem diese den Gruß erwidert hatten, meinte Golroo: »Ich dachte, du hättest keine Verwandten mehr.«

      »Ach, jaaaa«, stammelte Shanli. »Navida ist … sie …«

      Endlich kam Navid ihr zur Hilfe und übernahm die Antwort. »Eine weit entfernte Cousine. Mein Mutter war die Cousine ihrer Mutter.«

      Taliman nickte bedächtig. »Aha, das erklärt auch, warum ihr euch nicht ähnlich seht.«

      »Und ebenfalls, warum Navida so hübsch ist«, grinste Golroo.

      Während Shanli, zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit, das Grinsen verging, fielen Navid vor Schreck beinahe die Augen aus dem Kopf.

      »Tatsächlich!«, entgegnete er zynisch.

      »Ja«, bestätigte Shanli derweil säuerlich. »Daran wird es wohl liegen.«

      Aus den Augenwinkeln beobachtete Navid, wie seine junge Herrin die versteckte Schmach hinunterschluckte. Ihr Gesicht hatte sich verschlossen, und ihr Blick wirkte nicht mehr so heiter wie zuvor.

      Golroo und Taliman verabschiedeten sich nach ein paar Höflichkeitsfloskeln, und als Shanli die Tür hinter ihnen zumachte, nuschelte sie leise: »Unfassbar! Jetzt ist sogar ein Kerl in Pumphose ‘ne hübschere Frau als ich.«

      »Dafür kann ich ja jetzt wohl wirklich nichts!«, schnippte die blonde Navida zurück, was Shanli nur noch wütender machte.

      Giftig starrte sie ihn an. »Ach, halt die Klappe, Blondie. Du siehst selbst mit deinem Bart im Gesicht noch besser aus als ich.«

      Überrascht fasste Navid sich an die Wangen. Wie Shanli sagte, konnte er seine Bartstoppeln fühlen, was hieß, dass die Rückverwandlung bereits einsetzte.

      »Shanli, das wird nie und nimmer gutgehen!«, versuchte er, sie nochmals zu überzeugen, dass ihr Plan nicht gelingen würde.

      »Doch, das wird es. Und ich werde mit dir darüber nicht weiter streiten.«

      Zusehends verwandelte sich Navid zurück in den männlichen Dschinn. Seine goldene Mähne wurde wieder braun und schrumpfte auf Schulterlänge zusammen. Zugleich verschwand sein Busen, und die Schultern wuchsen in die Breite. Sein Kinn gewann wieder sein kantiges Aussehen, während sein Hals kräftiger wurde. Füße und Hände verwandelten sich zu denen eines Mannes.

      Je mehr Navid seine echte Gestalt annahm, desto panischer wurde Shanli. Denn insgeheim befürchtete sie, dass der Dschinn recht haben könnte. Doch welche Wahl hatte sie, wenn sie Parviz‘ Ehefrau werden wollte? Sie musste das Risiko eingehen und diese eine Chance nutzen, die sich ihr bot. Stur hielt sie an ihrem Plan fest und sprach den Satz aus, der ihr Ruhe bescheren würde – vor Navids Zweifel, den sie nicht hören wollte.

      »Das war es!«

      Sie vernahm noch aus dem grünen Zyklon seine tiefe Stimme, bevor er vollkommen im Smaragd verschwand: »Es wird trotzdem in die Hose gehen!«

      Shanli hätte schwören können, dass er sie mit dem abschließenden Furzgeräusch verspottete.

      Kapitel 9

      Geschenke von einst und jetzt

      Es war früh am Morgen, und die Gassen von Al Hurgha waren so gut wie menschenleer. Navid schaute sich verstohlen um. Sein grünes Kleid, das aus kostbarer Seide gefertigt und mit Hunderten von Perlen verziert war, stand im krassen Widerspruch zu der armseligen Hütte, die er soeben verlassen hatte. Hinter ihm trat Shanli aus der Tür. Auch sie hatte wie Navid die schlanke Blondinen-Gestalt angenommen. Die Bäckerstochter war ebenfalls nobel gekleidet, jedoch strahlte sie, im Gegensatz zu ihrem Dschinn, übers ganze Gesicht. Sie schaute zum Nachbarhaus, dessen Fensterläden noch verschlossen waren.

      »Schnell, lass uns gehen, bevor uns Golroo und Taliman entdecken.« Hastig packte sie Navids schmale Hand und zerrte ihn hinter sich her, die Straße entlang, in Richtung Palast.

      »Früher oder später werden sie dich in diesem Zustand antreffen. Das wird sich nicht vermeiden lassen«, machte er Shanli auf das Unausweichliche aufmerksam.

      »Was soll ich ihnen denn dann bloß sagen?«

      Navid zuckte lässig mit den Schultern. »Na, das Gleiche, was wir auch im Palast erzählen werden: dass wir Schwestern sind.«

      »Aber werden sie das nicht seltsam finden, dass plötzlich noch eine Cousine aufgetaucht ist.«

      Navid schnalzte mit der Zunge. »Warum sollten sie sich wundern? Wenn der Schah, so wie du erklärt hast, im ganzen Reich ausrufen ließ, dass er eine Braut sucht, ist es doch verständlich, dass von überall die Mädchen kommen werden, um im Palast vorzusprechen. Ich bin überzeugt, dass deine Cousinen tatsächlich angereist kämen, wenn du welche hättest.«

      Shanli nickte. »Ja, du hast recht.« Beunruhigt blickte sie zu Navid auf. »Wie sehe ich aus? Bin ich noch blond und schlank?«

      »Ja. Noch!«, meinte dieser verdrießlich. »Aber ich weiß nicht, wie viel Zeit wir haben …« Nach einem Augenblick des Nachdenkens nahm der Dschinn einen von seinen breiten Armreifen ab und reichte ihn Shanli. »Hier, nimm ihn! Damit kannst du hin und wieder dein Spiegelbild überprüfen.«

      Erstaunt betrachtete das Mädchen den schweren Goldarmreif, der in ihrer Hand ruhte. Er war wirklich so breit und blank poliert, dass sie ihr Abbild darin erkennen konnte.

      »Aber … er ist ein Vermögen wert. Was, wenn ich ihn verliere?«