Ewa A.

1001 Dattelkeks


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Wenn sie die Gemahlin des Schahs war, besaß sie alles, was man sich wünschen konnte: Liebe, Reichtum und Macht. Vielleicht war der Plan, sie unter Parviz' Haube zu bringen, sogar noch besser als sein alter, bei dem er ihr den Kopf verdrehen sollte? Das Problem war nur, dass der neue Plan nicht so leicht umzusetzen war. Denn Parviz, der Schleimbolzen, jagte allem nach, was keine Hose trug. Ja, wahrscheinlich auch Kamelen. Andererseits … war dieser Weiberheld überhaupt in der Lage, jemand anderen zu lieben – abgesehen von sich selbst? Und wenn ja, dann waren da noch eine ganze Menge anderer Mädchen (allen voran die langbeinige Prinzessin Manizeh, die nicht leicht auszustechen sein würde), die Parviz ebenfalls wollten – und die Prüfungen. Weiß der Wüstengeier, was der Süßholz raspelnde Schah sich da ausgedacht hatte! Allerdings gab es noch eine viel dringendere Frage: Könnte er Shanli irgendwann dauerhaft blond und schlank wünschen? Aber war dies überhaupt noch nötig, wenn sie mit Parviz verheiratet war?

      Kapitel 11

      Süßigkeiten der besonderen Art

      Die folgenden zwei Tage vergingen wie im Fluge. Shanli backte wie immer ihre Kekse und verkaufte diese über ihr Küchenfenster. Die Einnahmen waren gering, doch das störte sie nicht, denn dank Navid konnte sie sich alle Zutaten herbeiwünschen, die sie wollte.

      Der Dschinn half ihr sogar beim Zubereiten der Köstlichkeiten und sie verzichtete darauf, seine Magie einzusetzen. Es schien, als mache es ihm Spaß, mit den Händen zu arbeiten, obwohl Shanli manchmal über seine verunglückten Kekse schallend lachen musste. Aber Navid nahm ihr das nicht übel, sondern amüsierte sich mit ihr. Ihre frechen Bemerkungen über seine Kunstwerke zahlte er ihr mit gleicher Münze heim, und so kabbelten sie sich in freundschaftlicher Weise.

      Shanli zeigte Navid Gewürze, die ihm unbekannt waren, und nötigte ihn, ihre neusten Leckereien zu probieren, was er schnaubend über sich ergehen ließ. Zufrieden grinsend beobachtete sie ihn dann, wie er die Süßigkeiten verspeiste, und wartete gespannt auf sein Urteil. Meistens schmeckten sie ihm gut, was er sich anfangs nur unwillig aus der Nase ziehen ließ. Aber als er bemerkte, wie Shanlis dunkle Augen jedes Mal fröhlich glitzerten, wenn er dies zugab, kamen ihm die Eingeständnisse leichter über die Lippen. Wenn es ihm nicht mundete, probierte sie ebenfalls von den Backwaren und überlegte laut, woran es liegen mochte. Sie fand immer einen Weg, die Kekse doch in kleine Köstlichkeit zu verwandeln. Navid musste lächelnd den Kopf schütteln, wenn sie sich danach selbst lobte und über ihr eigenes Backwerk vollkommen ins Schwärmen geriet.

      Währenddessen wollte Shanli, dass er sie immer wieder blond und schlank zauberte, damit die Zeitspanne der Veränderung sich vergrößerte. Manchmal erschrak die Bäckerstochter jedoch, wenn sie ihr blondes Spiegelbild auf einer blanken Fläche entdeckte. Ab und an vergaßen sie aber auch, den Wunsch zu erneuern. Und zeitweise war es Shanli lästig, ständig auf der Lauer zu liegen und daran zu denken. Allerdings mussten sie hin und wieder auch Navid verwandeln, wenn Golroo, Taliman oder Käufer vorbeischauten. Denn wie sollte sie ihnen erklären, dass ein junger Mann bei ihr wohnte, der, wie alle wussten, weder ihr Bruder noch ihr Ehemann war.

      Schließlich brach der Abend des Festes an, und Shanli war ein einziges Nervenbündel. Da Parviz erwähnt hatte, er wolle die Bewerberinnen näher kennenlernen, gab sie sich der Hoffnung hin, mit ihm einige Augenblicke allein verbringen zu können.

      Stunden hatte sie mit Navid diskutiert, gestritten und herumgealbert auf der Suche nach dem perfekten Kleid. Mittlerweile trug sie ein elfenbeinfarbenes Ensemble, welches reich mit goldenen Stickereien verziert und umsäumt war. Es betonte nicht nur ihre Figur und ihren makellosen Teint, sondern brachte ebenso ihre helle Haarpracht zum Leuchten. Navid bestand darauf, dass sie sich ein Diamantgeschmeide wünschen sollte. Aber Shanli wollte nur den Smaragd tragen, den sie wie die vorigen Tage unter ihrem Kleid verbarg. Navid gelang es lediglich, sie zu einem filigranen Stirnband zu überreden. Ein kleiner tropfenförmiger Brillant ruhte zwischen ihren Augen und funkelte mit ihnen um die Wette. Selbst Navid musste sich eingestehen, dass dieses Schmuckstück eine unvergleichliche Wirkung hatte. Unweigerlich zog es den Blick auf sich, und man versank in ihren schwarzen glänzenden Tiefen. Da Navid dem Schah nicht noch mehr gefallen wollte, bestand er darauf, dass sein Kleid auf keinen Fall grün sein dürfe. Er schwor, sollte der Schah ihn noch einmal wie einen Stein betiteln, würde er ihm besagten in den Rachen stopfen.

      So schlappte der Dschinn in der Abenddämmerung, in ein violettes Kleid gewandet, mit der Bäckerstochter den Hügel hinauf.

      Das Fest war bereits in vollem Gange, und der größte Teil der Bewerberinnen war schon da. Es mussten an die dreißig Mädchen sein, die in dem Iwan herumschwirrten. Eine breite Marmortreppe führte in den gepflegten und symmetrisch angelegten Palastgarten hinab. Mitten in der Anlage verlief ein langes, rechteckiges Wasserbecken, auf dem unzählige Lichter trieben und sich in der dunklen Oberfläche spiegelten. Palmen und Zypressen waren in Reih und Glied gepflanzt – wie Soldaten, die Wache hielten. Auch die akkurat verlaufenden Wege waren mit Fackeln bestückt und luden zum Flanieren ein. Zelte und Pavillons waren in regelmäßigen Abständen zu finden und boten genügend Gelegenheiten zum Ausruhen. Die weißen Sternblüten des Jasmins waren trotz der hereinbrechenden Dunkelheit noch überall im Park auszumachen. Orangenbäume verströmten ihren süßen Duft und verliehen der lauen Brise, die in den Iwan hineinwehte, eine besondere Frische. Die ausladenden Vorhänge bewegten sich sanft zwischen den monumentalen Arkadenbögen. Lange Tafeln waren über und über mit Speisen beladen. Äpfel, Trauben, Datteln und Kirschen glänzten prall und saftig in wuchtigen Messingschalen. Knusprig gebratene Hühner, Fische und Lammkeulen türmten sich verschwenderisch auf ovalen Platten, in deren gehämmertes Muster sich der ölige Fleischsaft sammelte. Dazwischen standen Schüsseln bereit, in denen heißer Reis und Bulgur dampften, die mit gerösteten Pinienkernen, Mandelblättchen und Korinthen verfeinert worden waren. Baklava, Reismehlpudding, Helva und mit Walnüssen gefüllte Feigen lockten mit ihrem zuckrigen Glanz. Zahlreiche bunte Sitzkissen lagen, unter ausladenden Palmen, im ganzen Saal verteilt. Dienerinnen reichten den Gästen heißen Tee und Mokka, aber auch kühles Wasser und frisch gepressten Saft.

      »Hier sind nur Frauen«, flüsterte Navid.

      Er schaute sich heimlich um, doch Shanli hörte seine Feststellung wohl nicht, denn sie stand mit verklärtem Gesicht einfach nur da und schwieg.

      »Ach, du grüne Dattel! Ich bin in Parviz' Harem gelandet.« Panisch wisperte er: »Shanli, wenn die spitz kriegen, dass ich ein Mann bin, dann war ich das die längste Zeit. Die schneiden mir die Glocken ab.« Aufgrund des erschreckenden Gedankens krochen Navids Hände beschützend vor seinen Schoß, wo gewöhnlich besagte Körperteile zu finden waren.

      »Blödsinn!«, murmelte Shanli, die immer noch völlig baff wegen der Pracht des Festes war. »Parviz' hat keinen Harem, das ist nur ein Fest.« Kritisch beäugte sie Navid. »Und von was für Glocken sprichst du überhaupt?«

      »Na, von …« Navid verstummte und schüttelte den Kopf. »Vergiss es!«

      Plötzlich rumpelte rücklings eine junge Frau gegen ihn, die sich erschrocken zu ihm umdrehte. Sie hatte eine wallende rote Mähne und war aufgrund ihrer hellen Alabasterhaut eine außergewöhnliche Schönheit. Mit zusammengekniffenen Augen betatschte sie Navids Brustbein und ließ ihre Hand weiterwandern, bis sie auf seiner linken Brust lag. Überrascht schnappte das Mädchen nach Luft. Aber anstatt ihre Hand zu entfernen, überprüfte sie ihren Verdacht mit der anderen und setzte diese auf Navids rechten Busen. Synchron drückte sie beide leicht, um dann entsetzt ihre Finger zu entfernen und aufzuschreien: »Oh, Verzeihung!« Sie rückte näher an Navids Gesicht heran, der das alles schweigend und mit versteinerter Miene über sich ergehen ließ. Ihre Nase kräuselte sich, als sie vor seiner weiterplapperte. »Ich dachte … Ihr wärt eine Säule, um die ein Vorhang drapiert ist. Aber anscheinend seid Ihr das nicht.« Sie kicherte einfältig. »Witzig, nicht wahr?«

      Parviz erschien neben ihnen. »Ihr zwei Schneckchen, was spielt ihr denn da für ein Spiel? Darf ich mitmachen?«

      »Auf keinen Fall!«, meinte Navid, während die Rothaarige fragte: »Schah Parviz, seid Ihr das?«

      Nun rückte sie dem Schah auf die Pelle, der sich sogleich