Ewa A.

1001 Dattelkeks


Скачать книгу

Verhältnissen sie kommt, einen gut aussehenden Mann abzubekommen, der nicht nur Geld, sondern auch Macht hat.«

      »Aha!«, erwiderte Navid und verschränkte die Arme vor seinem weiblichen Vorbau, den er einen Moment verwirrt betrachtete, da er ihm in die Quere kam. »Es geht dir also doch um den Reichtum und nicht um die Liebe. Ich habe es geahnt!«

      »Nein!«, wehrte Shanli ab, um kurz darauf kleinlaut einzulenken. »Es ist schon Liebe. Aber wenn ich die Möglichkeit habe, etwas zu verändern, warum sollte ich diese dann nicht wahrnehmen?«

      Navid legte den Kopf schief. »Von welchen Veränderungen sprechen wir?«

      Unschuldig blickte Shanli drein. »Naja, zum Beispiel, dass auch Töchter einen Marktplatz von ihrem Vater erben können oder dass Frauen, auch ohne einen Mann, Handel auf dem Markt betreiben dürfen.«

      Navids Stirn schlug Falten und aufgebracht fuhr er sie an: »Deswegen stehen wir hier? Darum geht es? Dass du auf dem Markt deine Backwaren verkaufen kannst?«

      »Nein, natürlich nicht!«

      »Wieso hast du das nicht gleich gesagt? Du hättest dir die Satzung nur verändert wünschen müssen!«

      Shanli schüttelte den Kopf. »Abgesehen davon, dass ich Parviz liebe, würde eine Hochzeit mit ihm all meine Problem auf einen Schlag lösen. Ich hätte genügend Geld weiterzubacken …«

      »Was als Gemahlin des Schahs nicht mehr nötig wäre«, funkte Navid dazwischen.

      »Ich liebe es aber, zu backen! Selbst wenn Parviz mich heiraten würde, täte ich es noch täglich.« Diese Antwort war Navid bloß ein Kopfschütteln wert. »Und ich könnte alle Zutaten kaufen, die ich möchte, ohne mir Gedanken um die Kosten machen zu müssen. Ich könnte die Vorschriften des Marktes ändern lassen, damit es anderen Frauen nicht gleich wir mir ergeht. Endlich wären sie unabhängig von einem Mann, könnten selbst für ihren Unterhalt aufkommen und würden nicht Verwandten zu Last fallen oder einen Mann heiraten müssen, den sie nicht wollen.«

      Navid schmunzelte. »Warum willst du diese Änderung erreichen, wenn es dich dann gar nicht mehr betrifft?«

      »Ich … weiß nicht. Einfach so, weil ich es eben tun will. Ich kann doch nicht mit Scheuklappen durchs Leben laufen und nur das tun, was gut für mich ist.«

      Navid schwieg. Zu gern hätte er Shanli gefragt, warum sie das nicht könnte, aber keine Silbe kam über seine Lippen. Er wollte ihren entsetzten Blick nicht sehen, den sie ihm bestimmt zuwerfen würde, wenn sie seine Einstellung erkannte, die sich hinter dieser Frage verbarg. Insgeheim wusste er, dass nämlich genau dieser Egoismus ihn zu dem gemacht hatte, was er jetzt war: einem Dschinn, der verflucht war, jedem zu dienen, der das Amulett in seinen Besitz gebracht hatte – das Schmuckstück, dessen Eigentümer er selbst einst gewesen war.

      Kapitel 10

      Ein ganzer orientalischer Zoo

      Von der Tür zum Audienzzimmer trennten Shanli und Navid nur noch wenige Mädchen, die vor ihnen in der Reihe warteten. Mittlerweile war es Mittag, und unzählige Male hatte Shanli die Wünsche aussprechen müssen, die Navid und sie in Form hielten. Allerdings hatten sie während des Wartens zwei wichtige Erkenntnisse gewonnen. Die eine war: Je öfter Navid ihre Wünsche erfüllt hatte, desto länger hielten die Veränderungen an. Offenbar nahm seine Zauberkraft durch das ständige Wünschen nicht ab, sondern zu. Ihre Rückverwandlung setzte nun nicht mehr abrupt, nach wenigen Augenblicken ein, sondern erst nach geraumer Zeit, und sie ging wesentlich langsamer vonstatten als zuvor. Die zweite Erkenntnis war, dass es sogar ausreichte, wenn Shanli den Wunsch lediglich in Navids Ohr flüsterte und nicht laut aussprach. Da vor und hinter ihnen weitere Bewerberinnen standen, die Shanlis ständige Wünsche gehört hätten, beschlossen sie, auf diese Weise den Zauber auszulösen. Denn zwei tuschelnde Blondinen waren lange nicht so auffällig, wie ein Mädchen, das sich fortwährend laut wünschte, etwas zu sein, was es schon war – nämlich schlank und blond.

      Navid trat von einem Fuß auf den anderen. Er hob den Rock an und sah stöhnend auf seine zierlichen Füße. »Diese Riemenschuhe bringen mich noch um. Schau her! Zwischen den Zehen bin ich schon ganz wund!«

      Knurrig stauchte Shanli den Dschinn zusammen. »Kannst du jetzt endlich mal aufhören, herumzuheulen. Erst passt dir die Farbe des Kleides nicht. Dann beschwerst du dich über den Schleier. Danach jammerst du, weil dir deine Frisur nicht passt, und nun wegen der Schuhe. Fehlt bloß noch, dass du mich fragst, ob dein Hintern in dem Kleid fett aussieht.«

      Erschrocken drehte sich Navid zu ihr. »Tut er das etwa?« Bei dem Versuch, die Ausmaße seines Allerwertesten abzuschätzen, verrenkte er sich beinahe den Hals.

      Shanli zog schüttelnd den Kopf ein. Wie konnte ein Dschinn nur so eitel ein?

      »Nein, beruhig dich endlich!«, nuschelte Shanli. »Alles perfekt. Du wirst Parviz bestimmt gefallen.« Kurz kräuselte sich ihre Stirn. »Hoffentlich nicht zu gut.« Erneut schüttelte sie den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. »Also, was tust du, wenn du nicht weißt, was du ihm erzählen sollst?«

      Navids Oberlippe stülpte sich missmutig hervor, bevor er antwortete: »Dumm kichern und ›Ja‹ sagen.«

      »Genau!«, sagte Shanli und atmete durch, denn das nächste Mädchen kam weinend aus dem Audienzzimmer.

      Im selben Moment lief ein Trupp prunkvoll gekleideter Diener an der Schlange der Wartenden vorbei. In dessen Mitte stolzierte eine hochgewachsene junge Frau. Deren hochmütige Haltung verriet, dass sie die Tochter eines Emirs sein musste. Auch ihre gen Himmel gereckte schmale Nase ließ Shanli ahnen, dass das Mädchen sehr wahrscheinlich gewohnt war, das zu bekommen, was es wollte. Vielleicht war die junge Frau gerade deswegen eine strahlende Erscheinung und erfüllte sofort den Raum mit ihrer Anwesenheit. Alle Augen waren auf sie gerichtet, was ihr entweder gleich war oder nicht fremd. Ihre wallende Löwenmähne wippte im Takt ihrer entschlossenen Schritte. Der zartgoldene Stoff ihres Kleides war hauchdünn gesponnen, nahezu durchsichtig. Er schmiegte sich an ihre schmale Figur und besonders an ihre Beine, die schier endlos schienen.

      »Hallooo! Wen haben wir denn da?«, grölte Navid der stolzen Schönheit hinterher. Er ließ einen eindeutigen Pfiff los, worauf sich die Prinzessin prompt umdrehte.

      Neugierig musterte sie die Reihe der Mädchen, aus welcher der Ruf und der Pfiff erklungen waren. Mit einem irritierten Gesichtsausdruck wandte sie sich ab, setzte letztlich ihren Weg fort und wollte mit ihrem Gefolge einfach ins Audienzzimmer einmarschieren.

      Zwischenzeitlich rammte Shanli Navid den Ellbogen in die Seite. »Sag mal! Geht‘s noch?«

      »Was denn?«, meinte dieser unschuldig dreinblickend und flüsterte enerviert: »Ich bin schließlich immer noch ein Mann, zwar verflucht, aber nicht tot.«

      »Aber im Moment bist du ein Mädchen, du Dumpfbacke!«, zischte Shanli vorwurfsvoll zurück. »Außerdem drängelt die Olle sich vor.« Gleich darauf beschwerte sie sich lautstark, mit all den anderen Mädchen, die ebenfalls warteten.

      »Hey, du da, was soll das? Stell dich gefälligst hinten an!«

      Doch die Prinzessin kehrte sich eine feuchte Sanddüne darum. Ihre Diener drängten die vorderen Mädchen rücksichtslos beiseite und beschützten sie vor wütenden Übergriffen derer, die sich das nicht gefallen lassen wollten. Plötzlich ging die Tür des Bewerbungszimmers auf, und Parviz schritt heraus. Der Schah baute sich zu seiner vollen Größe auf. Mit aufgestützten Händen und einem charmanten Lächeln schaute er in die aufgebrachte Runde. Er genoss sichtlich die bewundernden Blicke und Seufzer, die er den Damen entlockte.

      »Was ist das hier für ein Tumult, meine süßen Vögelchen?«

      Die zurückgedrängten Mädchen ereiferten sich: »Die hat sich vorgedrängelt!«

      »Sie soll sich hinten anstellen, wie wir alle!«

      »Was glaubt die, wer sie ist?«

      Parviz' Brauen hoben sich, als er die stolze Unruhestifterin inmitten ihrer Diener bemerkte.